Loh, Janina: Trans- und Posthumanismus zur Einführung. Hamburg: Junius 2018. 221 Seiten. [978-3-88506-808-2]

Rezensiert von Katia Schwerzmann (Bauhaus Universität Weimar)

In Trans- und Posthumanismus zur Einführung bespricht Janina Loh drei Herangehensweisen an das Posthumane: den Transhumanismus (TH), den technologischen Posthumanismus (tPH) und den kritischen Posthumanismus (kPH). Loh untersucht und unterscheidet diese drei Strömungen in Hinblick auf den Humanismus. Auf den ersten Blick scheinen Transhumanismus, technologischer Posthumanismus und kritischer Posthumanismus viel gemeinsam zu haben. Sie beziehen sich allesamt auf den Humanismus und sind im Kontext rasanter technologischer Umwälzungen entstanden, die die Theorie dazu zwingen, die Stellung des Menschen in der Welt in Bezug auf Natur und Technologie grundsätzlich zu überdenken. Obwohl technologischer Posthumanismus für Loh die Zuspitzung des Transhumanismus darstellt, wird er trotzdem als Posthumanismus bezeichnet, insofern dieser Diskurs nicht mehr auf den Menschen und dessen Optimierung abziele, sondern auf seine Ersetzung durch eine technologische Superintelligenz. Doch gehen die Gemeinsamkeiten zwischen TH und tPH einerseits und kPH andererseits nicht über ihren Bezug auf den Humanismus hinaus. Transhumanismus und technologischer Posthumanismus bestehen im Forttreiben und Propagieren des Siegeszuges des liberal-humanistischen Subjekts: Sowohl TH als auch tPH bleiben bei einer teleologischen Auffassung der Geschichte, die immer in Richtung Fortschritt strebt; beide gründen auf dem liberalen Ideal des Individuums, seiner Selbstbestimmung und Selbstregulierung; beide werden durch den Wunsch bestimmt, den Körper dem Geist unterzuordnen bzw. ersteren zu überwinden – wobei die Proliferation der technologischen Infrastrukturen im Spannungsverhältnis zum Wunsch auf Körperlosigkeit und Immaterialität steht. Dagegen geht es im kritischen Posthumanismus darum, das liberal-humanistische Subjekt der Aufklärung zu hinterfragen, dessen Anspruch auf Universalismus immer schon einhergegangen ist mit dem imperialistischen und kolonialistischen Projekt der Ausschließung von all denen, die als das Andere dieses Subjekts konstruiert worden sind, wie Frauen, Tiere, und Kolonialisierte – um nur einige der als Andere ausgeschlossenen zu nennen.

Janina Loh erklärt, den transhumanistischen und technologisch posthumanistischen Diskurs zunächst „unparteiisch und unvoreingenommen“ (15) betrachten zu wollen, wobei sie sich von Anfang an als kritische Posthumanistin positioniert. Aus diesem Grund stellt sie ihre Kritik an den drei Diskursen – jeweils getrennt von der „unparteiischen“ Darstellung des TH (Teil I), des tPH (Teil II) und des kPH (Teil III) – den jeweiligen Darstellungen nach. Dies führt dazu, dass die drei sehr unterschiedlichen diskursiven Gesten des TH, tPH und kPH denselben theoretischen Status erhalten. Der Kontext ihrer Entstehung könnte aber meines Erachtens nicht unterschiedlicher sein: TH und tPH haben eine klare Affinität mit dem liberal-kapitalistischen Diskurs der (Bio-)Tech-Branche, während der kPH feministisch-materialistisch geprägt ist. Bietet der kPH eine grundsätzliche Kritik am liberalen Humanismus an, sind TH und tPH bar jeder kritischen Dimension. Sie fungieren vielmehr als Bestätigung, ja sogar als Verstärkung der herrschenden liberal-kapitalistischen Ideologie der Produktivität, des Wachstums, der Verwaltung des Lebens als Risiko-Management, der Herrschaft über die Natur; d. h. über all das, was als Natur aufgefasst wird (Körper, Affekte, Tod etc.). Beim Trans- bzw. Posthumanen, das der TH und der tPH im Blick haben, handelt es sich um eine Erweiterung des Wertbegriffs des liberal-humanistischen Subjekts.

