Dejours, Christophe/Deranty, Jean-Philippe/Renault, Emmanuel/Smith, Nicholas H.: The Return of Work in Critical Theory. Self, Society, Politics. New York: Columbia University Press 2018. 248 Seiten. [978-0-231-54718-5]

Rezensiert von Nikolas Lelle (Humboldt-Universität zu Berlin)

Arbeit produziert Leid. Ihre moderne Form, die Lohnarbeit, ist keine Ausnahme, sondern Paradebeispiel für die Regel. Menschen leiden an ihr, weil sie ohne Besitz von Produktionsmitteln dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, und dem Risiko ausgesetzt sind, daran zu scheitern, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hinzu kommt, dass die Art, wie Arbeit organisiert ist, zu Leid führt. Dieses mehrfache Leiden ist der Ausgangspunkt für das vorliegende Buch, das eine Rückkehr der Kritischen Theorie zu Begriff und Phänomen der Arbeit anstoßen möchte.

Gegen den grassierenden Arbeitswahn, der dieses Leiden nicht sehen will und kleinredet, formuliert Theodor W. Adorno einen Einspruch. Statt fortwährender „Steigerung der Produktivität“ und „unter irrem Zwang auf fremde Sterne einzustürmen“, denkt er über eine Gesellschaft nach, die „aus Freiheit Möglichkeiten“ ungenützt lassen könnte (Adorno 2003: 178f.). In ihr wäre anderes möglich: „Rien faire comme une bête, auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen“ (ebd.: 179). Adornos Gedanke fokussiert auf anderes als Arbeit, auf Praktiken der Nicht-Arbeit und des Müßiggangs. Er ist nicht nur Einspruch, sondern auch Ausdruck einer Sehnsucht nach einem Leben ohne Arbeit. Was Adorno hier ausspricht, ist weiterhin Utopie. Seit er diese Zeilen verfasste, wird nicht weniger, sondern mehr gearbeitet und intensiver, obwohl die Rede vom Ende der Arbeit seither Konjunktur hat.

Dem Slogan vom Ende der Arbeit widersprechen die Autoren des vorliegenden Buchs energisch. Sie sehen das Ende nicht kommen und halten die Diagnose für einen Mythos. Kritische Theorie heute, so ihr Einwand, hat eine Verantwortung für die Gegenwart und kann daher nicht allein auf anderes als Arbeit schielen, sie muss auch andere Arbeit anvisieren.

Heute macht Arbeit krank. Das ist ein Ergebnis aus den ersten beiden Kapiteln des Buchs. Aber, wenden die Autoren ein, nicht jede Arbeit und nicht Arbeit an sich, sondern Pathologien von Arbeit machen krank. Arbeit, anders organisiert, könnte sogar zur (psychischen) Gesundung beitragen und Subjekte zufrieden machen. Die Autoren wollen daher nicht nur zeigen, warum die Organisation von Arbeit heute falsch ist, sondern auch, wie es besser gehen könnte. Denn Arbeit ist nicht nur ein Ort, an dem Menschen leiden, sondern kann auch ein Ort sein, an dem sie sich einbringen, Demokratie leben und Anerkennung erfahren. Eine andere Organisation von Arbeit würde nicht nur Leiden reduzieren, sie könnte Impulse für eine Transformation gesellschaftlichen Maßstabs setzen.

Dejours, Deranty, Renault und Smith gehen in ihrem gemeinsam verfassten Buch von einer Analyse der negativen Erfahrungen aus, die Menschen mit Arbeit machen. Sie versuchen über diesen Umweg zu begreifen, welche Erwartungen eine positive Arbeit befriedigen und wie sie dafür organisiert sein müsste. Sie wollen eine kritische Konzeption von Arbeit entwerfen, die Vorbild für praktische Experimente sein kann und „soziale Transformation“ (166) möglich macht. Insbesondere die letzten Seiten des Buchs deuten einen geradezu revolutionären Anspruch an. Die herrschende Zentralität von Arbeit sehen sie als Potential, denn eine strukturelle Eigenschaft jeder Arbeit sei der Ungehorsam. Treffe der auf Solidarität und Vertrauen am Arbeitsplatz, sodass ein Arbeitskollektiv existiert, in dem demokratische Aushandlungsprozesse gelebt werden, könne daraus eine wahrhaft demokratische Gesellschaft entstehen.

