Beckman, Ludvig: The Boundaries of Democracy. A Theory of Inclusion. Abingdon: Routledge 2023. 158 Seiten. [978-3-518-58586-3]

Rezensiert von Luis Poscharsky (Universität Hamburg)

Ludvig Beckman liefert mit The Boundaries of Democracy eine systematische Darstellung des Unterworfenheitsprinzips (all subjected principle) und erweist damit der Demokratietheorie einen wichtigen Dienst. Seine Studie treibt die schwierige Debatte um die Frage voran, wer in einer Demokratie zum Demos gezählt werden sollte. Das Thema ist wichtig, weil das Kriterium der Staatsbürgerschaft noch nicht klärt, wer die Möglichkeit haben sollte, sich an demokratischen Verfahren zu beteiligen. Dies wird offensichtlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Staatsbürgerschaftsrecht bereits Ergebnis politischer Entscheidungen ist (7). Stattdessen sollte die demokratische Inklusion, wie Beckman zurecht festhält, durch ein normatives Prinzip begründet sein (ebd.). Das Buch erweckt insgesamt den Eindruck, das Problem könnte vor-politisch mit den Methoden der analytischen Philosophie gelöst werden. Der Mehrwert von Beckmans Beitrag hängt allerdings glücklicherweise nicht von dieser Auffassung ab. Auch wenn wir anerkennen, dass Fragen der demokratischen Mitgliedschaft immer Gegenstand politischer Aushandlungsprozesse sind, sollten solche Aushandlungsprozesse durch ein plausibel konzipiertes normatives Prinzip konstituiert werden (vgl. Ahlhaus 2020).

Die zeitgenössische Auseinandersetzung um die Prinzipien der Inklusion ist wesentlich um die beiden konkurrierenden Ansätze des Betroffenheitsprinzips (all affected principle) und des Unterworfenheitsprinzips zu strukturieren. Hier lassen sich drei zusammenhängende Diskurse identifizieren. Auf der einen Seite geht es darum, welches Inklusionsprinzip plausibler ist: Sollten Personen in kollektive Entscheidungen eingebunden werden, weil sie durch diese betroffen sind, oder weil sie ihnen unterworfen sind? Auf der anderen Seite gibt es zwei Debatten darüber, wie genau die Prinzipien jeweils zu verstehen sind: Was bedeutet es, von einer Entscheidung im für die demokratische Inklusion relevanten Sinne betroffen, und was, ihr unterworfen zu sein?

Beckman beschränkt sich weitgehend auf letztere Frage, genauer gesagt darauf, wie das Unterworfenheitsprinzip sinnvollerweise auszubuchstabieren sei. An seiner Theorie wird man in Zukunft nicht vorbeikommen, möchte man den Begriff der Unterworfenheit (subjectedness) rechtlich verstehen. Wer in diesem Sinne als unterworfen zu gelten hat, so legt Beckman unter Rückgriff auf die Rechtsphilosophie von H. L. A. Hart und Joseph Raz plausibel dar, hängt mit einem normativen Anspruch auf die Befolgung von Regeln zusammen. Nur (sogenannte) De-Facto-Autoritäten, also solche, die einen derartigen Anspruch erheben und zumindest von einigen anerkannt werden, treffen Entscheidungen, durch die Personen im relevanten Sinne als unter-worfen gelten sollten, so seine zentrale These (14).

Bindende Entscheidungen

Beckman beschreibt sein Unterfangen als Explikation (6) der folgenden Aussage: „Demos membership should be understood in terms of subjection to binding decisions“ (3). Ausgehend von dieser allgemeinen Formulierung des Unterworfenheitsprinzips soll also eine spezifische Lesart entwickelt werden, ohne sich dabei systematisch mit rivalisierenden Ansätzen wie dem Betroffenheitsprinzip auseinanderzusetzen (6).

