Quadflieg, Dirk: Vom Geist der Sache. Zur Kritik der Verdinglichung. Frankfurt/New York: Campus 2019. 403 Seiten. [978-3-593-50665-4]

Rezensiert von Dirk Schuck (Universität Leipzig)

Neben der Kritik an Entfremdung kann diejenige an Verdinglichung als der zentrale Topos einer Strömung westlicher Gesellschaftskritik angesehen werden, die inzwischen selbst eine lange Geschichte hat. Zurück geht der Begriff der Verdinglichung auf den ungarischen Marxisten und Kulturphilosophen Georg Lukács. Dirk Quadflieg knüpft an diese kulturkritische Dimension des westlichen Marxismus des 20. Jahrhunderts an. Allerdings dreht er die kritische Konnotation des Begriffs Verdinglichung grundlegend um: Nicht ein Zuviel an verdinglichter Erstarrung sozialer Verhältnisse, sondern das Gegenteil, nämlich die Missachtung einer dinglichen Dimension von Vergesellschaftung erscheint bei Quadflieg überraschenderweise als zentrales Problem der Moderne.

Einen Vorläufer dieses positiven Verständnisses von Verdinglichung sieht Quadflieg innerhalb der Kritischen Theorie in Adorno und dessen erkenntnistheoretischen Überlegungen zum „Vorrang des Objekts“ (53). Adorno kritisiert das neuzeitliche Freiheitsverständnis als subjektivistisch und meint damit eine Verkürzung der neueren Freiheitsidee auf subjektive Autonomie. Durch den Verlust des Rückbezugs auf die Objektwelt und die notwendig dingliche Vermittlung der Freiheit schlägt das idealistische Autonomieverständnis ins Gegenteil um. Erst die bewusste Reaktivierung dieser Objektdimension im modernen Freiheitsverständnis, d. h. seine Verdinglichung, kann daher, so Quadflieg, das kritisch-gesellschaftstheoretische Potential entfalten, dieses Defizit zu korrigieren. Bedeutender als der „Vorrang des Objekts“ wird für Quadflieg letztlich aber Adornos Frage nach den gesellschaftsgeschichtlich verlorenen Bedingungen eines „freien und gerechten Tauschs“ (97).

Diese positive Wendung des Verdinglichungsbegriffs unterscheidet Quadfliegs Ansatz von anderen aktuellen Anschlüssen an den Verdinglichungsbegriff, wie etwa die von Anita Chari (vgl. Chari 2010), Konstantinos Kavoulakos (vgl. Kavoulakos 2020) oder Titus Stahl (vgl. Stahl 2011). Deren Ansätze zielen zwar ebenfalls darauf ab, das umfassende Kritikprogramm, das Lukács unter dem Topos Verdinglichung zusammengefasst hat, auf den Stand der gegenwärtigen sozialphilosophischen und gesellschaftstheoretischen Debatte zu bringen. Stahl, Kavoulakos und Chari halten jedoch daran fest, dass mit dem Begriff Verdinglichung ein grundlegend defizitärer Zustand von Vergesellschaftung zu bezeichnen ist. Damit wird die Frage umso spannender, wie Quadflieg diese Umdeutung des Verdinglichungsbegriffs vornimmt und daher werde ich Quadfliegs Argumentation im Folgenden zunächst rekonstruieren, um dann im Anschluss einige mögliche Kritikpunkte und kritische Anschlusspunkte hervorzuheben.

Das erste Kapitel stellt einen chronologischen Durchgang durch die Verdinglichungskritik dar, wobei es Quadflieg besonders darum geht, Verkürzungen des Verständnisses von Verdinglichung im Verlauf der Entwicklung der Kritischen Theorie zu verdeutlichen. Da er diese Verkürzungen zum Teil schon in Hegel angelegt sieht, widmet er sich im zweiten Kapitel einer Rekonstruktion Hegels, bevor es im dritten Kapitel um Marcel Mauss und dessen Gabenverständnis als Korrektiv eines umfassenderen Verständnisses von Dinglichkeit und gesellschaftlichem Tausch geht. Im vierten Kapitel wird mit den Begriffen Arbeit, Tausch und Gleichheit die Wiederaneignung klassischer Begriffe der politischen Ökonomie in den Mittelpunkt gestellt.