Doch der Reihe nach. Zu Beginn versuchen die Autoren zu klären, was mit dem Begriff Arbeit eigentlich gemeint ist. Mit Alfred Marshall definieren sie Arbeit als „an exertion of mind or body undergone partly or wholly with a view to some good other than the pleasure derived directly from work“ (5). Diese Definition erlaubt es, auch unbezahlte Haus- und Reproduktionstätigkeiten in den Arbeitsbegriff zu integrieren. Denn jede Anstrengung, die unternommen wird, um ein bestimmtes Gut zu erhalten, zählt demnach als Arbeit. Ob eine Tätigkeit Arbeit ist oder nicht, entscheidet sich also dadurch, wozu sie getan wird. Nicht-Arbeit ist dann das Spiel, das allein zum Selbstzweck und aus Vergnügen getan wird. Diese sehr weite Definition ergänzen die Autoren um die Bemerkung, dass das zentralste Gut, für das gearbeitet wird, im Kapitalismus der Lohn ist. Im Folgenden unterscheiden sie immer wieder systematisch zwischen Arbeit als Lohnarbeit (employment) und Arbeit als Tätigkeit (activity). Die Unterscheidung ist relevant, denn eine Analyse der Sorgen über Arbeit zeigt, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit und prekärer Arbeit zwar zentrale Sorgen sind, dass ein Ungleichgewicht von Leben und Arbeit, Respektlosigkeit am Arbeitsplatz und bedeutungslose Arbeit aber weitere sind und sich nicht auf Arbeit als Lohnarbeit reduzieren lassen.

Der methodische Ausgangspunkt des Buches ist, unter Bezugnahme auf Max Horkheimer, eine Analyse der „Quellen sozialen Leidens“ (16). Die Autoren unterschätzen insofern keinesfalls die negativen Auswirkungen von Arbeit auf die Psyche von Arbeitenden. Solche Arbeit bezeichnen sie als „malformations of work“ (66), also Missbildungen, und sprechen damit eine wesentliche Annahme aus: dass Arbeit anders organisiert sein und dann zur Stärkung der Psyche beitragen könnte.

Arbeit ist eine ungeheuer bestimmende Erfahrung, „with a deep-rooted and far-reaching impact on the self“ (70), so die These von Dejours, Deranty, Renault und Smith. Um diesen Einfluss zu begreifen, analysieren sie einerseits die technische Dimension von Arbeit, also die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nötig sind, um zu arbeiten, und andererseits die soziale Dimension von Arbeit, d.h. die Abhängigkeiten, Koordinationsaufgaben und asymmetrischen Beziehungen, die mit Arbeit verbunden sind. Die zentrale Frage, die bislang von der Philosophie ignoriert worden sei, sie aber stellen wollen, ist: „what is work and how does it impact subjects in all its dimensions?“ (71)

Ein Aspekt ihrer vielschichtigen Antwort ist die Unterscheidung zwischen vorgeschriebener und tatsächlicher Arbeit, zwischen Vorschrift und Realisation. Jede Arbeitstätigkeit wird von jemandem, meist einer_m Vorgesetzten, angewiesen und vorgeschrieben. Doch die Vorschrift lässt sich nie eins zu eins umsetzen. Die tatsächliche Arbeit ist daher immer auch Interpretationsleistung und Aneignung, in die das Subjekt mit allem, was es mitbringt, eingeht. Es ist diese „Lücke“ (91) zwischen vorgeschriebener und tatsächlicher Arbeit und wie mit ihr umgegangen wird, die das Selbst stärkt oder schwächt. Ob die Arbeit zu einfach oder zu schwer, schlecht erklärt oder unmöglich in der verfügbaren Zeit auszuführen ist, das alles hat Einfluss auf das Subjekt, seine Erfahrungen und sein Befinden. Denn nicht nur verbringen Menschen einen Großteil ihrer Zeit bei der Arbeit, diese Tätigkeit, das wollen die Autoren zeigen, verlangt auch von jeder_m, sich als ganzes Subjekt einzubringen; umso wichtiger, dass Arbeit gut organisiert ist.

Die wichtigsten sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz sind vertikale und horizontale Anerkennungsbeziehungen. Arbeitsplätze, die auf Vertrauen und Solidarität aufgebaut sind und die Lücke gemeinsam kooperativ bearbeiten können, haben positive Effekte auf die arbeitenden Subjekte. Dann fühlen sich die Einzelnen anerkannt. Herrscht aber ein Klima, in dem jede_r auf sich selbst gestellt ist, regiert Konkurrenz und Misstrauen. Dann versucht jede_r für sich allein die Lücke zu schließen und möglichst für sich zu behalten, wie genau, um sich unersetzbar zu machen.