Die Formulierung könnte allerdings noch allgemeiner sein. Tatsächlich wird durch sie bereits zu einem relevanten Teil festgeschrieben, wie sich Beckman im Diskurs um das Unterworfenheitsprinzip positioniert. Es handelt sich nämlich offenkundig um eine Abwandlung der Formulierung „subjection to the law“. So schließt Beckman an juristische Konzeptionen des Unterworfenheitsprinzips an. Wie weiter unten zu sehen sein wird, geht Beckman zwar deutlich über eine formalrechtliche Auffassung hinaus. Doch er beschränkt die Perspektive, sofern es um Nationalstaaten geht, auf den Bereich des Rechts und grenzt sich damit von den Auffassungen ab, die Arash Abizadeh als „de facto interpretation“ (Abizadeh 2021: 604) bezeichnet – also von der Auffassung, dass es um Unterworfenheit in einem materiellen Sinne geht – sowie von Ansätzen, die sowohl das materielle als auch das juristische Kriterium berücksichtigen. Indem er einen allgemeineren Terminus als den des Rechts verwendet, setzt er sich vom verbreiteten Vorgehen ab, sich auf nationale (und supra-nationale) Institutionen zu beschränken. Obgleich es in weiten Teilen des Buches um die nationalstaatliche Ebene geht, beansprucht Beckman, dass seine Überlegungen prinzipiell für jede Art von Organisation gelten (17). Dies erscheint ausgesprochen sinnvoll, da die vorgeschlagene Theorie auf diese Weise auch auf diverse andere Kontexte anwendbar ist (4). Zudem wird eine differenziertere Betrachtung dessen ermöglicht, worauf es im Verhältnis zwischen Staat und Bürger:in ankommt, da Recht als Kategorie nicht unbestimmt vorausgesetzt wird. Stattdessen fasst er das Rechtssystem mit H. L. A. Hart als normatives System auf (32).

Was zeichnet also bindende Entscheidungen aus? Beckman entwickelt seine Antwort, es handle sich um Entscheidungen, die durch De-Facto-Autoritäten getroffen werden (wobei er die Formulierung „de facto“, wie sich zeigen wird, gänzlich anders verwendet als Abizadeh), gegen drei Alternativen, die sich im Deutschen als Gebundenheit durch Zwang, moralische Gebundenheit und formalrechtliche Gebundenheit bezeichnen lassen. Die entsprechenden Konzeptionen des Unterworfenheitsprinzips bezeichnet er als „brute force account“ (42), „moralized account“ (21), und „substantive account“ (73). Da es sich beim Zwang im Sinne Abizadehs um eine Form von De-Facto-Betroffenheit handelt, erscheint die Formulierung der „Gebundenheit durch Zwang“ in sich widersprüchlich. In der Tat argumentiert Beckman auf diese Weise:

The brute force account is unable to explain how the subject of the laws of the state can be subject to binding legal norms. Indeed, the brute force account does not even recognize that the laws of the state claim to be binding. In the brute force account, the only claim that the state can make is that people usually have reason to do as requested by the law because of the incentives provided by the coercive institutions of the state. (43)

Zwang ist also deshalb irrelevant für Fragen der Inklusion, weil er keine normativen Gründe liefern kann, sondern nur Gründe, die das wohlverstandene Eigeninteresse eines Individuums betreffen. Beckman erweckt hier den Anschein einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem alternativen Ansatz, zieht sich im Grunde aber lediglich auf die Prämisse zurück, dass der Demokratiebegriff sich nicht auf die Anwendung von Gewalt bezieht. Stattdessen versteht er Demokratie als „the ideal that normative systems that claim to regulate conduct by rules are governed by the agents they intend to regulate“ (5). Über diesen Aspekt wird im nächsten Abschnitt noch weiter zu diskutieren sein. Zunächst soll Beckmans eigene Position deutlicher herausgearbeitet werden, anhand seiner Auseinandersetzung mit dem moralisierten und dem formalrechtlichen Ansatz.

Ein moralisiertes Verständnis sucht man in anderen typologischen Übersichten unterschiedlicher Konzeptionen des Unterworfenheitsprinzips vergeblich (vgl. Goodin 2016: 370–373; Abizadeh 2021: 604). Für Beckmans Argument scheint es allerdings wichtig zu sein, sich mit der Möglichkeit einer solchen Position auseinanderzusetzen, gemäß der Personen in kollektive Entscheidungen eingebunden werden sollten „if, and only if, they are morally required to comply with them“ (17). Schließlich ist es naheliegend, den Ausdruck der bindenden Entscheidung im Sinne einer moralischen Gebundenheit zu verstehen. Zudem interpretiert Beckman Raz auf diese Weise (45). Wichtig ist es für Beckman auch deshalb, sich mit dieser Position auseinanderzusetzen, weil er seine eigene Auffassung von bindenden Entscheidungen – in der die normative Komponente weiterhin eine wichtige Rolle spielt – eben über die Abgrenzung von der rein moralischen Perspektive entwickelt. Diese nimmt er folgendermaßen vor:

