Hunter, Leonie: Das Drama im Politischen. Hegels Ästhetik als demokratietheoretischer Traktat. Konstanz: Wallstein 2023. 276 Seiten. [978-3-8353-9166-6]

Rezensiert von Viet Anh Nguyen Duc (TU Darmstadt)

Aus Leonie Hunters Sicht fehlt es dem postfundamentalistischen Denken in der politischen Philosophie an einer normativen Orientierung: Zwar könne ein solches Denken auf überzeugende Weise „Prozesse des subversiven Aufbrechens, Unterwanderns und Irritierens" von politischen Ordnungen analysieren, doch gerate es in Schwierigkeiten, wenn es um die Klärung der „Frage nach einer gelingenden Ordnung" gehe (11). – So jedenfalls lautet die Ausgangsdiagnose ihres Buches Das Drama im Politischen, das zur Klärung eben jener Frage hinsichtlich der normativen Beurteilung politischer Ordnungen beitragen möchte. Dass die Autorin zu diesem Zweck Hegels Ästhetik heranzieht, mag ein wenig erstaunen. Es ist jedoch die besondere Leistung dieses Buches, in zehn pointiert geschriebenen Kapiteln zu zeigen, wie Hegels ästhetische Kategorien uns dabei helfen können, politische Ordnungen normativ-reflexiv zu durchdringen.

Im Kern verfolgt die Autorin zwei Thesen. Erstens: Die Ästhetik Hegels, genauer, seine gattungstheoretischen Reflexionen über die Lyrik, das Epos, die Tragödie und die Komödie geben uns bei angemessener Interpretation ein begriffliches Schema dafür an die Hand, politische Ordnungen normativ zu beurteilen. Denn in ihnen reflektiert Hegel normativ gehaltvoll über das Verhältnis von subjektiver Freiheit und Ordnung, von denen aus sich Näheres über das Gelingen jenes Verhältnis sagen lässt. Und zweitens: Wie das postfundamentalistische Denken beruht Hegels Denken auf der Prämisse einer ontologisch bedeutsamen Grundlosigkeit, die jede Ordnung ebenso konstituiert wie sie sie infrage stellt. Hegels Ästhetik, so lassen sich beide Thesen zusammenbringen, ist demnach nicht nur anschlussfähig an den zeitgenössischen postfundamentalistischen Diskurs, seine Ästhetik führt auch über diesen hinaus, insofern sie über Begriffe verfügt, die wir zur normativen Beurteilung über das Gelingen oder Misslingen von politischen Ordnungen heranziehen können.

Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem postfundamentalistischen Denken findet sich in Kapitel 2. Hier geht es Hunter vor allem darum, möglichst bündig auf einige theoretische Einseitigkeiten des postfundamentalistischen Denkens hinzuweisen, um dadurch die Zielsetzung ihrer eigenen Hegel-Lektüre klarer hervortreten zu lassen. Diese Einseitigkeiten demonstriert sie an einigen einschlägigen Autoren des postfundamentalistischen Diskurses, namentlich Jacques Rancières, Allain Badiou, Claude Leforts und Marcel Gauchets. Hunter arbeitet drei theoretische Einseitigkeiten an ihnen heraus. Am Beispiel Rancières diskutiert Hunter das Problem einer „normative[n] Überformung des Politischen“, demnach „sämtliche […] Eingriffe in die Politik” „als wünschenswert" erscheinen (40), was einer Verklärung des Politischen gleichkomme. Unter diesen Umständen sei es nicht möglich, auf begründete Weise gelingende von misslingenden Eingriffen zu unterscheiden; hier fehle es an einer theoretischen Grundlage. Eine zweite Einseitigkeit des postfundamentalistischen Diskurses verdeutlicht Hunter am Beispiel Alain Badious: Dieser fokussiere sich zu sehr auf eine Ethik widerständiger Subjekte, und vernachlässige hierbei die Analyse der „soziale[n] und ökonomische[n] Verhältnisse" (42). Damit verharre Badiou, so Hunter, in einem blinden „Voluntarismus“, der im ungünstigen Fall jene „Verhältnisse unwillentlich stabilisiert” (ebd.). Schließlich beobachtet Hunter noch eine dritte Einseitigkeit postfundamentalistischen Denkens, die sie am Beispiel Leforts und Gauchets diskutiert: Zwar seien beide Theoretiker an der Frage nach einer gelingenden Ordnung interessiert, doch würden sie lediglich zwischen totalitären und demokratischen Ordnungsmodellen unterscheiden und dabei ausblenden, dass auch demokratische Ordnungen mehr oder weniger gelingen können. So verklammern sich Lefort und Gauchet, wie Hunter argumentiert, auf eine geradezu dogmatische Weise an der Idee einer demokratischen Ordnung schlechthin, weshalb sie „den gegenwärtigen politischen Liberalismus de facto zur einzig möglichen demokratischen Ordnung" erklären würden (47).

