Reuter, Gerson: Was wir grundlegend sind: Menschen unter anderen biologischen Einzeldingen. Frankfurt a. M.: Klostermann 2019. 336 Seiten. [978-3-465-04355-3].

Rezensiert von Raphael van Riel (Universität Duisburg-Essen)

Gerson Reuter verteidigt eine spezifische Form des Animalismus, der sich durch die drei folgenden Thesen auszeichnet (18f), wobei die dritte These aus der zweiten These folgt:

Jede und jeder von uns [These 1] ist numerisch identisch mit einem biologischen Lebewesen (Organismus) der Spezies Homo sapiens, [These 2] ist wesentlich ein solches Lebewesen und [These 3] hat die transtemporalen Identitätsbedingungen eines biologischen, menschlichen Lebewesens.

In der an keiner Stelle abschweifenden, zugleich aber sehr detaillierten Untersuchung werden in vier Kapiteln zentrale Begriffe erläutert, Gründe für diese Thesen versammelt und potenzielle Einwände diskutiert.

Im ersten Kapitel werden die grundlegenden Annahmen etabliert. Der Autor befasst sich mit der Erläuterung der Kernthesen und legt eine Verteidigung des ontologischen Programms gegen mögliche grundsätzliche Einwände vor. In Abschnitt 1.2 werden relevante Konzepte eines Essentialismus eingeführt und verschiedene Varianten der These, dass wir wesentlich einer bestimmten Art angehören, expliziert, der Artbegriff wird präzisiert, und es wird eine realistische Interpretation des vom Autor verfolgten Projekts vorgestellt. In Abschnitt 1.3 wird das Verhältnis zwischen der Rede von transtemporalen Identitätsbedingungen und numerischer Identität beleuchtet.

Das zentrale Argument wird im zweiten Kapitel entfaltet. Es basiert auf Überlegungen zu Olsons Argument für einen Animalismus (2003). Das Olson’sche Argument gibt der Autor (auf Abweichungen vom Original explizit hinweisend) so wieder, wobei man sich zum besseren Verständnis bei der Lektüre eine Person, die das Argument auf einem Stuhl sitzend vorträgt, vorstellen sollte:

  1. Es gibt ein biologisches, menschliches … Lebewesen auf diesem Stuhl.

  2. Wenn es ein biologisches, menschliches Lebewesen auf diesem Stuhl gibt, dann denkt es.

  3. Ich bin das einzige denkende Wesen auf diesem Stuhl.

Also:

  1. Das biologische, menschliche Lebewesen und ich sind ein und dasselbe Einzelding. (93)

Nun könnte man meinen, dass dieses Argument allein deshalb zum Scheitern verurteilt sei, weil es weitere Kandidaten von Einzeldingen auf dem Stuhl geben könnte, die als Alternativen für denkende Einzeldinge in Frage kommen könnten. Entsprechend muss gezeigt werden, dass alternative Optionen ausscheiden: Wir sind keine (echten) Teile von biologischen Lebewesen (und damit auch nicht deren Gehirne), wir sind keine Aggregate von physischen Partikeln, und wir sind auch keine von Organismen verschiedene, durch diese konstituierte Personen.

Damit ergibt sich ein komplexeres Argument, dessen Struktur die Struktur des zweiten Kapitels entspricht. Dieses Argument lässt sich, so möchte ich vorschlagen, wie folgt rekonstruieren:

  1. Potentiell gibt es auf diesem Stuhl

    1. ein biologisches, menschliches Lebewesen (einen Organismus)

    2. dessen (echte) Teile und damit auch das Gehirn dieses Lebewesens,

    3. ein Aggregat von physikalischen Partikeln sowie

    4. eine durch einen Organismus bloß konstituierte Person.

  2. Einer der unter a-c genannten Gegenstände denkt.

  3. Ich bin das einzige denkende Wesen auf diesem Stuhl.

Also:

  1. Ich bin mit einem der unter a-c genannten Gegenstände identisch.

  2. Ich bin weder mit

    1. einem (echten) Teil des Organismus (Abschnitt 2.3), noch

    2. mit einem Aggregat von physischen Partikeln (Abschnitt 2.4), noch

    3. mit einer von einem Organismus bloß konstituierten Person identisch (Abschnitt 2.5).