Die Sorgen und das Leiden sind die Grundlage für die vorgeschlagene Analyse der normativen Erwartungen, die an Arbeit gestellt werden. Gerechtigkeit und Autonomie sind die Werte, die die Erfahrungen mit Arbeit strukturieren. Diese wird üblicherweise als ungerecht und fremdbestimmt erfahren. Gerechtigkeit bezieht sich dabei ebenso auf die Verteilung von Gütern wie auf einen gerechten Lohn, und Anerkennungsbeziehungen, denn Arbeitende wollen für ihren geleisteten Beitrag gerechte Anerkennung erfahren. Insbesondere die ungerechte Verteilung von Anerkennung aufgrund von Berufshierarchien produziert abzuschaffendes Leid. Autonomie, so zeigen die Autoren, meint ganz allgemein die Kontrolle des eigenen Lebens. Arbeitslosigkeit wird als Verlust von Autonomie wahrgenommen, Arbeitstätigkeiten oft als fremdbestimmt oder zu wenig selbstbestimmt.

Mit diesen Ausführungen leisten die Autoren einen wichtigen Beitrag zur Analyse von Arbeit. Ihr weiter Arbeitsbegriff wirft Licht auf negative Erfahrungen, die nicht allein an Lohnarbeit gebunden sind und deshalb mehr erfordern als eine Abschaffung dieser modernen Arbeitsform, nämlich eine andere Organisation von Arbeit im Allgemeinen.

Besonders interessant ist das methodische Vorgehen von Dejours, Deranty, Renault und Smith. Über die Beschreibungen und Systematisierungen hinaus, die helfen sollen zu begreifen, was Arbeit genau ist und warum sie so wichtig für Subjekte ist, nutzen die Autoren das Leiden an und die Erfahrungen mit Arbeit als Ausgangspunkt für ein transformatorisches Konzept. Sie fordern nichts weniger als eine neue Methode für kritische Theorie und machen vor, was sie kann. Bislang herrsche ein „objektivistisches Modell“ (132), das als generell, unitär und rationalistisch charakterisiert wird und in dem Arbeit allein als instrumentelles Handeln begriffen werde. Beispiele für ein solches Vorgehen fänden sich bei John Rawls und Jürgen Habermas. Dieses Vorgehen werde der Sache nicht gerecht und könne die Verbindung des Subjekts mit der Arbeit weder erklären noch richtig einschätzen. Die Autoren schlagen deshalb ein „experientialist“ (erfahrungsbasiertes) Modell (142) vor, das für eine Analyse der Arbeit besser geeignet sei. Es kann als partikular, pluralistisch und pragmatisch charakterisiert werden und hat die Empirie zur Grundlage. Vorrang hat dabei die Erfahrung selbst. Negativistisch und induktiv soll diese Methode zu ihrem Ergebnis kommen.

Für diese Methode ist ein Blick in die Geschichte unerlässlich. Die Autoren verlangen deshalb insbesondere von Kritischer Theorie „historical awareness“ (156). Aber, und das ist ein erster kritischer Punkt, selbst die Passagen in ihrem Buch, die die Geschichte des Neoliberalismus beschreiben sollen, kommen weitgehend ohne historischen Index aus. Wie sich die Erfahrungen von und Erwartungen an Arbeit im letzten Jahrhundert verändert haben (könnten), reflektieren sie nicht systematisch. Das gälte es zu ergänzen, da die empirischen Befunde in der Gegenwart letztlich aus angereicherter Geschichte bestehen.

Als Folge dieser fehlenden historischen Reflexion kommen die Autoren bisweilen zu ungenauen historischen Einordnungen. Beispielsweise verweisen sie darauf, dass der_die Manager_in eine relativ junge Figur sei. Vorher haben Ingenieure weitgehend die Organisation von Arbeit vorgenommen, die im Gegensatz zur_m Manager_in noch einen direkten Bezug zur tatsächlichen Arbeit gehabt hätten. Dem Neoliberalismus ordnen die Autoren einen Managementstil zu, der individuelle Leistung bewerten will und sich einbildet, er könne alles managen, könne mit allgemeinen Prinzipien jede Situation vorhersehen und bewältigen und sich dadurch gegen Feedback abdichtet, das auf aktuellem Wissen über die tatsächliche Arbeit beruht. Diese Form des Managements ist aber älteren Datums als die Entstehung der Figur der_s Manager_in. Solche Programme reichen in Deutschland etwa bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück und haben mit dem Neoliberalismus erst einmal nichts zu tun (Hickel 1974).