Assuming, plausibly, that unjust decisions are not morally justified, it follows that unjust decisions are not morally binding. Hence, the moralized version of the all-subjected principle offers no valid claim for democratic participation by the members of associations that are either unjust or that make unjust decisions. (21)

Das ist für Beckman inakzeptabel, da daraus folgen würde „that claims to democratic inclusion are never valid where they are most needed“ (ebd.), also dort, wo es angesichts von Ungerechtigkeiten dringend ein demokratisches Korrektiv bräuchte. Die Herausforderung sei daher „to make sense of the claim that a decision can be binding and yet not morally binding“ (22).

Eine weitere Möglichkeit ist eine formalrechtliche Konzeption des Unterworfenheitsprinzips, wie sie beispielsweise Bob Goodin (2016) vertritt. Dieser Ansicht zufolge hängt der Geltungsbereich von Entscheidungen – und damit, wer als unterworfen gilt – von der Substanz der Entscheidung selbst ab. Daher bezeichnet Beckman diese Auffassung auch als „substantive account“. Anders ausgedrückt, geht es darum, über wen die Entscheidungen treffende Instanz Autorität beansprucht. Zum Teil stimmt Beckman dieser Auffassung zu:

People are subject to decisions in the sense relevant for democratic inclusion only if they are subject to decisions that claim to be binding. Hence, associations are democratic to the extent that they presumptively include all and only all for whom they claim to make decisions that are binding. (25)

Allerdings nimmt er mehrere Einschränkungen vor. Zunächst weist das Wort „presumptively“ im zitierten Abschnitt darauf hin, dass Ausnahmen von der Regel möglich sind, wenn gute Gründe dafür sprechen (12). Auf diese Weise vermeidet Beckman die Implikation, dass es auch Tourist:innen in ihrem Urlaubsland gestattet sein sollte, an demokratischen Wahlen teilzunehmen (10). Darüber hinaus – hierbei handelt es sich um einen zentralen Aspekt – müsse ein relevanter Teil derjenigen, über die der Anspruch erhoben wird, diesen auch anerkennen. Eine Instanz, deren Entscheidungen von niemandem als legitim anerkannt werden, sei entweder auf Zwang angewiesen, oder aber ihre Entscheidungen würden überhaupt keine relevante Rolle spielen (30).

Auf diese Weise entwickelt Beckman sein Verständnis des (von Raz übernommenen) Begriffs der De-Facto-Autoritäten, der einzigen Instanzen, denen Beckman zubilligt, ihre Entscheidungen seien im für demokratische Inklusion relevanten Sinne bindend (35). Es gehe also um die Verbindung von „claimed legitimate authority and belief in legitimate authority“ (28). Dabei gilt der Anspruch auf Inklusion auch für diejenigen, die die Legitimität nicht anerkennen, d. h. Konformität nicht als moralisch geboten betrachten (31).

Damit ist der Geltungsbereich der Autorität allerdings noch nicht vollständig definiert. Der letzte wichtige Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass eine Autorität auch darüber definiert wird, dass sie „exclusionary reasons“ (28) vermittelt. Darunter versteht Beckman „reasons not to act on the basis of any other reason“ (74). Der Geltungsbereich von Autorität erstrecke sich daher über das Gebiet – und nur über das Gebiet – in dem die Institutionen, die das Recht anwenden, die exklusive Gültigkeit des ihnen Autorität verleihenden Rechtssystems anerkennen (79). In diesem Zusammenhang wird die Abgrenzung von der formalrechtlichen Lesart des Unterworfenheitsprinzips erst völlig klar. Während etwa Goodin die These vertritt, dass alle Bewohner:innen der Erde in jedem Land wählen dürfen sollten, da nationale Gesetze – formell betrachtet – globale Gültigkeit beanspruchen, hält Beckman dagegen:

Legal institutions are not just shaping the content of the norms with which the subject ought to comply but also set limits to the extent to which claims for compliance can be sustained. The fact that the scope of the state’s legal authority is dependent on the operations of legal institutions and their ability to establish exclusive authority is a reason to believe that territorial control is pertinent after all. (80)

Hier zeichnet sich schon ab, welche Konsequenzen sich aus Beckmans Konzeption des Unterworfenheitsprinzips ergeben. Im nun folgenden Abschnitt gehe ich auf solche praktischen Implikationen ein und diskutiere anhand dieser Verdienste und Probleme der Theorie.