Also:

  1. Ich bin mit dem Organismus identisch.

Die Plausibilität der Annahme, dass dieses Argument nicht ähnlichen Einwänden ausgesetzt ist wie das Olsons, hängt nun natürlich davon ab, dass es keine weiteren Kandidaten gibt, die als denkende Gegenstände auf dem Stuhl in Frage kommen. Dabei dürfen wir uns natürlich nicht in die Irre führen lassen – es gibt da z. B. eine Person, die denkt. Doch Personen sind, so der Autor, nichts anderes als menschliche, biologische Lebewesen mit Personenstatus – ein Status, der menschlichen, biologischen Lebewesen phasenweise, aber eben nicht immer zukommt. Das Argument hängt damit unter anderem davon ab, dass es keine weiteren Entitäten grundlegend anderer Art auf dem Stuhl gibt, die ebenfalls als Kandidaten für ein denkendes Einzelding in Frage kämen.

Doch bleibt eine grundlegende Frage damit ungeklärt: Was genau ist ein menschliches, biologisches Lebewesen, bzw. ein Organismus? Dieser Frage, wie der Frage nach dem, was es heißt, wesentlich einer Spezies anzugehören, ist das dritte Kapitel gewidmet (auf das ich unten noch einmal genauer eingehen werde). Im Zentrum steht die Verteidigung von bestimmten Begriffen des Organismus und des Lebens, basierend auf Überlegungen zu funktionaler Integration (3.1.1-3.1.3, 3.1.7), wobei, wie sich bereits in meiner Darstellung des Kernarguments abgezeichnet hat, „…kein Unterschied zwischen dem Begriff des biologischen Lebewesens und dem des biologischen Organismus gemacht…" (164) wird. Im Verlauf der Diskussion wird auch der Intuition Rechnung getragen, dass ein reichhaltiges mentales Leben, das Personen auszuzeichnen scheint, für unser Selbstverständnis eine entscheidende Rolle spielt (3.1.4-3.1.6) – diese Eigenschaft gehört der Theorie zufolge zu den ontologisch relevanten Eigenschaften der menschlichen Lebensform, nicht in dem Sinne, dass ein reichhaltiges mentales Leben (oder eine entsprechende Anlage) für Individuen notwendige Voraussetzung für die Spezies-Mitgliedschaft wäre, sondern in dem Sinne, dass diese Eigenschaft eine entscheidende explanatorische und historisch-funktionale Rolle für die Spezies spielt.

Im letzten Kapitel wendet sich der Autor noch einmal der (vermeintlichen) Relevanz des Personenbegriffs für die Ausgangsfrage des Werkes zu. Dazu werden die Frage, was Menschen von anderen Tieren unterscheidet (4.1), der bislang nur en passant behandelte Körperbegriff (4.2-4.3) und die für viele sicher entscheidende Frage nach der Relevanz unseres Interesses an uns als Personen für die ontologische Frage danach, was wir grundlegend sind (4.4), thematisiert. Der Autor argumentiert, dass die letztgenannte praktische Frage nicht allein für die ontologische Untersuchung leitend sein kann – unter anderem, weil unser Interesse de facto auch immer uns als biologischen Lebewesen zu gelten scheint.

Mit dem (soweit ich sehen kann: geglückten) Versuch, im Rahmen einer animalistischen Position der Intuition, dass der Personenbegriff für unser Selbstverständnis eine entscheidende Rolle spielt, gerecht zu werden, erfüllt der Autor ein selbst formuliertes Erfolgskriterium: dass philosophische Theoriebildung zumindest ihren Ausgangspunkt in unserem Selbstverständnis, in unserer alltäglichen Urteils- und Interpretationspraxis nehmen solle (S.292). Diesem Erfolgskriterium entsprechen eine Reihe methodologischer Verpflichtungen, auf die ich im Folgenden etwas genauer eingehen möchte. Damit wende ich mich offensichtlich von dem primären Gegenstand der Untersuchung ab; das scheint mir aber im Rahmen dieser Rezension insofern gerechtfertigt, als diese methodologischen Verpflichtungen für viele derjenigen Teile des Werkes entscheidend sind, in denen der Autor weit über die Theorien anderer Vertreter*innen animalistischer Positionen hinausgeht.