Trotz ihrer harschen Kritik am gegenwärtigen postfundamentalistischen Denken bleibt Hunter ihm bis zu einem gewissen Punkt nahe, denn sie ist von der ontologischen Prämisse einer unaufhebbaren „Negativität des Politischen" (ebd.) überzeugt: Ohne diese Prämisse sei es nicht möglich, „die Menschheitsgeschichte in einem anspruchsvollen, nicht-teleologischen Sinne als Geschichte politischer Veränderung denken zu können" (47-48). Von „rationalistischen Demokratietheorien" und „orthodox marxistischen Diskursen" grenzt sich Hunter hingegen ab, weil diese eben nicht in der Lage seien, Geschichte in diesem radikaleren Sinne als ebenso menschengemachtes wie auch kontingentes Gebilde zu fassen (47).

Die darauffolgenden Kapitel 3-7 versuchen die Anschlussfähigkeit der hegelschen Philosophie im Allgemeinen für den postfundamentalistischen Diskurs zu belegen und bereiten somit eine politiktheoretische Lesart der hegelschen Ästhetik vor, die die soeben benannten Einseitigkeiten des postfundamentalistischen Diskurses adressieren soll.

Dass der Gedanke eines abwesenden Grundes in der Philosophie Hegels ein leitendes Motiv darstellt, demonstriert Hunter sehr prägnant an Hegels Naturbegriff, genauer gesagt, an der Art und Weise, wie Hegel das Verhältnis von Natur und Geist denkt. Der hegelsche Begriff der Natur markiert in ihrer Deutung dasjenige, das dem Geist vorausgeht und ihn begründet, zugleich aber auch unvordenklich ist und sich dem Geist entzieht. Der Geist wird demnach durch eine Negativität konstituiert, die er nicht gänzlich in eine begriffliche Ordnung bringen kann. Genau in dieser naturphilosophischen Konzeption sieht Hunter den „ontologischen Status der politischen Differenz" (131) vorweggenommen. Diese naturphilosophisch gedachte Differenz präfiguriert, wie Hunter an dem hegelschen Begriff der „zweiten Natur" erläutert, das dialektische Verhältnis von subjektiver Freiheit und objektiver Ordnung, um dessen Analyse sich Hunters Hegel-Deutung bemüht. Auch bei diesem Verhältnis bleibt somit stets eine konstitutive Spannung zwischen beiden Polen erhalten, die in den verschiedenen Entwicklungsverläufen des Geistes immer wieder in variierter Form zur Geltung kommt (vgl. 142).

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Entwicklungsgeschichte des Geistes als der Vollzug jener konstitutiven Spannung zwischen den Polen Natur und Geist, die auch das Verhältnis von subjektiver Freiheit und objektiver Ordnung bedingt. Offen bleibt damit aber noch die Frage, in welchen Formen das Verhältnis von subjektiver Freiheit und objektiver Ordnung auftreten kann, und welches dieser Verhältnisse sich als gelungen oder misslungen interpretieren lässt; genau an dieser Stelle setzt Hunter mit ihrer Lektüre der hegelschen Ästhetik an. Dabei spielen, wie erwähnt, die gattungsästhetischen Begriffe Lyrik, Epos, Tragödie und Komödie eine herausragende Rolle, denn sie benennen jeweils eine bestimmte Form, in der sich das Verhältnis von subjektiver Freiheit und objektiver Ordnung manifestieren kann.