Inklusion innerhalb und außerhalb nationaler Grenzen

Wenn die Grenzen des Demos mit den räumlichen Grenzen des Staates übereinstimmen würden, könnte die Frage der Staatsbürgerschaft keine unmittelbare Rolle bezüglich demokratischer Inklusion spielen. Von praktischer Relevanz wäre lediglich der Wohnort. Im letzten Drittel des Buches diskutiert Beckman damit zusammenhängende Konsequenzen. So betont er, dass das Unterworfenheitsprinzip entsprechend seiner Konzeption keine nationalistischen Implikationen habe. Beckman wendet gegen mögliche derartige Vorwürfe ein, nationale Grenzen würden den Demos nicht definieren, die Dinge verhielten sich nur gegenwärtig dergestalt, dass die De-Facto-Autorität von Staaten an ihren Grenzen ende (102). In einer post-westfälischen Welt wäre dies entsprechend anders (83).

Insgesamt thematisiert Beckman merkwürdigerweise die Konsequenzen der Theorie für dauerhafte Einwohner:innen eines Landes ohne entsprechende Staatsbürgerschaft kaum. Dies liegt vermutlich daran, dass der akademische Diskurs der vergangenen 15 Jahre vor allem das Auftreten des Staates nach Außen im Blick hat. So geht es beispielsweise in der stark rezipierten Debatte zwischen Abizadeh (2008, 2010) und Miller (2010) darum, ob Grenzregime sich nur dann als demokratisch qualifizieren, wenn sie auch durch die Personen geprägt werden, die die jeweilige Grenze von außen überqueren möchten. Ohne solchen Debatten die Relevanz absprechen zu wollen, ist der Hinweis angebracht, dass im öffentlichen Diskurs bereits die deutlich bescheidenere Forderung als kontrovers einzustufen ist, alle Einwohner:innen eines Landes sollten auch an den dortigen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen dürfen. Die Berechtigung von Ausländer:innen, an nationalen Wahlen teilzunehmen (die in Neuseeland und Uruguay vorliegt), ist global gesehen bisher die absolute Ausnahme (Wüst 2013: 293). Dass sich dies ändern sollte, ist eine eindeutige Implikation von Beckmans Theorie: Eine dauerhaft in Deutschland lebende Rumänin ist beispielsweise den hiesigen Gesetzen unterworfen, und es ist daher nicht zu rechtfertigen, dass sie auf Landes- und Bundesebene nicht an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen darf. Wollte man hier widersprechen, müsste man eben doch nationalistische Argumente bemühen.

Auch ein Widerspruch auf der konzeptuellen Ebene – zu bestreiten, dass es sich bei De-Facto-Autorität in Beckmans Sinne um ein relevantes Kriterium handelt – erscheint unplausibel. Die einzige ernstzunehmende Alternative wäre es, Unterworfenheit nur in Fällen zu erkennen, in denen Herrschaft durch Zwang vorliegt. Dies würde für den Fall der Rumänin offensichtlich keinen Unterschied machen. Zudem erschließt sich ein solcher Widerspruch nicht, weil daraus folgen würde, dass das Prinzip der Demokratie nicht auf Organisationen anwendbar wäre, die nicht über Gewaltorgane verfügen. So wäre es unmöglich, einer Organisation wie der FIFA ein Demokratiedefizit vorzuwerfen (die zwar Sanktionen beschließen, diese aber nicht mit Gewalt durchsetzen kann). Noch problematischer ist es, dass politische Gemeinwesen, die ohne ein institutionalisiertes Gewaltmonopol auskommen, demzufolge niemals dem demokratischen Ideal entsprächen. Beckman ist also zuzustimmen, dass Unterworfenheit unter bindende Entscheidungen als hinreichende Bedingung für die normative Gebotenheit demokratischer Inklusion verstanden werden sollte. Diese Position ist für sich genommen keine Innovation, aber aufgrund von Beckmans schlüssiger, wohlinformierter und differenzierter Ausformulierung wird sie signifikant gestärkt. Dies bedeutet wiederum nicht, dass das Kriterium der De-Facto-Autorität auch als notwendige Bedingung für demokratische Inklusion betrachtet werden sollte. Um dies zu verdeutlichen, lohnt ein Blick auf Beckmans Diskussionen der Themen extraterritoriale Jurisdiktion und demokratische Grenzen.