Sehen wir uns zunächst einige methodologische Bemerkungen des Autors an. Er schreibt:

[D]ie Kernthesen des Buchs [lassen sich] auf der Grundlage zentraler Merkmale unserer Urteils- und Interpretationspraxis entwickeln. Das ist zumindest die Zielsetzung; und daran soll der Erfolg der Bemühungen auch gemessen werden. Denn unsere alltägliche Urteilspraxis sollte grundsätzlich Ausgangspunkt und Korrekturfolie für die Etablierung philosophischer Theorien sein. (10f)

Neben unserer Urteils- und Interpretationspraxis kommt auch der Auseinandersetzung mit der Theoriebildung in Biologie und Philosophie der Biologie eine entscheidende Rolle zu, wobei zentrale Begriffe wie der Begriff des Lebens unserem Alltagsverständnis entspringen (84):

Die Biologie ist naheliegenderweise die erste Adresse, an die wir uns wenden sollten, wenn wir wissen wollen, was biologische Lebewesen, Organismen oder auch biologische Arten (Spezies) sind. (12)

Hinzu kommt ein systematischer Rekurs auf metaphysische Theoriebildung in Kapitel 1. Aus unserer Urteils- und Interpretationspraxis (ab jetzt einfach: „Praxis“) ergibt sich im Zusammenspiel mit philosophischer Theoriebildung zur Natur von Arten, zum Essentialismus, zu Persistenzbedingungen und Identität erstens die These, dass wir in einem vortheoretischen Sinne des Ausdrucks „biologisches, menschliches Lebewesen” wesentlich biologische, menschliche Lebewesen sind, und zweitens, dass im Rahmen dieser Theorie der Intuition, der Personenbegriff spiele eine zentrale Rolle für unser Selbstverständnis, Rechnung getragen werden solle. Damit ist, soweit ich sehe, die bis einschließlich Kapitel 2 relevante Rechtfertigungsbasis grob umrissen (als Indikator für diese Interpretation mag die Beobachtung dienen, dass die Verwendung des Ausdrucks „biologisches, menschliches Lebewesen" in dem für die These zentralen Kapitel 2 noch nicht näher spezifiziert ist).

Im dritten Kapitel wird dann (unter anderem) der Versuch unternommen, zentrale Begriffe, wie den des Organismus und der Spezies, näher zu erläutern. Diese Explikationen orientieren sich in weiten Teilen an speziellen Erfolgskriterien: Sie sollen insbesondere auch biologischer Theoriebildung zum Begriff des Organismus und zum Speziesbegriff gerecht werden, zugleich aber nicht in (ungerechtfertigtem) Widerspruch zu bereits gesicherten Annahmen stehen, die sich aus unserer alltäglichen Urteils- und Interpretationspraxis ergeben. Dieses Vorgehen deckt sich mit dem realistischen sowie dem naturalistischen Anspruch des Autors.

Damit ergeben sich also die folgenden drei relevanten Quellen von Rechtfertigung: allgemeine Metaphysik, die hier primär einer prinzipiellen Verteidigung einer essentialistischen und realistischen Position sowie spezifischer Lesarten zentraler Begrifflichkeiten dient; unsere Urteils- und Interpretationspraxis; empirische Theorie bzw. daran anschließende Begriffsbildungen im Rahmen derjenigen Wissenschaft, deren Gegenstandsbereich wir anzugehören scheinen (Biologie).

Eine – wie ich glaube – interessante methodologische Beobachtung ergibt sich nun mit Bezug auf eine Passage, in der biologische Theoriebildung und allgemeine philosophische Erwägungen auf spezifische Weise zu interagieren scheinen. Mit einer daran anschließenden vorsichtigen kritischen Betrachtung möchte ich die Rezension abschließen – ich werde zunächst zu zeigen versuchen, dass zumindest eine (nicht zentrale) These des Autors im Lichte der genannten Quellen von Rechtfertigung entweder falsch oder nicht entscheidbar ist. In einem nächsten Schritt werde ich dann auf mögliche Erweiterungen des Bereichs an Quellen von Rechtfertigung hinweisen, die helfen könnten, diese mögliche Lücke zu schließen.

Betrachten wir dazu die These, dass kontinuierlicher Stoffwechsel notwendige Voraussetzung für die Persistenz von Lebewesen sei. Das Kriterium transtemporaler Identität von Lebewesen lautet:

Ein Lebewesen x, herausgegriffen zu t1, ist nur dann identisch mit einem y, herausgegriffen zu t2 (wobei t1<t2), wenn auch y ein Lebewesen ist und x und y eine kausal beschreibbare `Raum-Zeit-Bahn´ verbindet – derart, dass (i) zu jedem Zeitpunkt auf dieser Bahn zwischen t1 und t2 eine dank Stoffwechselprozessen persistierende, funktional integrierte Einheit existiert(e) und (ii) die funktional integrierte Einheit y aus der funktional integrierten Einheit x kausal hervorgegangen ist. (203f)

Der Autor möchte dieses Kriterium so verstanden wissen, dass Lebewesen, sollte das Kriterium korrekt sein, keine Raumzeitsprünge vollführen können. Wenn also echte Stoffwechselpausen eingelegt werden, existieren numerisch verschiedene Lebewesen vor bzw. nach der Stoffwechselpause. Explizit erwähnt der Autor, dass diese Entscheidung vorläufigen Charakter hat (205).