Zunächst zur Verdinglichungskritik im engeren Sinn: Bei Lukács erscheint Verdinglichung als ein negativer Begriff und als Chiffre für eine von Marx beschriebene Fetischisierung der Warenform, die zur undurchschaubaren Versachlichung personaler Verhältnisse führt. Ein weiteres wesentliches Element dieser Kritik, das Lukács sich von Weber aneignet, ist die Beschreibung eines Prozesses der entzaubernden Rationalisierung bürgerlicher Lebenswelten, die sich vom Zweck menschlicher Emanzipation entkoppeln und zu „stahlharten Gehäusen“ erstarren (26–29). Lukács geht es mit seiner Verdinglichungsdiagnose darum, aus beiden Fehlentwicklungen einen Ausweg zu weisen und er sieht diesen Ausweg in der Arbeiterklasse als dem revolutionären Gegensubjekt zur Verdinglichung. Dem idealistischen Autonomieverständnis gewinnt Lukács damit noch ein emanzipatorisches Moment ab, indem er als dessen eigentlichen historischen Träger das Subjekt der Arbeiterklasse begreift, das die „Tathandlung“ einer Aufhebung der verdinglichten Klassengeschichte bewirkt (34–37). Zumindest im Subtext melden sich aber bei Lukács, wie Quadflieg deutlich macht, bereits ernsthafte Zweifel an dieser idealisierenden Konstruktion an. So reicht die verdinglichte Erstarrung der Bewusstseinsformen auch bei Lukács bereits so tief in alle anderen Subjekte hinein, dass als einzig mögliche Befreiung aus der Verdinglichung eben die projektive Besetzung der Arbeiterklasse als Gegenbewusstsein erscheint, nämlich als kritisches „Selbstbewusstsein der Ware“ (Lukács 1968, S. 295). Wie Adorno dann später scharfsinnig bemerkt, wird durch diese an den Hegelschen Weltgeist gemahnende Geschichtskonstruktion die Verabsolutierung der Subjektivitätsform lediglich hypertrophisiert.

Den zweiten entscheidenden Schritt der Reflexion auf Verdinglichung stellt für Quadflieg die von Horkheimer und Adorno gemeinsam verfasste Dialektik der Aufklärung dar. Horkheimer und Adorno weiten im Anschluss an Benjamins Sprachkritik die Analyse der Verdinglichung bis auf die Anfänge rationaler Naturbeherrschung aus (42). Fasste der Verdinglichungsbegriff schon zuvor nicht umstandslos miteinander vereinbare Phänomene unter sich, wird er nun vollends unscharf. Adorno gewinnt der transhistorischen Ausweitung der Rede von Verdinglichung aber eine neue dialektische Perspektive ab. Auf der einen Seite scheint Verdinglichung, als identifizierende Vergegenständlichung der äußeren Natur sowohl im materiellen Produktionsprozess, als auch im wissenschaftlichen Erkennen gar nicht vermeidbar. Doch dies gilt auf der anderen Seite auch für die Funktionsweise des menschlichen Denkens, die bereits im Festhalten eines Gegenstands in der sprachlich-dinglichen Fixierung das „Nichtidentische“ dieses Gegenstands zumindest sprachlich negiert. Dies eröffnet für Adorno zum einen eine Umgehung der Verdinglichung in der ästhetischen Erfahrung, die vor der identifizierenden Benennung ihres Objekts daher bewusst zurückschreckt. Dadurch aber, dass sich die erkenntnistheoretische Fixierung eines Gegenstands in ihrer abstrakt-logischen Form als problematische Folge subjektiver Projektion zeigt, gelangt Adorno nun auch zu einer anderen, positiveren Einschätzung des Dinglichen selbst, das als Korrektiv dieser verdinglichten Wahrnehmungsweise dienen kann.

Wie Adorno zur These vom erkenntnistheoretischen „Vorrang des Objekts“ gelangt, lässt sich daher wie folgt paraphrasieren: Dadurch, dass sich die neuzeitliche Freiheitsidee gegen ihre objektiven Voraussetzungen ideologisch abdichtet und als Idee autonomer Subjektivität absolut setzt, geht die gesamte dingliche Dimension dieser Freiheitsvorstellung verloren. Quadflieg gibt damit dem Verdinglichungsbegriff der Kritischen Theorie im Anschluss an Adornos Negative Dialektik eine überraschende Wendung (49–55). Adorno selbst war durch seinen plötzlichen Tod zwar nicht mehr zur Ausarbeitung dieser dinglichen Dimension sozialer Freiheit gelangt, doch hat ihn das Problem in den letzten Jahren seines Lebens während der Niederschrift der Negativen Dialektik beschäftigt (vgl. 49 sowie Adorno 1997: 191). Mit Habermas nimmt die Frankfurter Schule danach jedoch zunächst eine andere, nämlich intersubjektivistische Wende durch welche die dingliche Dimension moderner Freiheit erneut aus dem Blick gerät.