In Hunters Interpretation gebraucht Hegel die Begriffe Lyrik und Epos, um jeweils bestimmte misslungene Verhältnisse zu bezeichnen: Kommt es bei der Lyrik zur Nivellierung der objektiven Ordnung zugunsten einer chaotischen Freisetzung der subjektiven Freiheit, so gerät beim Epos die subjektive Freiheit unter die Herrschaft einer repressiven Ordnung (69 ff.). Beide Fälle resultieren in Unfreiheit; dies ist nicht nur offenkundig bei der repressiven Ordnung unter dem Vorzeichen des Epos der Fall, sondern auch bei der lyrischen Freisetzung subjektiver Freiheit, da auch die subjektive Freiheit, wie Hunter argumentiert, auf eine Ordnung als Ermöglichungsgrund angewiesen ist.

Inwiefern das lyrische Verhältnis ein Problem darstellt, diskutiert Hunter ausführlicher am Beispiel des postfundamentalistischen Denkens im achten Kapitel ihres Buches; hier verlässt sie kurz den Argumentationsrahmen der hegelschen Ästhetik, auch um ihre eigene Position deutlich zu machen. Die Kritik am postfundamentalistischen Denken fällt hier deutlich provokativer aus, denn sie richtet sich nun gegen eine von ihr so benannte „postfundamentalistische[] Revolutionsromantik" (184), die Hunter als Ausdruck eines lyrischen Freiheitsbegehrens interpretiert. Gegen ein solches lyrisches Freiheitsbegehren, das jeden radikalen Eingriff in die bestehende Ordnung affirmiert, führt sie zwei Argumente an. So müsse es erstens nicht immer zu einem revolutionär erwirkten Bruch mit der bestehenden Ordnung kommen, um positive Veränderungen innerhalb der Gesellschaft herbeizuführen, da es auch, wie Hunter ausführt, positive, „demokratisch erwirkte Transformationen" innerhalb gegebener Ordnungen geben könne, wie sie am Beispiel von „antirassistische[n] Befreiungskämpfe[n]" oder auch am Beispiel der „zunehmende[n] Auflösung binärer Geschlechtsnormen" verdeutlicht (185). Zweitens könne es bei einer „revolutionäre[n] Neuordnung" auch sein, dass die Veränderungen für „einen Großteil der Bevölkerung wirkungslos bleiben." (ebd.)

Obwohl Hunter mit ihrer Kritik an jener „Revolutionsromantik" deutlich macht, dass es ihr nicht um jede Form von radikaler Veränderung gehen kann, so darf man ihre Position dennoch nicht als Plädoyer für ordnungsimmanente Fortschritte verstehen. Es geht Hunter grundsätzlich um gesellschaftliche Veränderungen, die auf eine gelingende Vermittlung der beiden Pole der subjektiven Freiheit und der objektiven Ordnung hinwirken – die Frage, ob es sich hierbei um revolutionäre oder ordnungsimmanent erwirkte Formen der Veränderung handeln muss, ist dem nachgelagert.

Was sie unter jenem ordnungsmäßigen Gelingen versteht, thematisiert sie in den letzten beiden Kapiteln ihres Buches; hier kommen nun die beiden Begriffe Tragöde und Komödie ins Spiel, die von Hegel dem Drama zugeordnet sind und im hegelschen Denken Alternativen zur Lyrik und zum Epos bilden.