Transhumanismus, technologischer Posthumanismus und kritischer Posthumanismus im Vergleich

Transhumanismus, technologischer Posthumanismus und kritischer Posthumanismus werden von Janina Loh in Zusammenhang mit dem Humanismus, mit der jeweiligen Auffassung der Funktion von Technologie, mit Fragen des Menschenbildes und des Körper-Geist-Verhältnisses dargelegt und voneinander unterschieden. In ihren Ausführungen zum Humanismus bringt die Autorin die Charakterzüge ans Licht, die sie in Bezug auf den TH, den tPH und den kPH als relevant betrachtet. Der Humanismus, den Loh in die Humanitas der Römer (24) zurückverfolgt, sei durch Bildung als Erziehung und lebenslange Übung gekennzeichnet (19). Die Fähigkeit zur Bildung sei das, was den Menschen vom Tier unterscheide. Humanitas sei außerdem die kultivierte, geübte Philanthropie (20). Der Humanismus sei generell individualistisch angelegt und durch einen Körper-Geist-Dualismus gekennzeichnet, wobei der Körper dem Geist untergeordnet wird. Er sei außerdem durch den Wunsch nach Emanzipation von Tieren und »Barbaren« charakterisiert.

Der Transhumanismus (vertreten u. a. von Julian Huxley, Max More und Nick Bostrom) sei als Streben nach der Verbesserung, oder genauer gesagt nach der Optimierung des Menschen durch technologische und biologische Mittel zu verstehen. Dabei geht es um Lebensverlängerung bis zur erhofften Unsterblichkeit, um Kryonik, um Human Enhancement durch genetische Eingriffe, um das Hochladen des menschlichen Geistes auf Computer oder in einen artifiziellen Körper. Im Kontrast zur Entropie, also zur allgemeinen Tendenz des Universums zum Chaos, prägt Max More den Extropianismus, die Idee eines „immerwährenden Fortschritts“. Extropianismus meint das niemals abgeschlossene Projekt der Verbesserung des Menschen (68). Loh schlägt vor, dieses Streben als eine Neuformulierung des humanistischen Bildungsideals zu verstehen. Sie unterscheide sich vom humanistischen Ideal durch das implizite Credo des Transhumanismus, dass „mehr“ notwendigerweise besser sei (43) – mehr Lebenszeit, mehr Gesundheit, mehr Schönheit, mehr intellektuelle Fähigkeit etc. Dieses „Mehr“ werde vom TH so verstanden, dass es zwangsläufig alle Probleme lösen würde. Die Technologie fungiert dabei als Mittel zum Zweck des „Mehr“.

Janina Loh kritisiert am TH, dass es sich dabei um einen Diskurs über die Kontrolle des Körpers handelt, der auf die völlige Unterwerfung des Körpers unter den Geist abzielt. Sie bringt dabei eine interessante Spannung im transhumanistischen Diskurs ans Licht, die darin besteht, den Körper dem Geist unterzuordnen und den Körper nur als Träger des Geistes aufzufassen (49, 51), obwohl gleichzeitig der Geist immer wieder auf sein „biotisches Substrat“, das Gehirn zurückgeführt wird (27). Die technologischen Eingriffe, die die Optimierung des Menschen zum Zweck haben, zielen auf dieses biotische Substrat ab (Körper, Gehirn, Gene). Diese Zielrichtung bringt einen technologischen Determinismus durch die Hintertür zurück, der die gesungene Selbstbestimmtheit des transhumanistischen Subjekts zu durchkreuzen scheint. Denn sogar die moralischen und affektiven Eigenschaften des Individuums ließen sich durch solche Eingriffe optimieren.