Durch eine Kritik der herrschenden „neoliberalen Form“ (156) des Managements wollen die Autoren zeigen, wie ihr Vorgehen die Grundlage für eine andere Form der Arbeitsorganisation legt, die durchaus praktisch umsetzbar ist. Mit dem Neoliberalismus habe sich eine Weise zu managen verallgemeinert, die auf individuelle Leistungsbewertung baut und damit Misstrauen und Konkurrenz säht. Dagegen schlagen die Autoren ein „kooperatives Management“ (153) vor, dessen Hauptaufgabe in der Rekonstruktion und Aufrechterhaltung der Kooperation besteht. An einem konkreten Fall beleuchten Dejours, Deranty, Renault und Smith am Ende des Buchs, welche positiven Effekte die Umsetzung eines solchen Managementkonzepts haben kann. Es sei nicht nur ethisch überlegen, sondern auch ökonomisch effizienter. Die Fallstudie beruht auf einer Intervention von Christophe Dejours u.a. in einem Betrieb, der zehn Jahre zuvor eine Variante des neoliberalen Managementstils eingeführt hatte, was vielfältige Probleme mit sich brachte. Die Situation verbesserte sich durch die Einführung des kooperativen Managementstils, etwa durch regelmäßige Teamsitzungen, direkter statt elektronischer Kommunikation und einer besseren Delegation von Verantwortung. Solche Experimente müssten weitergetrieben werden, damit diese Form des Managements in allen Betrieben umgesetzt werden könne. Das beinhalte auch einen „struggle against neoliberalism“ (194), der an Kooperation kein Interesse hat. Dejours, Deranty, Renault und Smith haben also nichts weniger im Sinn als eine weitreichende Demokratisierung der Gesellschaft.

Mit ihrer Fallstudie schöpfen sie das Potential ihres Ansatzes aber leider nicht aus, denn so sehr unterscheidet sich ihre Vorstellung nicht von herkömmlicher Arbeit. Dem Betrieb ihrer Fallstudie konnte zwar durch eine Sanierung seiner Unternehmenskommunikation geholfen werden, sodass wieder effizienter gearbeitet wurde. Die Maßnahme hat sicher auch einiges an Leid reduziert. Von einer qualitativ anders organisierten Arbeit ist der Fall aber weit entfernt. Insbesondere die Vorstellung einer radikalen Demokratisierung des Arbeitsplatzes sollte mehr bedeuten als regelmäßige Teamsitzungen in angenehmen Klima. Die Geschichte kennt zahlreiche Beispiele, in denen solche Arbeitskritiken vereinnahmt und zur Produktivierung genutzt wurden (Boltanki/Chiapello 1999: 254ff.).

Die geringe Reichweite der Fallstudie hängt mit dem Fokus auf Managementmodelle zusammen. Dabei geraten die zu Anfang des Buchs analysierten Hauptquellen des Leidens aus dem Blick, nämlich die Angst vor Arbeitslosigkeit und prekärer Anstellung. Das vorgeschlagene kooperative Managementmodell bezieht sich naturgemäß nicht auf diese beiden Quellen. Denn gemanagt werden die Eingeschlossenen, nicht die Ausgeschlossenen. Ihre Fallstudie erhält einen bitteren Beigeschmack, wenn die Produktivierung des Betriebs durch den Hinweis bewiesen wird, dass eine der Managerinnen jetzt sogar nur noch eine_n Assisten_in statt zwei brauche (189). Wo die Fallstudie eine Unternehmensberatung beschreibt, sind die theoretischen Ausführungen der Autoren weitgehender und radikaler. Denn wie sie selbst zeigen, rührt die Erfahrung von Ungerechtigkeit und Fremdbestimmung nicht allein von Fehlern des Managements her. Also kann das Management auch nicht allein dafür Sorge tragen, dass sie nicht mehr auftreten. Zentral ist die Verbindung von Arbeit und Lohn, also der Fakt, dass Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – und daran ändert das „kooperative Management“ nichts. Doch immerhin sehen die Autoren ganz recht, dass eine Voraussetzung für gesellschaftliche Transformationsprozesse demokratische, kooperative Arbeitskollektive sind. Die Beherrschten, so schreiben sie, können sich nur selbst befreien. Emanzipation komme nicht von denjenigen an der Macht (192).