Existierende Praktiken der Jurisdiktion über die Grenzen eines Staates hinaus können als demokratietheoretisches Problem aufgefasst werden. Widerspricht es beispielsweise dem demokratischen Ideal, wenn die USA den Anspruch erheben, im Ausland agierende Unternehmen hätten sich an das US-amerikanische Handelsrecht zu halten, sofern ihre wirtschaftlichen Interessen berührt sind? Immerhin sind betreffende Unternehmen nicht nur formaljuristisch unterworfen, sondern haben infolgedessen auch handfeste Gründe, sich an US-amerikanisches Recht zu halten. Da es sich bei diesen allerdings nicht um normative Gründe handelt, sondern um wohlverstandenes Eigeninteresse, um „prudential reasons“ (90), und weil Rechtsinstitutionen außerhalb des US-amerikanischen Territoriums die exklusive Gültigkeit US-amerikanischen Rechts nicht anerkennen, erklärt Beckman solche Praktiken für unproblematisch (91f.).

Ein weiteres potenzielles Problem betrifft Grenzregime. Lässt es sich demokratisch rechtfertigen, dass es Personen untersagt wird, ein Land zu betreten? Unterstellen wir zunächst, im Einklang mit Beckman, Gebundenheit als notwendige Bedingung für den Anspruch auf Inklusion. Beckman argumentiert, dass aufgrund des Umstands, dass die De-Facto-Autorität von Staaten an den jeweiligen Grenzen endet, Menschen, die sich außerhalb dieser Grenzen befinden, nicht als unterworfen gelten können (100f.). Das irritiert, weil sich die entsprechenden Personen ja häufig gerade aufgrund des jeweiligen Grenzregimes nicht innerhalb der Grenzen eines Landes aufhalten. Selbst wenn wir also akzeptieren würden, dass Zwangsmaßnahmen an Grenzen irrelevant für deren Übereinstimmung mit dem Prinzip der Demokratie sind, wären hier noch Diskussionen zu führen.

Das größere Problem ist allerdings, dass die Relevanz von Zwangsmaßnahmen für Fragen der demokratischen Inklusion generell ausgeschlossen wird. Wie bereits erläutert, setzt sich Beckman mit alternativen Konzeptionen des Unterworfenheitsprinzips zumeist nicht eingehend auseinander, sondern beharrt lediglich auf seinen Prämissen in Bezug auf das Verständnis von Demokratie und Recht. Dies gilt auch in der Frage nach Grenzregimen: „Following the current version of the all-subjected principle, the coercive nature of public power is unimportant. The relevant feature of the state is instead the authority it claims“ (100). Auch hier zeigt sich, dass Beckmans Ausschluss von Zwang als im Kontext des Unterworfenheitsprinzips relevantes Kriterium mit der Prämisse steht und fällt, dass die relevanten Institutionen ausschließlich als Teil normativer Systeme aufgefasst werden. Hierbei handelt es sich um eine recht starke Vorannahme. Der Vollständigkeit halber hätte es einer Auseinandersetzung mit der These bedurft, dass der Demokratiebegriff sich nicht nur auf normative Systeme, sondern auch auf Systeme monopolisierter Gewalt(androhung) beziehen kann. Zwar kann man Beckman zugutehalten, dass es sich seiner Auffassung nach hierbei vermutlich um eine rivalisierende Konzeption von Demokratie handelt und es erklärtermaßen nicht sein Ziel ist, sich mit diesen systematisch auseinanderzusetzen. Das Problem greift allerdings weiter aus: Auch wenn wir Beckmans Demokratiebegriff akzeptieren, bedeutet dies nicht, dass Zwangsmaßnahmen nicht trotzdem ein Grund für Inklusion sein können. Die Ablehnung des Zwang-Kriteriums hängt nämlich von der Ablehnung der Idee ab, bei Prinzipien der Inklusion handele es sich um eigenständige normative Gebote. Laut Beckman würde damit übersehen, dass ein Prinzip der Inklusion von der vorab zu stellenden Frage abhängt, ob es überhaupt normativ geboten sei, dass die jeweiligen Entscheidungen demokratisch gefällt würden (12). Stattdessen sollte sich ein Prinzip der Inklusion daher lediglich aus Implikationen des demokratischen Ideals speisen (13).