Sowohl der hegelsche Begriff der Tragödie als auch der Begriff der Komödie charakterisiert, wie Hunter aufzeigt, eine spezifische Form von Reflexivität, die sie gegenüber den anderen beiden Ordnungsbestimmungen der Lyrik und des Epos als normativ gehaltvoller erscheinen lässt: Denn diese zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen „die Vermittlung der beiden Grundprinzipien objektiver Ordnung und subjektiver Freiheit als konstitutive Herausforderung" (96) erkannt ist. Was den Unterschied der beiden Begriffe betrifft, so verdeutlicht Hunter diesen an der Weise, wie die Vermittlung der beiden dialektischen Pole vollzogen wird. Der hegelsche Begriff der Tragödie bezeichnet, wie Hunter etwa an Hegels prominenter Deutung der Tragödie Antigone verdeutlicht (vgl. 196), ein bestimmtes Ordnungsverhältnis, bei dem zwar das Moment der subjektiven Freiheit in seiner Eigenständigkeit anerkannt wird, dennoch aber auf eine nivellierende Weise der objektiven Ordnung unterworfen wird. Letztere werde nämlich im tragischen Denken als „natürlich" oder „gottgewollt" begriffen und somit als Invariante aufgefasst (239). Demgegenüber bezeichnet der hegelsche Begriff der Komödie nach Hunter eine Ordnung, in der die „geltenden Ordnungsverhältnisse" „in ihrer menschengemachten Genese als historisch erwachsen und politisch veränderbar zur Darstellung gebracht werden." (ebd.) Anders als bei der Tragödie kommt es bei der Komödie im Denken Hegels also zu einer substanziellen Aufwertung der subjektiven Freiheit. In diesem Sinne ähnelt der Komödienbegriff bis zu einem gewissen Grad dem hegelschen Begriff der Lyrik, da bei beiden die subjektive Freiheit als tragendes Moment in der Ordnungsbestimmung gedacht wird. Deswegen betont Hunter auch hier die entscheidende Differenz: Denn anders als bei der Lyrik wird bei der Komödie die objektive Ordnung nicht nivelliert, sondern als Bedingung der subjektiven Freiheit erkannt, die die Subjekte selbst mitgestalten können (vgl. 223).

Bei der Komödie bleibt also kurzum die Differenz zwischen den beiden Polen subjektiver Freiheit und objektiver Ordnung erhalten, doch wird sie in einer Weise vermittelt, dass sie zugunsten der subjektiven Freiheit ausfällt. Damit ist, zumindest der Form nach, ein normativ geladener Begriff von Komödie gewonnen. Für die weitere Entfaltung des hegelschen Komödienbegriffs besteht für Hunter allerdings die Schwierigkeit, dass sich bei Hegel nun auch abwertende Aussagen gegenüber der Komödie finden, auch in Zusammenhang mit demokratischen Ordnungen (vgl. 20). An Stellen wie diesen kommt es zu einer kritischen Distanzierung vonseiten der Autorin: So wirft Hunter Hegel vor, stellenweise einem „konservativen Selbstmissverständnis" (231) erlegen zu sein, weshalb er den normativen Gehalt seines Komödienbegriffs nicht habe gerecht werden können. Zudem habe Hegel stellenweise die Komödie mit der regressiven Form der Lyrik verwechselt, was die Abwertung der Komödie erkläre; hier diagnostiziert Hunter Inkonsistenzen in der eigenen Begriffsverwendung (vgl. 233). Hunter hebt demgegenüber hervor, dass Hegel selbst die „Komödie" in seiner Ästhetik zum „Gipfelpunkt" seiner Gattungslehre erklärt habe (215), was eben nahelegt, diesem Begriff eine höhere Bedeutung zuzumessen, als es bei den anderen gattungsästhetischen Begriffen der Fall ist. Dies macht Hunters Deutungsvorhaben selbst zu einer Art von Detektivarbeit, denn es gilt die eher missverständlichen Bestimmungen des Komödienbegriffs von jenen Bestimmungen zu unterscheiden, die eine gehaltvolle Deutung von Hegels Komödienbegriff erlauben.