Was aus Quadfliegs Perspektive, d. h. also von seiner Rekonstruktion eines positiven Verständnisses der Dinglichkeit beim späten Adorno her, den Ansatz von Habermas problematisch macht, ist, dass Habermas sich explizit gegen ein bewusstseinsphilosophisches Paradigma wendet, das den subjektiven Zugang zur Welt als das Verhältnis von Subjekt und Objekt versteht. Habermas folgt der älteren Kritischen Theorie darin, die naturbeherrschenden Anteile der menschlichen Vernunft prinzipiell als instrumentelle Denkweise zu verstehen. Innovativ ist nun, wie Habermas die darin gelegene Verkürzung von Rationalität auf instrumentelle Vernunft überwinden will. Das Potential dazu verortet er in einer Rekonstruktion der auf intersubjektive Verständigung zielenden kommunikativen Ressourcen der Lebenswelt. Der moderne Rationalisierungsprozess wird daher von Habermas lediglich insofern als sozialpathologisch gesehen, als dass diese kommunikative Lebenswelt durch instrumentelle Logiken „kolonialisiert“ wird (66). Auch wenn diese Fassung des Problems einige Illuminationskraft entfalten kann, gibt sie doch zugleich wesentliche Herangehensweisen der älteren Kritischen Theorie stillschweigend auf. So kann von einer die Geschichte durchwirkenden Dialektik hier keine Rede mehr sein. Solange die zweckrationalen Logiken in ihrem angestammten ökonomischen Bereich bleiben – so legt das dualistische Schema nahe – können sich die wertrationalen Potentiale der von instrumentellen Belangen systemisch entbundenen kommunikativen Lebenswelt sogar besser entfalten. Der Paradigmenkern der Frankfurter Schule wird hier von einer durch Lukács vermittelten Marx- und Weber–lektüre auf den systemtheoretischen Strukturfunktionalismus von Talcott Parsons umgestellt.

Was Habermas damit aber erneut aus dem Blick verliert, ist die dingliche Dimension moderner Freiheit, d. h. deren notwendige Vermittlung durch die gesellschaftlich geformte Objektwelt. Der Verdinglichungsbegriff bekommt bei Habermas im Gegenteil seinen gewohnt negativ-orthodoxen Beiklang zurück, da Habermas das Szenario einer verdinglichend-instrumentellen Überlagerung der im Kern verständigungsorientierten, positiv-kommunikativen Rationalität anvisiert und damit die bei Adorno angedeutete, positive Wendung des Verdinglichungsbegriffs zurücknimmt.

Der intersubjektivistischen Wende von Habermas folgt Axel Honneth, bei dem die systemtheoretischen Überlegungen aber eher eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr versucht Honneth auf andere Weise an die ältere Kritische Theorie anzuknüpfen, indem er Verdinglichung in einer kritischen Rückwendung auf Lukács als eine verzerrte Form von Praxis versteht, innerhalb derer vergessen werde, inwiefern alle instrumentellen Praktiken in ihrer Interaktivität auf eine vorgängige und stillschweigende Anerkennung ihrer Träger verwiesen sind. Verdinglichung versteht Honneth daher als „Anerkennungsvergessenheit“ (79) und auch diese Rekonstruktion zeigt, wie die von Habermas, ein hohes Innovationspotential für ihre Anwendbarkeit in aktuellen gesellschaftspolitischen Konflikten. So hebt Quadflieg hervor, dass Honneth der erste Vertreter der Frankfurter Schule ist, dem es auf diese Weise gelingt, Rassismus als eine Form von Verdinglichung zu verstehen. Auch für Honneths Ansatz gilt aber, dass durch die intersubjektivistische Zuspitzung der Emanzipationsperspektive die dingliche Dimension individueller Freiheit vernachlässigt bleibt. Im zweiten Teil seiner Studie wendet sich Quadflieg daher nun Quellen zu, die ihn in die Lage versetzen, diese dingliche Dimension moderner Freiheit zu rekonstruieren.

Quadflieg beginnt die Diskussion der Quellen seines eigenen Ansatzes einer kritischen Gesellschaftstheorie mit einem Rekurs auf Hegels frühe Jenaer Systementwürfe. Anders als Honneth, der für die Zentralstellung seines Begriffs der Anerkennung ebenfalls auf Hegels Jenaer Systementwürfe zurückgeht, sieht Quadflieg aber in Hegels Ausführungen zum Problem der sozialen Anerkennung individueller Freiheit vor allem eine Kritik an der intersubjektivistischen Reduktion von Anerkennung auf das Modell eines wechselseitigen Vorgangs zwischen zwei Subjekten am Werk. Hegel betone vielmehr die institutionelle Verankerung dieser Anerkennung, durch die der reziproke Anerkennungsvorgang zwischen zwei individuellen Einzelwillen erst möglich werde (100). Dieser Kritikpunkt zeige sich bei Hegel auch in der Verwerfung der naturrechtlichen Konstruktion eines Naturzustands absoluter individueller Freiheit, die durch positives Recht erst begrenzt werden muss.

Quadflieg greift (wie Honneth in seinen neueren Arbeiten) Frederick Neuhousers Begriff der „sozialen Freiheit“ auf, um diese klassisch-frühliberale Hypostasierung eines freien individuellen Einzelwillens, welcher der Institutionalisierung bürgerlicher Freiheit vorgeblich vorausliegt, zu vermeiden. Die zwei weiteren zentralen Anerkennungsverhältnisse bei Hegel sind zum einen das „Sich-zum-Ding-machen“ in der subjektiven Entäußerung, die in die soziale Arbeitsteilung eingelassen ist. Quadflieg betont, dass anders als Marx Hegel dabei allerdings nicht von einer notwendigen Entfremdung der Individuen durch die moderne arbeitsteilige Organisation des Produktionsprozess ausgeht (162). Dennoch muss auch für Hegel die moderne Organisation der sozialen Arbeitsteilung den Individuen ermöglichen, sich als deren eigentliche Produzenten wiederzuerkennen. Marx spitzt diese Überlegungen in seinen Pariser Manuskripten im Sinne eines negativen Entfremdungs- oder Verdinglichungsverständnis dahingehend zu, dass sich der Einzelne im Produkt seiner Tätigkeit entäußernd wiedererkennen können muss. Darin sieht Quadflieg eine folgenschwere Verkürzung des Hegelschen Gedankens, der zur grundlegend negativen Konnotation dessen führt, was Quadflieg die „Vermischung von Person und Sache“ (252–270) nennt. Diesen Gedanken führt er aber erst im dritten Teil seiner Studie gewinnbringend aus (307–315) – nachdem er sein eigenes, positives Verdinglichungsverständnis entwickelt hat. Darauf wird noch einzugehen sein.