Hier überzeugt Beckman nicht. An keiner Stelle im Buch nennt er Kriterien – oder auch nur Beispiele – für kollektive Entscheidungen, bei denen es nicht erforderlich sei, dass sie demokratisch getroffen werden. Möglicherweise hätte ein genauerer Blick gezeigt, dass grundsätzlich bei jeder kollektiven Entscheidung pro-tanto-Gründe vorliegen, dass diese demokratisch gefällt wird. Das würde bedeuten, dass es nur dann nicht geboten wäre, eine kollektive Entscheidung demokratisch zu fällen, wenn es schwerwiegendere moralische Gegengründe gibt. Dies könnte zum Beispiel, der konventionellen Auffassung nach, eine akute Sicherheitsbedrohung sein. Insgesamt erscheint es nicht folgerichtig, dass Gründe für Demokratie unabhängig von Prinzipien der Inklusion gelten sollen. Beckman gelingt es selbst nicht einmal, diese klare Unterscheidung aufrecht zu erhalten: Seine Definition öffentlicher Entscheidungen, und damit eine notwendige Bedingung dafür, dass eine Entscheidung demokratisch sein kann, basiert bereits auf der Definition von De-Facto-Autorität: „[...] only claims to legitimate authority are presumptive grounds for democratic inclusion. But a private decision does not claim legitimate authority over others“ (135). Indem Beckman den Aspekt der „claimed legitimate authority“ aufführt, zeigt er, dass Prinzipien der Inklusion bereits eine Rolle für die normative Forderung nach Demokratie spielen.

Fazit

So vermag es Ludvig Beckman nicht, sein Verständnis von De-Facto-Autorität überzeugend als notwendige Bedingung für den Anspruch auf Inklusion darzulegen. Vielmehr müsste im Rahmen der Diskussion von Inklusionsprinzipien wohl als eigenständige normative Frage behandelt werden, ob auch solche Maßnahmen einen Anspruch auf Inklusion begründen können, die keine normativen Gründe vermitteln, sondern nur das rationale Eigeninteresse jeweiliger Personen berühren. Daher wird in Zukunft weiterhin zu diskutieren sein, ob Unterworfenheit durch Zwang ebenfalls als hinreichende Bedingung für den Anspruch auf Inklusion zu gelten hat – unabhängig davon, ob man die Auffassung teilt, dass sich der Demokratiebegriff ausschließlich auf normative Systeme bezieht.

Trotz dieses Defizits lässt sich abschließend sagen, dass es sich bei The Boundaries of Democracy um einen wertvollen Beitrag zur Demokratietheorie handelt: Beckman liefert die bisher differenzierteste Darstellung dessen, was es bedeutet, Gesetzen unterworfen zu sein. Dabei wird die Position gestärkt, dass sämtliche dauerhafte Einwohner:innen eines Landes an dessen Wahlen teilnahmeberechtigt sein sollten. Gleichzeitig weitet Beckman den Blick, sodass auch die Regeln nichtstaatlicher Organisationen durch die Theorie erfasst werden können. Somit liefert das Buch wichtiges Grundlagenmaterial für künftige Debatten darüber, wer in einer Demokratie zum Demos gezählt werden sollte.

Literatur

Abizadeh, Arash. „Democratic Theory and Border Coercion: No Right to Unilateraly Control Your Own Borders.“ In Political Theory 36 (2008), 37–65.

Abizadeh, Arash. „Democratic Legitimacy and State Coercion: A Reply to David Miller.“ In: Political Theory 38 (2010), 121–130.

Abizadeh, Arash. „The Scope of the All-Subjected Principle: On the Logical Structure of Coercive Laws.“ In: Analysis 81.1 (2021), 603–610.

Ahlhaus, Svenja. Die Grenzen des Demos: Mitgliedschaftspolitik aus postsouveräner Perspektive. Frankfurt: Campus, 2020.

Goodin, Robert E. „Enfranchising All Subjected, Worldwide.“ In: International Theory 8.3 (2016), 365–389.

Miller, David. „Why Immigration Controls are Not Coercive: A Reply to Arash Abizadeh.“ In: Political Theory 38 (2010), 111–120.

Wüst, Andreas M. „Wahlen und politische Repräsentation.“ In Deutschland Einwanderungsland, hg. von Karl-Heinz Meier-Braun und Reinhold Weber, 3. Auflage, 293–297. Stuttgart: Kohlhammer, 2017.

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