Wie diese Arbeitskollektive organisiert sind, muss sich in der Praxis zeigen. Dejours, Deranty, Renault und Smith setzen voraus, dass jede Arbeit eine_n Manager_in brauche, die_der koordiniert. Karl Marx fand für diese Setzung ein plausibles Bild, auf das sie verweisen. Ein Geiger sei sein eigener Dirigent, aber ein Orchester brauche einen eigenständigen. Es ist wohl richtig, dass Koordinationsaufgaben immer anfallen werden, doch ob sie stets langfristig von einer Person ausgeübt werden, mag beim Orchester plausibel sein, ist es aber sicher nicht für jedes vorstellbare Arbeitskollektiv. Start-Ups kennen bereits die unter dem Stichwort „New Work“ diskutierten Tendenzen in der Arbeitswelt, die diese Koordinationsaufgaben auf das Team verteilen (Rövekamp 2019). Dejours, Deranty, Renault und Smith deuten selbst an, dass diese Setzung eines notwendigen Dirigenten obsolet werden kann, wenn sie schreiben, es gehe auch um eine „subversion of this very division between the governing and the governed, the managing and the managed“ (199). Hier zeigt sich, dass ihre theoretischen Überlegungen über die praktischen Beispiele hinausreichen.

Ein Verdienst dieses Buches, so lässt sich resümieren, besteht darin, Arbeit wieder zum Gegenstand Kritischer Theorie zu machen. Der methodische Fokus auf das Leiden findet in der klassischen Kritischen Theorie ihr Vorbild. Dennoch irritiert der Titel des Buchs, Return of Work in Critical Theory. Die Rückkehr zum Begriff der Arbeit suggeriert, dieser sei bereits Gegenstand von Kritischer Theorie gewesen. Doch weder nehmen die Autoren eine theoriegeschichtliche Verortung vor noch ergibt sie sich aus ihrem Text. Die erste Generation der Kritischen Theorie, die sie im Blick haben, hat sich zwar auch um Arbeitsverhältnisse gekümmert. In den 1950er Jahren führte das Institut für Sozialforschung etwa Untersuchungen über westdeutschen Steinkohlebergbau oder über „Mechanisierungsgrad und Entlohnungsformen“ durch (Institut für Sozialforschung 2019). Aber bei aller Interdisziplinarität der Kritischen Theorie, die wesentlichen philosophischen Werke von Adorno oder Horkheimer lassen sich wohl kaum als Kritische Theorie von Arbeit bezeichnen. Im Vergleich zur Rolle, die Arbeit bei Marx und im Marxismus bis dahin spielt, könnte man bei der Kritischen Theorie vielleicht sogar von einer Abwendung von Arbeit sprechen, um die Bedingungen der Subjektform – in der Dialektik der Aufklärung – oder die Formen der Beschädigung dieser Subjekte – in der Minima Moralia – zu begreifen. Laut Herbert Marcuse erinnert Walter Benjamin daran, „daß es nicht um die Verbesserung, sondern um die Abschaffung der Arbeit geht“ (Marcuse 1975: 24). Vielleicht sollten die Autoren also besser von einer (philosophischen) Hinwendung der Kritischen Theorie zu Arbeit sprechen, nicht von einer Rückkehr. Zeit wäre es allemal, und einen substanziellen Beitrag dazu haben sie geleistet.

Literatur

Adorno, Theodor W. 2003. Minima Moralia: Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Boltanski, Luc, und Evè Chiapelli 1999: Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK.

Hickel, Rudolf. 1974. „Eine Kaderschmiede bundesrepublikanischer Restauration. Ideologie und Praxis der Harzburger Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft.“ In Der neue Konservatismus der siebziger Jahre, Hrsg. Martin Greiffenhagen, 108–154. Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl.

Institut für Sozialforschung 2019. „Vervielfältigte Forschungsberichte 1951–1994.“ ‹http://www.ifs.uni-frankfurt.de/veroeffentlichungen/verof
fentlichungen-1950-2001/›. Zugegriffen: 9. Mai 2019.

Marcuse, Herbert. 1975. „Revolution und Kritik der Gewalt.“ In Materialien zu Benjamins Thesen „Über den Begriff der Geschichte“: Beiträge und Interpretationen, Hrsg. Peter Bulthaup, 23–27. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Rövekamp, Marie. 2019. „Arbeiten ohne Chefs und Regeln: Berliner Start-Up ‚Einhorn‘.“ Tagesspiegel, 14. Februar.

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