Das andere entscheidende Anerkennungsverhältnis vollzieht sich beim jungen Hegel der Jenaer Systementwürfe im Tausch, denn der rechtlich geregelte Tausch, der auf einer vorgängig institutionalisierten und wechselseitigen Anerkennung der Vertragspartner beruht, zeigt auch eine emanzipatorische Dimension der bewussten Verdinglichung sozialer Verhältnisbestimmungen an.

All diese Momente zusammengenommen, ist es Quadflieg nun möglich, eine verdinglichte Dimension moderner Freiheit positiv zu fassen. Neben dem „Vorrang des Objekts“ eignet Quadflieg sich daher von Adorno auch das emanzipatorische Motiv des „freien und gerechten Tauschs“ an (53/97). Überhaupt stellt der „Tausch“ für ihn, wie sich noch zeigen wird, die zentrale Chiffre für eine emanzipatorische Aufhebung des bürgerlichen Privatrechts dar, wodurch er sich neben der linkshegelianischen Tradition klar in der Soziologie der Durkheimschule verortet. Das Motiv des Tauschs schlägt dabei die allgemeine Brücke zurück zu einer Kritischen Theorie der Ökonomie und macht deutlich, dass Quadflieg, anders als Habermas, die Grundachse moderner Sozialpathologien nicht entlang eines Übergreifens instrumenteller Imperative auf die kommunikative Lebenswelt begreift, sondern im Verlust der dinglichen Dimension sozialer Freiheit, die für Arbeits- und Lebenswelt gleichermaßen gilt.

Mit Marcel Mauss widmet sich der nächste Teil der wohl wichtigsten Referenztheorie Quadfliegs und beginnt mit einem Exkurs zu Durkheim, der zugleich eine historisch-systematische Kontextualisierung der Analysen von Marcel Mauss zum Tauschvorgang in der Gabenpraxis darstellt (201–16). Quadflieg geht es an dieser Stelle darum, herauszustellen, dass die Ausführungen von Mauss im Kontext der Rechts- und Wirtschaftsgeschichte verstanden werden müssen. Es geht Mauss daher keineswegs um eine duale Gegenüberstellung von Tausch und Gabe, sondern umgekehrt darum, wie sich in der Gabenpraxis eine Form gesellschaftlichen Austauschs manifestiert, der Aufschlüsse darüber zulässt, welche dinglich vermittelten Dimensionen des Tausches unsere privatrechtlich organisierten, modern-arbeitsteiligen Gesellschaften eingebüßt haben.

Dies ist auch der soziologische Kontext, in dem sich die Arbeiten von Mauss verorten lassen: Sie stehen im Zusammenhang der von Èmile Durkheim aufgeworfenen Forschungsfrage, aus welcher sozialen Substanz sich die organische Solidarität moderner Gesellschaften speist. Während Hegel den Staat trotz allem als grundlegendes Gewaltverhältnis dachte, das die Partizipation in den politischen und ökonomischen Systemen sozialer Handlungskoordination initial erzwingt, begibt Durkheim sich auf die Suche nach den Bedingungen der Generierung eines positiven modernen Gemeinsinns, der sich abseits und trotz der individuellen Vereinzelung der Moderne herzustellen vermag. Schon Hegel bestimmt die moderne Ökonomie trotz ihrer Gerechtigskeitsverfehlungen als ein sich selbst unbewusstes, ungeheures „System von Gemeinschaftlichkeit“ (162). Durkheim sieht dabei in der geteilten Praxis des ökonomischen Tauschs einen Anknüpfungspunkt für solche „organischen“ Solidarisierungen, die er älteren „mechanischen“ Modellen der Solidarisierung entgegenstellt (201–216). Die prekäre Eigenart älterer „mechanischer“ Solidarisierung sieht Durkheim dabei in einem starren Hierarchiegefüge, in das die Einzelnen eingelassen sind, und das mit deren Vereinzelung auch ihre Freiheit grundlegend verunmöglicht.