Was könnten Gründe für die Behauptung sein, dass die Persistenz von lebenden Individuen an kontinuierlichen Stoffwechsel gebunden ist?

Eine differenzierte Praxis im Umgang mit unterbrochenem Leben oder mit Stoffwechselpausen dürfte sich nicht ausgebildet haben – dazu sind wir schlicht zu selten mit Fällen konfrontiert, die solchen Umständen zumindest ähneln würden. Im Bereich der Fiktion, aber auch der Religion sieht das natürlich anders aus. Da das Projekt jedoch ein primär metaphysisches ist und unklar bleibt, ob Fiktionen und Religionen sich tatsächlich verlässlich auf den Bereich des auch nur begrifflich Möglichen beschränken, sollte man entsprechende Vorstellungen im Rahmen metaphysischer Theoriebildung vielleicht besser ignorieren (205).

Entsprechend scheint uns der verlässliche Teil unserer Vorstellung von Leben und Lebewesen allein nicht auf die Ablehnung der Thesen des Autors festzulegen. Gestehen wir dem Autor auch zu, dass es zumindest schwache Gründe für die Annahme gibt, dass Persistenz von Lebewesen mit dem Leben synchrone, kontinuierliche Stoffwechselprozesse voraussetzt – Gründe, die etwa darin bestehen, dass alternative Theorieangebote so unattraktiv sind. Wie weit kommen wir mit diesen Überlegungen?

Eine (vermutlich) kontrafaktische Überlegung scheint dieser Konklusion zu widersprechen. Nehmen wir an, es würde sich herausstellen, dass extrem kurze Stoffwechselpausen gelegentlich in Exemplaren vieler Spezies, auch der Spezies Homo sapiens auftreten. Tatsächlich verweist auch der Autor auf eine Reihe von Strategien von Exemplaren bestimmter Spezies, Stoffwechselprozesse für längere Zeiträume unter gewissen Umständen (insbesondere Trockenheit und Kälte) gänzlich zum Erliegen kommen zu lassen (204). Ich vermute stark, dass die Entdeckung kurzer Stoffwechselpausen auch bei Menschen im Zusammenhang mit unserer alltäglichen Urteils- und Interpretationspraxis, wie sie de facto organisiert ist, schlicht zu der Überzeugung führen würde, dass die oben angegebene Persistenzbedingung und vielleicht auch die notwendige Bedingung synchroner und kontinuierlicher Stoffwechselprozesse für Leben offensichtlich angepasst werden müssten.

Nun könnte man einwenden, dass derartige Überlegungen doch arg an den Haaren herbeigezogen sind und uns wenig über die eigentlich relevanten metaphysischen Grenzziehungen verraten. Doch scheint die Option von kurzen Stoffwechselpausen in manchen, vielleicht sogar in allen Lebewesen tatsächlich im Bereich des nomologisch Möglichen zu liegen. Dass extrem kurze Stoffwechselpausen für alle Organismen ein „Überleben" (oder ein Wiederaufflammen des Lebens) unter bestimmten Bedingungen nicht ausschließen, zeigt sich eben daran, dass es tatsächlich Organismen gibt, die den Stoffwechsel ihres Körpers für einen längeren Zeitraum scheinbar gänzlich herunterfahren.