Viele Textbelege gibt es jedoch nicht, die Hunter für ihre Interpretationsvorhaben heranziehen kann. Es sind, wie sie anmerkt, lediglich „zwei Stellen in Hegels Komödienbestimmung" (218), die es ihr erlauben, einen normativ gehaltvollen Begriff von Komödie zu entwickeln. Ansonsten knüpft sie an Alenka Zupančič’ Interpretation des hegelschen Komödienbegriffs an; diese ist für Hunters eigene Interpretation, wie sie selbst anmerkt, zentral (vgl. 23 u. 238 ff). Wer also eine stichhaltige Rekonstruktion des hegelschen Komödienbegriffs erwartet, die auf vielen aussagekräftigen Quellen beruht, wird enttäuscht sein. In diesem Sinne wird Hunters Deutung des hegelschen Komödienbegriffs nur eine geringere Verbindlichkeit beanspruchen können, wie die Autorin einmal auch indirekt zu verstehen gibt (vgl. 249). Aber was sie im Ergebnis dann vorlegt, ist in jedem Fall ein normativ sehr anspruchsvoller Begriff von Komödie, dessen „politische Verwirklichung" bisweilen noch ausstehe (218). Dazu seien nämlich mindestens drei äußerst voraussetzungsreiche Bedingungen zu gewährleisten, wie Hunter am Schluss ihrer Komödiendeutung bündig resümiert: Erstens müssen „die Subjekte sich als alleinige Meister:innen der Gestaltung ihrer Verhältnisse erfahren können“; zweitens müsse bei der Gestaltung jener Verhältnisse die Chance zur „gleichen Teilhabe” gewährleistet sein; und drittens müsse es möglich sein, dass die Subjekte sich auch aus ihrer „Gestaltungsaktivität" zurückziehen können, d. h. nicht zur ständigen Mitgestaltung gezwungen sind (240).

Im Fokus steht hier also ein normativer Begriff von Ordnung, der zum einen selbstreflexiv auf das Durchsichtigwerden der eigenen kontingenten Setzungsgeschichte abhebt, zum anderen aber auch auf die Ermöglichung von selbstbestimmten und gleichberechtigten Gestaltungspraxen abzielt, ohne die Subjekte dabei normativ zu überfordern, d. h. sie einem Mitgestaltungszwang auszusetzen. In diesem Sinne kann es Hunter nicht bloß darum gehen, Veränderungen, seien sie nun ordnungsimmanent oder revolutionär, als Eingriffe in die Politik vorbehaltlos zu bejahen, sondern nur dann, wenn sie auf eine „komödienkompatible Wirklichkeit" (239) im oben angegebenen Sinn hinführen. Damit sind die Konturen eines hegelschen Komödienbegriffs entworfen, der anzeigt, was wir unter einer gelingenden Ordnung verstehen können.

II.

Eine Fortsetzung dieses Buches ist nun vor Kurzem unter dem Titel Tragischer Liberalismus (2024) erschienen. In diesem Buch kommt, wie der Titel bereits andeutet, Hunters ordnungstheoretisches Modell zur Anwendung, insofern es ihr in diesem Buch insbesondere darum geht, die tragische Struktur des Liberalismus herauszuarbeiten. Inwiefern dieses Vorhaben gelingt, soll hier allerdings nicht beurteilt werden. Stattdessen soll nachfolgend ein konzeptioneller Gesichtspunkt angesprochen werden, der Hunters Auslegung des hegelschen Komödienbegriffs betrifft, auf dem ihr ordnungstheoretisches Modell beruht. Mir geht es um folgenden Punkt: In Hegels Komödienbestimmung spielt das Motiv einer heiteren Selbstbejahung eine zentrale Rolle; dieses Motiv bleibt bei Hunter weitestgehend unentfaltet, und dies vielleicht nicht ganz zufällig. Schließlich könnte jenes Motiv einer heiteren Selbstbejahung auch mit einer Affirmation der gegebenen Verhältnisse einhergehen. Dann hätte das Motiv im Sinne Hunters einen strukturkonservativen Zug, der nicht ganz zu ihrer Deutung des hegelschen Komödienbegriffs passen würde, da sich diese maßgeblich auf den ordnungskritischen Sinn des Komödienbegriffs fokussiert.

Zeigen lässt sich allerdings, dass der hegelsche Begriff der Heiterkeit bzw. der heiteren Selbstbejahung durchaus auch einen kritischen bzw. ordnungsüberschreitenden Sinn mit sich führt.