Die kritisch-ethnologische Methode von Mauss verhält sich zu Durkheims Soziologie nach dem Muster der immanenten Kritik. Am Ziel der Auffindung komplexer Solidaritätsformen festhaltend, versucht Mauss die Gabenpraxis von Stammesgesellschaften als eine Austauschform zu beschreiben, die umgekehrt Rückschlüsse auf soziale Defizite moderner Gesellschaften zulässt. Auf diese Weise kommt auch eine dialektische Bewegung gesellschaftsgeschichtlicher Prozesse wieder in den Blick, und von Mauss aus gesehen zeigt sich für Quadflieg noch einmal in aller Deutlichkeit ein grundlegendes Defizit des älteren Verdinglichungstheorems. In diesem wurde die „Vermischung von Personen und Sachen“ (251f.) im Anschluss an die Marxsche Analyse der Warenform immer schon als Fetischisierung verstanden, durch die sich soziale und veränderbare Verhältnisse zu Verhältnissen von Dingen versteinern. Quadflieg sieht aber nun bei Mauss ein emanzipatorisches Moment dieser Vermischung beschrieben, denn indem Mauss verdeutlicht, wie bestimmte Objekte durch ihren zirkulären Austausch beginnen, die in diese Zirkulation involvierten Einzelnen zu repräsentieren, stehen diese Dinge gleichsam symbolisch für ein soziales Versprechen von gegenseitiger Sorge, Wohlwollen und ökonomischer Solidarität. Gerade die Verdinglichung sozialer Verhältnisse garantiert demnach deren Bewusstheit als ethisch verpflichtende soziale Verhältnisse. Aus dieser Perspektive scheint die ältere Verdinglichungstheorie selbst noch einer liberalen Illusion erlegen gewesen zu sein, also dem Wunsch, das Individuum absolut frei zu machen und es dinglicher Fesseln ganz zu entheben. Diese negative Freiheit führt aber, wie schon Hegel wusste, nirgendwohin.

Unvermerkt wird damit eine weitere, aufschlussreiche Differenzierung eingezogen: Lassen sich auch Institutionalisierungen über einen soziologisch verstandenen Raumbegriff als Verdinglichungen im Sinne festgeschriebener Vergegenständlichungen verstehen, so scheint es bei den von Mauss beschriebenen Gabepraktiken aber entscheidend zu sein, dass es sich bei den repräsentativen Körpern um reale, und nicht bloß eingebildete oder fiktive Objekte handelt. Erhellend ist hier der Verweis auf Rousseau und dessen Bedenken, dass wenn der Staat von seinen Bürgern einmal als „Gedankending“ durchschaut sei, dies einen nihilistischen „Untergang der politischen Körperschaft“ zur Folge haben kann (265).

Im dritten Teil setzt Quadflieg nun zu einem erneuten Durchgang durch die moderne Gesellschaftstheorie an, wobei er sein positives Verdinglichungsverständnis bereits gleichsam als kritischen Spiegel verwendet. Von Locke ausgehend, der durch seine Verlagerung individueller Freiheit in den Naturzustand die bürgerliche Privatrechtskonstruktion gleichsam naturalisiert, zeigt Quadflieg die prekäre Verkürzung der liberalen politischen Ökonomie des Tauschs auf bloßen Äquivalententausch, als dessen Steuerungsmedium und allgemeines Äquivalent das Geld bestimmt wird. Als ideengeschichtlicher Kronzeuge fungiert hier Adam Smith (299–306).

Nur am Rande sei hier angemerkt, dass Karl Polanyi, auf den Quadflieg einige Male verweist, die auch von Mauss analysierte Gabenpraxis auf den Trobriandinseln aus wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive gerade nicht als Tauschpraxis kennzeichnet, um sich von Adam Smiths Annahme eines natürlichen Hangs des menschlichen Individuums zum Äquivalententausch abzugrenzen (vgl. Polanyi 1978: 71—87). Quadflieg folgt hier aber der kritisch-ethnologischen Methode und hinterfragt das verkürzte Tauschverständnis modern-arbeitsteiliger Gesellschaften. Diese Wendung ließe sich gewinnbringend wieder mit Polanyi verbinden, wenn Quadflieg diesen Gedanken bis auf eine Kritik des Verständnisses der Geldform als allgemeines Äquivalent ausweiten würde; es finden sich in seiner Diskussion des Tauschverständnis bei Mauss einige kritische Ansätze dazu.

Quadflieg kehrt aber nun überraschend noch einmal zu Marx zurück und legt das aus seiner Sicht fatale Missverständnis dar, das Marx aus der liberalen politischen Ökonomie übernimmt und welches letztlich zu einem idealistischen Begriff entfremdeter Arbeit führt. Marx kann die „Vermischung von Person und Sache“ nur negativ denken. Mit seiner unmittelbaren und ihm bewussten Entäußerung im Produkt seiner Tätigkeit verliert der Mensch als Gattungswesen für Marx das eigene Bewusstsein davon, die schöpferische Kraft im Arbeits- und Produktionsprozess zu sein, und gibt damit die Möglichkeit seiner gesellschaftlichen Emanzipation preis.