Loh hebt hervor, dass der Transhumanismus den menschlichen Wunsch nach grenzenloser Selbstperfektionierung als etwas Natürliches darstellt (39). Sie betont auch, dass die transhumanistischen Normen (das Mehr an Leben und an Schönheit, der Optimierung von Körper und Geist etc.) nie hinterfragt werden. Loh argumentiert weniger gegen die aus diesen Normen resultierende Politik, sondern konzentriert sich auf deren ethische Implikationen. In Bezug auf Hannah Arendts Begriff der Natalität erklärt sie beispielsweise, dass mit der Unsterblichkeit einhergeht, dass wir nicht mehr wüssten, wie wir neu anfangen können. Die Autorin bringt die Fokussierung der Transhumanist*innen auf die freie Wahl des Individuums in Verbindung mit einem Mangel an gesellschaftspolitischer Reflexion über die Konsequenzen des TH (71). Ihrer vornehmlich ethisch orientierten Kritik wegen übersieht Loh allerdings die Politik des Transhumanismus, die nicht ausformuliert sein muss, um klar zum Tragen zu kommen: Die transhumanistische Tendenz zur Naturalisierung des liberal-humanistischen menschlichen Wesens zeugt vom unkritischen, konservativen Charakter dieses Diskurses in dem Sinne, dass er sich durch eine solche Naturalisierung damit begnügt, etablierte Normen und Machtverhältnisse immer wieder auf ein Neues zu bestätigen. Man denke an die Technisierung der Natur, an den menschlichen Exzeptionalismus, an das Recht auf die Optimierung des eigenen Körpers – der wie bei Bostrom und Savulescu bis zum Körper der anderen (z. B. des „eigenen“ Kindes) reicht.

Der technologische Posthumanismus (u. a. vertreten von Hans Peter Moravec und Raymond Kurzweil) stellt für Loh die Zuspitzung des Transhumanismus dar (102). tPH wird von der Autorin eher als eine „offene Sammlung von Ideen“ als eine „eigenständige Theorieströmung“ (93) bezeichnet. Der technologische Posthumanismus sei nur auf wenige Themen fokussiert: artifizielle Superintelligenz, Mind Uploading und Singularität als Folge einer radikalen Transformation des menschlichen Lebens. Nach einer Phase der Akzeleration des Fortschritts (111) werde der Mensch abgelöst durch eine Superintelligenz (107). Die Technologie fungiere dabei nicht mehr als Mittel zum Zweck der Verbesserung, sondern als Ziel mit der Aussicht auf eine künstliche Superintelligenz. Die Technologie ist im Fall des tPH als radikal Anderes des Menschen aufgefasst, die als „Superspezies“ ihn zu überholen bestimmt war (92). Das Wesen des Menschen wird dabei auf seinen Geist reduziert, der wiederum als Informationsmuster verstanden wird (126). Loh betont, dass dies den humanistischen Körper-Geist-Dualismus aufrechthält, um letztendlich in einen Informationsmonismus zu münden.

Loh bezeichnet den Diskurs des tPH als „Ideensammlung zur Glorifizierung der Technik“ (97) und betont, dass im Gegensatz zu genuin technologischen Utopien die Singularitätsvision des tPH keine Kritik der Gegenwart anbietet (111). Die Autorin kritisiert die Verfügungsgewalt des tPH über den Körper. Dieser gilt dem tPH nur als defizitär und soll in der Singularität abgelöst werden (123). Loh expliziert allerdings kaum, warum der Wunsch nach der Abschaffung des Körpers letztendlich so problematisch ist. Sicherlich, Loh verbindet diese Tendenz wie schon beim TH mit dem Bedürfnis nach Kontrolle. Man könnte noch hinzufügen, dass das Projekt der Abschaffung des Körpers aus einer medien-philosophischen Perspektive problematisch ist, da Information nur verkörpert und d. h. medial existiert. Es gibt keine Informationsmuster ohne Verkörperung.

Der kritisch-posthumanistische Ansatz unterscheide sich aufgrund seiner kritischen Dimension drastisch vom TH und vom tPH. Diese Art von Posthumanismus (u. a. vertreten von Rosi Braidotti, Karen Barad, Donna Haraway und Cary Wolfe) kritisiert die Dichotomien – zwischen dem Menschen und seinem Anderen (Technologie, Tier), zwischen Körper und Geist, Natur und Kultur – auf denen der Humanismus gründe. Ziel des kritischen Posthumanismus ist es Loh zufolge, den Anthropozentrismus, der mit dem Humanismus einhergehe, sowie die klassisch philosophische Anthropologie zu überwinden (132). Rosi Braidotti beispielsweise betont den Rassismus und Imperialismus, der mit dem humanistischen Denken einhergehe (142). Mit dem Prinzip der Zoé als „dynamische, selbstorganisierende Struktur“ sei es möglich, ein nicht menschliches Gegenüber als Subjekt anzuerkennen – wobei es unklar bleibe, was eine solche Anerkennung genau implizieren würde (145). Ähnlich dazu verteidigt Bruno Latour die Idee, dass Dinge Agenten sind und in einem Parlament der Dinge vertreten werden sollten. Wie dies konkret stattfinden soll, bleibe bei Latour offen (160). In der Auseinandersetzung mit der Quantenmechanik verleihe Karen Barad der Materie einen agentiellen Charakter und stellt die Trennung von Diskurs, Materialität und Technik infrage. Damit gehe einher, dass der Mensch in der komplexen Verschränkung zwischen Materialität und Diskurs, und Natur und Technik, aus der jedes Phänomen besteht, nur eine Komponente unter anderen sei.