Dies lässt sich den folgenden Ausführungen von Hegel über das Komische entnehmen:

„Das Komische spielt deshalb mehr in unteren Ständen der Gegenwart und Wirklichkeit selbst, unter Menschen, die einmal sind, wie sie eben sind, nicht anders sein können und wollen und, jedes echten Pathos unfähig, dennoch nicht den mindesten Zweifel in das setzen, was sie sind und treiben. Zugleich aber tun sie sich als höhere Naturen dadurch kund, daß sie nicht an die Endlichkeit, in welche sie sich hineinbegeben, ernstlich gebunden sind, sondern darüber erhoben und gegen Mißlingen und Verlust in sich selber fest und gesichert bleiben. Diese absolute Freiheit des Geistes, die an und für sich in allem, was der Mensch beginnt, von Anfang an getröstet ist, diese Welt der subjektiven Heiterkeit ist es, in welche uns Aristophanes einführt. Ohne ihn gelesen zu haben, läßt sich kaum wissen, wie dem Menschen sauwohl sein kann." (Hegel 1986: 553)

Hegel diskutiert hier ein ambivalentes Moment in der Heiterkeit, das er bei den ‚einfachen Menschen’ im Kontext der Komödie entdeckt. Zum einen erkennt Hegel in der Heiterkeit jener Menschen ein Moment der Selbstanerkennung – „wie sie eben sind" –, und hierin liegt etwas Affirmatives. Zum anderen erblickt Hegel in jener Heiterkeit zugleich aber auch eine Überschreitungsbewegung, die sich von der „Endlichkeit" löst, d. h. von den gegebenen Verhältnisse, an die die Menschen „ernstlich gebunden sind". Wir haben es hierbei also mit einer dialektischen Figur zu tun, bei der die Immanenz zugleich bejaht und überschritten wird, insofern sich hier ein heiteres Subjekt über das Bestehende erhebt. Dieser entscheidende Aspekt des hegelschen Komödienbegriffs, der – mit Hegel gesprochen – auf das ‚Sauwohl-Sein’ der Menschen abhebt, bleibt in Hunters Komödiendeutung allerdings weitestgehend unberücksichtigt; dabei hätte gerade dieser Aspekt wegen seines ordnungsüberschreitenden Moments in Hunters Ausarbeitung eines ordnungstheoretischen Modells gut gepasst. Im Anschluss an Hunters Kritik an der tragischen Verfassung des Liberalismus ließe sich etwa mit Rekurs auf die hegelsche Figur der Heiterkeit fragen, ob es nicht auch heitere Elemente in der tragischen Ordnung gibt, die in ihrer Grundstruktur bereits die gegebene Ordnung in einer Weise transzendieren, dass sie auf eine noch ausstehende komödienkompatible Wirklichkeit im Sinne Hunters verweisen.

Alles in allem ist Hunters Drama im Politischen ein interessantes, sehr klar geschriebenes und in der Gesamtkonzeption gelungenes Buch. Empfehlenswert ist es insbesondere für jene, die nach einer pointierten Kritik am postfundamentalistischen Denken suchen, sowie für jene, die an einer kreativen, politiktheoretischen Auseinandersetzung mit der hegelschen Ästhetik interessiert sind. Im Kern zeigt uns das Buch, wie die hegelschen Kategorien der Lyrik, des Epos, der Tragödie und der Komödie dabei helfen können, ein normatives Verständnis des Gelingens bzw. Misslingens von politischen Ordnungen zu erlangen. Auch wenn man nicht unbedingt mit Hunters spezieller Deutung des hegelschen Komödienbegriffs im Einzelnen übereinstimmen muss, so ist eines klar: Der hegelsche Komödienbegriff enthält in seiner Grundkonzeption einen kritischen, ja ordnungsüberschreitenden Sinn, der in der Hegel-Rezeption bisweilen zu Unrecht vernachlässigt worden ist – diesen kritischen Sinn des Begriffs wird man nicht mehr übersehen können, sobald man sich mit Hunters engagiertem Beitrag befasst hat.

Literatur

Hunter, Leonie. Das Drama im Politischen. Hegels Ästhetik als demokratietheoretischer Traktat. Konstanz: Wallstein, 2023.

Tragischer Liberalismus. Frankfurt a. M.: Campus, 2024.

Hegel, G.W.F. Vorlesungen über die Ästhetik III. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1986.

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