Dies aber, so Quadflieg, wäre nicht der Fall, wenn Marx zu einer anderen Einschätzung der „Vermischung von Person und Sache“ gelangt wäre. Marx geht nun, ausgehend von einem Begriff des Tauschs als abstraktem Äquivalententausch, dazu über, in der formalen Gleichheit der kapitalistischen Tauschweise zugleich die „Gleichgültigkeit“ der Individuen gegeneinander zu identifizieren, die sich nur noch als abstrakte Besitzer von Waren begegnen. In minutiöser Analyse zeigt Quadflieg, wie sich diese Basisannahme als Strang durch das Werk von Marx zieht. Lediglich einmal, so Quadflieg, „blitzt“ in den Grundrissen ein anderes Tauschverständnis „auf“ (319), wenn Marx auf die aristotelische Unterscheidung von Naturalientausch zur Bedürfnisbefriedigung und Handelstausch zur Vermögensvermehrung eingeht (vgl. Polanyi 1978: 86). Wie Quadflieg schon zuvor deutlich gemacht hatte, muss die Bemerkung von Adam Smith, dass in der Moderne jeder ein Stück weit zum Händler werde, in diesem Sinne verstanden werden.

Die letzten drei Unterkapitel des Buches wenden sich nun immer stärker normativen Fragestellungen zu, und dabei wird zunächst das Verhältnis von Tausch und Gerechtigkeit in den Blick genommen. Für Locke, der den Privatbesitz durch die fundamentale Bedeutung naturalisiert, die er der Bearbeitung des Naturgegenstands und der an diesem Privatbesitz geleisteten Arbeit gibt, ergibt sich die Gerechtigkeit des Äquivalententauschs daraus, dass es sich um einen Austausch von Produkten eigener Arbeit handelt (327–329). Hier wäre aber hinzuzufügen, dass dies bei Locke mit der Naturalisierung von Lohnarbeit verknüpft ist. Auch die auf dem Markt eingekaufte Arbeit anderer gilt demnach als eigene Arbeit und eigene Produktivität, worin sich ein Schema zeigt, das bis heute in der Rede von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ideologisch wirkmächtig geblieben ist.

Auf Rousseau war Quadflieg schon zuvor eingegangen, und zwar im Zusammenhang mit der Zerbrechlichkeit moderner Gemeinwesen und der Frage, wie sich vereinzelte Individuen auf Gemeingüter verpflichten lassen. Bemerkenswerterweise versteht Quadflieg nun den initialen Akt des Sich-Gebens (oder Sich-Anvertrauens) – „se donner“ – an das politische Gemeinwesen im Gesellschaftsvertrag Rousseaus nach dem Muster der Gabe (332–334). Dies ist intuitiv schlüssig, übergeht aber das prekäre Moment der Aufopferung der Einzelnen an das Gemeinwesen, das in der Rousseauschen Konstruktion zu Tage tritt.

Um einen anderen, gemeinschaftlicheren Zugang zum Tauschvorgang zu eröffnen, rekurriert Quadflieg nun auf Heideggers Weltbegriff, und vor allem das In-der-Welt-sein. Dieses wird erneut nicht vor allem intersubjektivistisch, sondern im Hinblick auf dessen dingliche Dimension interpretiert. Es geht Quadflieg hier aber, unter Einbeziehung von Überlegungen Hannah Arendts, letztlich um eine Vermittlung des intersubjektivistischen Paradigmas mit der von ihm rekonstruierten notwendig-dinglichen Dimension von Vergesellschaftung. Wahre Intersubjektivität müsse sich demnach auch in einem anderen Umgang mit den Dingen äußern. Heideggers Weltbegriff, der auch einen Umgang mit der den Menschen umgebenden, und von ihm selbst geschichtlich geschaffenen, zweiten Natur meint, bietet sich dafür an. Arendt erkennt zwar die Präsenz der Dinge als Anlassgeber geistig-historischer Reflexion an, aber da sie die Sprache herstellender Produktion als ungeeignet für die Konzeptualisierung des Zwischenmenschlichen begreift, begeht sie letztlich den gleichen Fehler wie Habermas und sieht die Dingdimension als für emanzipatorisches Handeln nachrangig an.

Anders verhält es sich mit Herbert Marcuse, der in einer Verknüpfung von Marx und Heidegger sowohl den Arbeitsbegriff ganzheitlich erweitert, als auch die Interaktion von Mensch und Umwelt als „Stoffwechsel“ mit der dinglichen „zweiten Natur“ versteht (354f.). Wie müsste dieser Umgang beschaffen sein, um nicht in „repressive Verdinglichung“ umzuschlagen? Quadflieg bestimmt noch einmal drei Eckpunkte seiner Kritik: Zunächst muss das Selbstverhältnis der Individuen von „repressiver Verdinglichung“ ausreichend frei sein, um sich überhaupt geistig-kritischer Tätigkeit zuwenden zu können und bedeutet auch eine zumindest partielle Befreiung von Arbeit. Das Problem der orthodoxen Verdinglichungskritik war aber, die verdinglichte Dimension der modernen Arbeitsteilung nur als Verdeckung von Ausbeutung denken zu können, indem soziale Verhältnisse durch den Äquivalententausch als neutrale Verhältnisse von Sachwerten auf dem Markt erscheinen. Da zweitens die über Märkte vermittelte moderne soziale Arbeitsteilung als gesellschaftlich nicht rückholbar erscheint, kann eine positive Reflexion auf die Vermittlungsfunktion der Dinge in dieser Arbeitsteilung Kritikperspektiven eröffnen, die ein bloß negativer Begriff von Verdinglichung übergeht. Drittens kann die gesellschaftstheoretische Rückkehr zu einer kritischen Fokussierung auf das „Verhältnis von Personen und Sachen“ (361) einen Zugang zum in modern-arbeitsteiligen Gesellschaften allgegenwärtigen Tauschvorgang eröffnen, der in der Lage ist, die vergessene gemeinschaftsbildende Funktion der Dinge zu verdeutlichen. Eine kritisch-bewusste Reflexion auf die stets schon geschehene „Vermischung von Person und Sache“, und deren anthropologisch-gemeinschaftsbildende Funktion, ist damit als hauptsächliche normative Ressource einer neuen Kritik der Verdinglichung zu bestimmen.