Zur Frage der Zurückführung des Politischen auf das Ethische

Loh betont, dass die Frage des Politischen im kritischen Posthumanismus zentral sei. Das Wissen wird im kPH kontextabhängig verstanden; die Wissensproduktion sei nie rein, sondern immer schon politisch, ethisch, und ökonomisch geprägt (153). Loh nimmt Karen Barad als Vorbild dieser politischen Prägung des posthumanistischen Diskurses (158). Um welche Politik genau es sich dabei handelt, bleibt jedoch in Lohs Einführung unklar. Das Problem des kritischen Posthumanismus – ebenso wie in Lohs Herangehensweise – besteht darin, das Politische auf das Ethische hinauslaufen zu lassen. Das Ethische gilt im kPH als das Antworten auf das Andere und als Verantwortung für das Andere. Da die Agentialität auch dem Nicht-Menschlichen verliehen wird, geht es darum, das Antworten als Verschränkung zwischen Mensch, Natur und Technik zu beschreiben. Wenn man aber davon ausgeht, dass das Politische im Moment der Entscheidung besteht, hat der kritische Posthumanismus Schwierigkeiten, vor diesem Moment Rechenschaft abzulegen. Es ist eine Sache, in die Struktur der Antwort verwickelt zu sein, eine Andere, die Verantwortung für eine Antwort zu übernehmen. Den Moment der Entscheidung zu betonen setzt nicht notwendigerweise voraus, eine Auffassung der (autonomen, selbstbestimmten) Subjektivität wieder einzuführen, die der kritische Posthumanismus zu Recht für problematisch erklärt. Entscheidungen finden aber statt, und nicht jede Art von Entscheiden, Antworten und Handeln hat die gleiche Wirkung. Verschweigt man die Differenzen im Handeln, Antworten und Entscheiden, verschwindet die Frage nach Macht und ihrer ungleichen Verteilung. Kritisiert man TH und tPH ausschließlich aus einer ethischen Perspektive, nimmt man die impliziten onto-politischen Voraussetzungen dieser Diskurse an. Man akzeptiert dann, ganz im Sinne des liberalen Humanismus, dass das Subjekt fundamental selbstidentisch ist, dass es sich selbst und seine Wünsche rational beherrscht, dass das Leben etwas ist, das machbar und verwaltbar ist, und als solches gestaltbar werden kann.

Die ethische Herangehensweise des transhumanistischen Diskurses konzentriert sich auf Fragen der Werte (ob es gut oder schlecht ist, Genmaterial zu modifizieren, welche Konsequenzen für das Kind und die nächsten Generationen entstehen etc.), wobei die Struktur von Macht und Privilegien, die es erlaubt, solche Projekte und Werte überhaupt zu formulieren, erneut behauptet wird. Frappierend ist im transhumanistischen Diskurs die Moralisierung des bloßen Lebens: Ein Leben ist nicht gut, weil es durch bestimmte, als für gut befundene Handlungsweisen charakterisiert ist; mehr Leben gilt als per se gut. Dadurch wird die Machtkomponente in der Verwaltung, Verlängerung, Beherrschung des Lebens verschwiegen und zu Wertfragen umformuliert. Lohs ethischer Ansatz führt dazu, dass das Verhältnis zwischen Transhumanismus und liberalem Kapitalismus sowie die biopolitische Dimension dieses Diskurses nur nebenbei berührt wird.

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