Wenn an diesem Gedankengang etwas dran ist, so scheinen mindestens zwei Arten von Reaktionen akzeptabel: Entweder, wir halten die bloße nomologische Möglichkeit einer solchen Situation für hinreichend relevant, um zu dem Schluss zu kommen, dass ein Weiter- oder Überleben bei unterbrochenem Stoffwechsel mit unserer Urteilspraxis und unserem Selbstverständnis kompatibel ist. Realistisch gewendet: Die Frage, ob kontinuierliche Stoffwechselaktivität vorliegt, oder ob Stoffwechselaktivitäten sehr kurze Pausen einlegen, macht keinen fundamentalen Unterschied mit Bezug auf die Frage, was wir (und andere Lebewesen) grundsätzlich sind. Entsprechend wären wir also gezwungen, die These des Autors abzulehnen – und wären deshalb vielleicht, wie der Autor argumentiert, mit ähnlich unattraktiven theoretischen Alternativen konfrontiert. Alternativ können wir uns natürlich auch auf den Standpunkt stellen, dass tatsächlich nomologisch kontingente Tatsachen über die Korrektheit der relevanten These entscheiden. Da de facto (wenn auch nomologisch kontingenterweise) keine kurzen Stoffwechselpausen bei für unsere Urteilspraxis paradigmatischen Lebewesen auftreten, gehört Kontinuität des Stoffwechsels zu den notwendigen Persistenzbedingungen von Lebewesen. Diese Option scheint jedoch ebenfalls wenig attraktiv, passt sie doch zumindest nicht zu der Idee, dass Persistenzbedingungen etwas mit den essentiellen Eigenschaften von Gegenständen bestimmter Arten zu tun haben und Essentielles eng an metaphysische Notwendigkeit gekoppelt ist.

Es gibt jedoch noch eine weitere Reaktionsmöglichkeit. Vielleicht liefern weder unsere alltägliche Praxis, noch empirische Befunde, noch grundsätzliche begriffliche Differenzierungen der Biologie, noch allgemeine metaphysische Überlegungen zu Artzugehörigkeit und Essentialismus einzeln oder gemeinsam eine (interessante) Antwort auf die Frage, ob die Persistenz von Lebewesen an kontinuierliche Stoffwechselaktivität gebunden ist.

Diese Überlegung ließe sich auf verschiedene Weise in allgemeinere philosophische Positionen einbetten – Positionen, die typischerweise den Bereich der für metaphysische Entscheidungen relevanten Rechtfertigungsbasis gegenüber den genannten Quellen der Rechtfertigung ausdehnen.

Im Sinne einer stark naturalistisch inspirierten Vorgehensweise könnte man etwa dafür plädieren, die Relevanz von Überzeugungen, die in unserer alltäglichen Praxis fußen, massiv einzuschränken und die Beantwortung der Frage nach den Persistenzbedingungen von menschlichen Lebewesen (und damit zusammenhängend: nach dem Begriff des Lebens) zu vertagen – bis die Biologie allein explizit oder implizit entsprechende Antworten bereitstellt. Vielleicht stellt sich ja eines Tages heraus, dass der fruchtbarste Begriff des Lebens dieses an kontinuierliche Stoffwechselaktivität koppelt. Damit allerdings würde man sich von der vom Autor favorisierten Version eines Naturalismus verabschieden und der wissenschaftlichen Begriffsbildung ein stärkeres Gewicht zubilligen, als der Autor es zumindest mit Bezug auf den Begriff des Lebens zu tun bereit wäre (84).

Alternativ könnten Überzeugungen, die in unserer alltäglichen Praxis fußen, in umfassendem Maße zugunsten genereller metaphysischer Erwägungen aufgegeben werden; Kriterien wie globale Einfachheit oder Systematizität könnten stattdessen ins Spiel gebracht werden (derartige Kriterien könnten etwa Gründe für oder gegen die Annahme der Existenz von Existenzpausen persistierender Entitäten liefern).

Schließlich könnte man (ggf. an die beiden gerade skizzierten Alternativen anschließend) einen Schritt weitergehen und behaupten, dass es sich zumindest bei dem Streit um die Frage, ob ein Körper, der für eine kurze Zeitspanne eine Stoffwechselpause einlegt, wirklich lebt (was entscheidenden Einfluss auf eine Konzeption unserer Persistenzbedingungen haben könnte) um einen Streit um Worte handelt. Ich möchte hier nicht dafür argumentieren, dass es sich so verhält, sondern lediglich illustrieren, was das heißen könnte.