In einem kurzen Schlusskapitel widmet sich Quadflieg noch einmal dem Dingbegriff selbst und zeigt mit den material culture studies, dass auch Gegenstände unser modernen Konsumwelt nicht umstandslos einfach als Waren verstanden und auf ihren Objektcharakter reduziert werden können. Waren sind gleichsam nur temporär oder in bestimmter Hinsicht die Gegenstände unserer Konsumwelt. Wie schon Arendt festgestellt hat, hatte die marxistische Kulturkritik in dieser Hinsicht nicht hinreichend zwischen Verbrauch und Gebrauch differenziert.1 Dennoch wird der erkenntnistheoretische Vorrang des Objekts für Quadflieg weiterhin versäumt, wenn der betreffende Gegenstand gleichsam nur Anlassgeber der Reflexion ist und nicht in seiner dinghaften Qualität selbst ernstgenommen wird. Diese Differenz sieht Lacan sprachlich konserviert in der Unterscheidung von Ding und Sache, in der impliziert ist, dass mit dem Begriff des Dinges immer schon auf etwas Außersprachliches verwiesen wird. Benjamins Reflexionen auf seine Berliner Kindheit beschreiben diese eigentümliche Art, sich den Gegenständen als Geheimnisträgern zu nähern, in denen sich zugleich eine Befreiungs- und Unterdrückungsgeschichte verbirgt.

Auch die bereits erwähnten anderen neueren Anschlüsse an den Verdinglichungsbegriff von Georg Lukács, wie etwa die von Anita Chari, Konstantinos Kavoulakos und Titus Stahl, haben sich sowohl mit dem Problem eines primär intersubjektivistischen Verdinglichungsverständnisses befasst, als auch damit, die Komplexität der Verdinglichungsdiagnose auf dem gegenwärtigen methodologischen Forschungsstand analytischer Sozialphilosophie zu reformulieren. Chari macht dabei etwa ähnlich wie Quadflieg deutlich, dass die normative Dimension intersubjektiver Praxis nicht unabhängig von der fortgeschrittenen Organisation sozialer Arbeitsteilung gedacht werden kann, wenn es darum geht, eine modernen Vergesellschaftungsbedingungen angemessene Verdinglichungskritik zu entwerfen (vgl. Chari 2010: 591). Auch Kavoulakos hebt den modernen Charakter der Verdinglichungskritik hervor, der es um ein umfassendes Verständnis der Gesamtgesellschaft vor dem Hintergrund ihrer Fragmentierung gehe (vgl. Kavoulakos 2020: 53). Titus Stahl versteht Verdinglichung als „Pathologie zweiter Ordnung“ und macht damit deutlich, dass etwa der verdinglichte Charakter von Arbeitspraxen in impliziten, diskursiv vorausgesetzten, mitunter nicht verhandelbaren und somit verdinglichten Subjektanforderungen besteht (vgl. Stahl 2011: 741f.).

Dirk Quadflieg teilt viele dieser Kritikpunkte und nähert sich dem Verdinglichungsbegriff dennoch auf andere Art und Weise, indem er nach einer in der Verdinglichungsdiagnose übersehenen, emanzipatorischen Dimension von Dinglichkeit fragt. Sein primärer Referenztheoretiker in der verdinglichungskritischen Tradition ist damit nicht Lukács, sondern Adorno: ähnlich wie Adorno ist Quadflieg weniger an einer eindeutigen Begriffsklärung von Verdinglichung interessiert und nimmt einen freieren Umgang mit der metaphorischen Bedeutungsdimension des Begriffs in Kauf. Dies muss hinsichtlich der positiven Wendung des Verdinglichungsbegriffs mitbedacht werden und sprachanalytische Anknüpfungen könnten hier etwa eine weitergehende Ausdifferenzierung von gesellschaftlichen Vorgängen der Versachlichung, Vergegenständlichung und Verdinglichung reklamieren. Zugleich lässt sich jedoch festhalten, dass die von Quadflieg auf diese Art und Weise vorgenommene „Rehabilitierung der Dinge“ ein starkes Illuminationspotential entfalten kann (vgl. Arndt 2019).