Nehmen wir an, wir könnten feststellen, dass es einen Unterschied zwischen Phasen des Stoffwechsels und Phasen des Nicht-Stoffwechsels eines Körpers gibt; und wir können feststellen, dass dieser Unterschied in vielen Hinsichten relevant ist – etwa mit Bezug auf die Erwartbarkeit, dass in zwei Minuten Stoffwechselprozesse in dem Körper stattfinden, mit Bezug auf die Frage, welchen Einfluss Temperaturveränderungen auf den Körper haben könnten, oder mit Bezug auf die Energie, die der Körper in einer gewissen Zeitspanne verbraucht. Zugleich können wir konsistent behaupten, dass die Verwendungsregeln des Ausdrucks „Leben" wie auch unser Selbstverständnis oder unsere alltägliche Urteils- und Interpretationspraxis mit solchen Fällen schlicht überfordert sind. Abhängig vom verwendeten Kriterium mag es sinnvoll sein, die problematischen Fälle so oder anders einzusortieren. Mit Blick auf ein Kriterium, das auch dem Autor wichtig ist – sich um seine Zukunft zu sorgen (vgl. Kapitel 4) – könnte es sinnvoll sein, menschliche Organismen, die zu einem Zeitpunkt eine Stoffwechselpausen „einlegen", mit menschlichen Organismen, die zu einem Zeitpunkt keine Stoffwechselpausen einlegen, zusammenzufassen. Denn mit Blick auf die Sorge um zukünftige Unversehrtheit scheint es keinen relevanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen zu geben; und solange ein menschliches Wesen, das Stoffwechselpausen einlegt, seine Sorge berechtigterweise auch auf seinen Körper in Phasen von Stoffwechselpausen richten kann (schließlich soll es im Idealfall nach der Pause ja weitergehen), gibt es mit Blick auf dieses Kriterium nicht einmal einen starken Unterschied zwischen Phasen des Stoffwechsels und Phasen, in denen eine Stoffwechselpause eingelegt wird.

Andererseits scheinen Körper ohne Stoffwechsel in einer solchen Stoffwechselpause Leichen zum Verwechseln ähnlich – da bewegt sich schließlich überhaupt nichts, und vielleicht könnte ein entsprechendes Kriterium mögliche mechanistische Intuitionen zum Begriff des Lebens einfangen („verhält sich wie eine Leiche, ist also eine Leiche" – oder so ähnlich). Diesem Kriterium zufolge lebt der Körper im Moment der Stoffwechselpause nicht.

Entscheidend ist, dass im Lichte verschiedener Kriterien Diagnosen unterschiedlich ausfallen können. Wir dürften uns, sollten wir echte Stoffwechselpausen erwarten, um unseren Körper in Zeiten solcher Stoffwechselpausen genauso sorgen wie in Zeiten, in denen ein Stoffwechsel stattfindet; andererseits sollten wir, wenn wir den Energieverbrauch eines Körpers berechnen, Körper in Zeiten von Stoffwechselpausen anders behandeln, als Körper, die keine Stoffwechselpause einlegen. Vielleicht lassen sich alle Nuancen der Frage, ob ein Körper wirklich lebt, durch solche auf konkrete Kriterien bezogenen Überlegungen einfangen. Die Frage, ob denn nun ein Körper in Phasen einer Stoffwechselpause wirklich lebt, wird damit unerheblich.

Diese Überlegungen markieren eine mögliche Grenze dessen, was auf Basis von alltäglicher Praxis, Metaphysik und Theoriebildung in Biologie und Philosophie der Biologie beurteilbar ist – sofern wir nicht der Biologie das letzte Wort über Begriffe wie den Begriff des Lebens oder der Metaphysik das letzte Wort mit Bezug auf fundamentale Kriterien wie Einfachheit oder Systematizität überlassen wollen. Kommen wir damit zum Schluss.

Mit Was wir grundlegend sind: Menschen unter anderen biologischen Einzeldingen liefert Gerson Reuter nicht nur eine umfassende Theorie dessen, was wir grundlegend sind; das Werk enthält auch interessante Beiträge zur Debatte um personale Identität, zum Begriff der natürlichen Art, zum Begriff des Organismus, zum Begriff der Funktion und zum Status essentialistischer Positionen. Dem Werk liegt eine spannende Methode zugrunde, die allgemeine und in einem gewissen Sinne deskriptive Metaphysik auf fruchtbare Weise mit naturalistisch orientierter Theoriebildung in Verbindung bringt. Die argumentative Dichte ist dabei mindestens ebenso beeindruckend wie die extrem fokussierte Diskussion. Zugleich sind weite Teile des Buches so geschrieben, dass sie sich für die Lektüre in fortgeschrittenen Seminaren eignen, ohne dass die Ausführungen je in die bloße Präsentation anderer Positionen abdriften würde (entsprechend könnte ggf. bei Verwendung in einem Seminar der Verweis auf einführende Texte hilfreich sein). Vor allem aber handelt es sich bei dem Werk um einen ebenso umfassenden wie substantiellen Beitrag zur Debatte um unsere Natur.

Literatur

Olson, Eric: „Warum wir Tiere sind." In On Human Persons, hg. von Klaus Petrus, 11-22. Frankfurt: Ontos, 2003.

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