Von Adorno erbt Quadfliegs Konstruktion aber ein geschichtsphilosophisches Problem, das sich bei Quadflieg vor allem vor dem Hintergrund der entfalteten Ethnologie der Gabe zeigt. Es ist die qualitative Abgrenzung archaischer und moderner Herrschaft und wie Quadflieg selbst wiederholt herausstreicht, ist es ja Hegels geschichtsphilosophische Pointe, dass in der „absoluten Sittlichkeit“ altertümlicher Vergemeinschaftungsformen individuelle Freiheit verfehlt wird. Es ist insofern für Hegel in sich selbst schon eine emanzipatorische Errungenschaft, um diese Freiheit herum eine politische Ordnung aufzubauen. Für Adorno ergibt sich hier bekanntlich aber das Problem, dass die moderne Freiheit in einen Mythos der Selbsterhaltung zurückfällt. Diese Gefahr scheint aber vor allem dann gegeben zu sein, wenn sich diese Freiheit total setzen und als absolute verstehen kann.

Dass sich Quadflieg in der Frage, wie eine moderne dingliche Vermittlung sozialer Zusammengehörigkeit aussehen kann, wiederholt gegen den politischen Realismus Hegels wendet, der den Staat nichtsdestotrotz auf einem irreduziblen Gewaltmoment begründet sieht, der eine Partizipation an den symbolischen Tauschpraktiken damit initial erzwingt, ist mir daher theoretisch nicht einsichtig. Quadflieg scheint mir hier eine unzulässige Idealisierung des Tauschbegriffs vorzunehmen, den er von diesem Gewaltmoment freihalten will. Doch hat auch die neuere Wirtschaftsgeschichte (Polanyi, Federici, Wood/Meiksins-Wood) die qualitative Differenz zwischen staatlicher Herrschaft und symbolisch-ökonomisch vermittelter Marktabhängigkeit deutlich relativiert.

In dem weiten geschichtsphilosophischen Rahmen, den Quadflieg aufspannt, ließen sich die von Marcel Mauss beschriebenen, vielfältigen Bedeutungsdimensionen des Gabentauschs etwa auch vor dem Hintergrund der von Adorno beschriebenen dialektischen Vermischung von Tausch und Opfer in der archaischen Ritualhandlung analysieren. Dies würde mit Hinblick auf die von Mauss in den Tauschritualen beschriebenen Kommunikationsakte des individuellen Versprechens einer potentiellen Selbstaufopferung für die Gemeinschaft durchaus naheliegen. Adorno beschreibt oft mit Skepsis eine bestimmte Dialektik der Selbstaufopferung, innerhalb derer sich Einzelne für ihre Gesellschaft verausgaben, und das, was sie effektiv dafür zurückerhalten, höchst fragwürdig ist. Auch diese Dialektik des Selbstopfers ist gesellschaftsgeschichtlich mit dem Tausch symbolisch vermittelt.

Zu bedenken scheint mir hier zudem zu sein, dass wenn Rousseau eine solche Identifikation im „Sich-Geben“ (se donner) an das politische Gemeinwesen als notwendig für dessen Stabilität ansieht, und sich damit gegen den politischen Liberalismus der philosophes wendet, diese Konstruktion neben einem holistischen Verständnis dieses Gemeinwesens doch zugleich auch die erneute Möglichkeit einer organischen Vereinnahmung des Individuums durch das Gemeinwesen eröffnet. Dies war ja auch die Kritik von Durkheim, und man könnte hier im kritischen Anschluss fragen, in welchen Symbolen sich ein demokratisches Gemeinwesen manifestieren sollte, und in welchen lieber nicht.

Literatur

Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik/Jargon der Eigentlichkeit, Gesammelte Schriften Bd. 6, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1997.

Arndt, Andreas. „Die Rehabilitierung der Dinge.“ Soziopolis 2019. https://www.soziopolis.de/lesen/buecher/artikel/die-rehabilitierung-der-dinge/ (letzter Abruf am 27. Juni 2020).

Chari, Anita. „Toward a Political Critique of Reification: Lukács, Honneth and the Aims of Critical Theory.“ Philosophy and Social Criticism, 36.5 (2010), 587–606.

Kavoulakos, Konstantinos: „What is reification in Georg Lukács’s early Marxist work?“ Thesis Eleven 157.1 (2020), 41–59.

Lukács, Georg: Geschichte und Klassenbewußtsein. Studien über marxistische Dialektik. Frankfurt am Main: Luchterhand 1968.

Polanyi, Karl: The Great Transformation. Praktische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1978.

Stahl, Titus: „Verdinglichung als Pathologie zweiter Ordnung.Deutsche Zeitschrift für Philosophie 59.5 (2011), 731–746.


  1. Man denke hier etwa an die kulturelle Bedeutung des Schuhmodells „Air Jordan“ der Firma Nike, die in der Netflix-Dokumentation „The Last Dance“ über den Basketballspieler Michael Jordan gezeigt wird.↩︎

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