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Guardiano, Nicholas L.: Aesthetic Transcendentalism in Emerson, Peirce, and Nineteenth-Century American Landscape Painting. Lanham: Lexington Books 2017. 184 Seiten. [978-1-4985-2453-7]

Rezensiert von Guido K. Tamponi (Universität Potsdam)

Die Geburt der Natur aus dem Geiste der Schönheit

Der Schein des geringen Umfangs sowie des sperrigen Titels der aus einer Dissertation hervorgegangenen Monographie von Nicholas L. Guardiano trügt: Das Projekt könnte kaum ambitionierter, fundamentaler und gegenüber den disziplinär gezogenen Grenzen subversiver sein. So legt Guardiano einerseits Lektüren der Philosophien von Emerson (Kapitel 1) und Peirce (Kapitel 2 und 3) vor, denen zufolge die im Buch zahlreich mitabgedruckten Gemälde der Hudson River School und des Luminism diese Philosophie mehr als versinnbildlichen: „they are visual arguments containing special insights supporting and a part of the philosophy.“ (xiv, Hervorhebung im Original) Andererseits zeigt Guardiano in einem „kind of self-supporting circle“ (xiv), dass es erst diese Philosophien sind, die die theoretische Fundierung dafür bereitstellen, um den Künstlern in ihrem Anspruch und ihren Werken interpretatorisch umfassend gerecht werden zu können (Kapitel 4 und 5). Die grundlegende These lautet: Philosophie und Kunst sind, gelesen durch das Konzept des anhand dieser Konstellation interdisziplinär gewonnenen „ästhetischen Transzendentalismus“, verbunden durch das „common bond“ (100) der Seinswahrheit und der Schönheit untereinander kommutativ.

Anders als in der europäischen Tradition seit Kant bezieht sich der durch die deutsche Romantik beflügelte US-amerikanische Transzendentalismus, für den Emerson wie kein zweiter steht, nicht auf eine kritische Erkenntnistheorie, sondern, im Gegenteil, auf das gegenüber der menschlichen Provinz Transzendente. Er bezeichnet das Unterfangen einer positiven Ontologie, einer spekulativen Metaphysik. Jenseits theologisch dogmatischer Debatten sollen vor allem der das Abendland seit Descartes umtreibende Dualismus von Subjekt und Objekt aufgelöst sowie Mensch und Natur als eine Kontinuität versöhnt werden. Da eben Versöhnung das Ziel ist, ist der „Transzendentalismus“ ebenso Kritik an der üblichen monistischen Alternative des Materialismus, der für die Zusammenführung von Mensch und Natur mit dem Preis der Lebendigkeit beider bezahlt. Bei Emerson wird der Materialismus von den Füßen auf den Kopf gestellt: statt zu reduzieren, erhöht er, statt den Menschen (und die Natur) zu physikalisieren, spiritualisiert und ästhetisiert er sie. In der Folge von Berkeleys Phänomenalismus gilt die „ordinary experience“ (5), die weder durch Technik noch Theorien zugerüstet ist, allein als realistisch. Und diese lehrt, dass die ästhetische Qualität, d. h. die „unique ‚admirableness‘ of things in their aesthetic immediacy“ (xvii), in der Natur selber und von ihr her uns erscheint und uns objektiv gegeben ist. Sie wird nicht erst als sekundäre Qualität hineinprojiziert. Statt den neuzeitlichen Weg vom Menschen zur Natur beschreiten zu müssen, werden durch die ontologisch fundierte Primatsetzung der Natur – „an all-encompassing and a self-sufficient Being“ (7 f.), das nicht nur vorgänglich ist, sondern spinozistisch auch alles hervorbringt und umfasst – der Mensch und seine Vermögen aus ihr ableitbar. Das heißt hier: Weil es die Natur ist, die intrinsisch ästhetisch ist, gibt es für den Menschen als Naturwesen ästhetische Erfahrung. Dabei bildet das Ästhetische nicht eine Seinsdomäne neben anderen, sie ist für Emerson das Fundament der Natur selber: „Beauty is the creator of the universe“ (Emerson, zitiert nach 14).

Eine solch ontologische Eingewurzeltheit der Ästhetik zur Anschauung zu bringen und damit unleugbar werden zu lassen, ist für Emerson Kennzeichen der Meisterschaft der „great artists and poets“ (3), schaffen es doch diese, selbst aus den gewöhnlichsten oder gar als hässlich eingestuften Erscheinungen den ihnen eigenen ästhetischen Reiz hervorzulocken. Kunst wird so zur Lehrmeisterin des objektiven Sehens, ihr Telos ist die Sichtbarmachung der „possible aesthetic richness that surrounds us“ durch Kultivierung der rezeptiven „awareness of it“ (69) mittels „pious reception“ (2) jenseits von „personal biases and unreflective theoretical interpretations“ (5). Der Künstler ist hinsichtlich seiner Produktion mikrokosmischer Erstgeborener des schöpferischen Prozesses der Natur (natura naturans) und hinsichtlich seiner Produkte maximierende Fortführung des Erbes ihrer in einer „work of ecstasy“ (19) hervorgebrachten Erscheinungsvielfalt (natura naturata). Spätestens hier werden zwei weitere Opponenten des unzeitgemäßen Vorhabens Guardianos deutlich, das dieser selbst explizit in die Tradition der Romantik stellt (33): die postmoderne Liquidierung von Schönheit aus der Kunst („Ende der Kunst“) sowie die technokratische Liquidierung der Natürlichkeit der Natur im Anthropozän („Tod der Natur“).

Während Emersons metaphysisch-poetischer Wurf die Richtung vorgibt, greift Guardiano für das Wanderrüstzeug auf Peirce zurück und setzt dabei an dessen triadischer Kategorienlehre an. Mit ihr beansprucht Peirce, die drei „most general conceptual structures of experience and thought“ (38) aufgedeckt zu haben: „firstness“, „secondness“, „thirdness“. Erstheit bezieht sich auf die reine Empfindungsqualität eines zu nichts außerhalb seiner selbst relationiertem Etwas; die bloße Gegenwärtigkeit dessen, was sich an sich selber als unabhängige Aktualität präsentiert und im „feeling“ als in sich ungebrochene, ganzheitliche Qualität greifbar wird. Die Zweitheit bezeichnet die Sphäre, in der die eigenständigen Präsentationen der Erstheit zueinander in Bezug gesetzt sind. Existenziell gesprochen, ist dies die Ebene des „struggle“ der Phänomene in gegenseitiger Widerständigkeit oder Förderung. Die Drittheit bezeichnet zuletzt die Bezugnahme auf die Ebene der Zweitheit und die in ihr aufeinander bezogenen Elemente der Erstheit in Form einer Entwicklung, die als solche nur gegeben sein kann, wenn die Ebene der Zweitheit und ihrer „blinden“ Dualität von Aktion-Reaktion zu einem Allgemeinen und von diesem her überschritten und vermittelt wird. Für Guardiano fruchtbar wird diese Kategorienlehre vor allem dadurch, dass Peirce sie nicht nur zu menschlichen Kategorien, sondern zu den Kategorien des Seins selbst erklärt, den „most general ontological or metaphysical structures of the universe“ (38). Derart ontologisiert, wird die Erstheit zur Bezeichnung der Sphäre unendlicher Potenz dessen, was ontisch der Fall sein kann, „a master continuum of the most abstract kind of potentiality“ (40); die Zweitheit zur Sphäre dessen, was konkret qua „limiting“, „contracting“ und „specializing“ von der vorgängigen Ur-Potenz faktisch realisiert wird; und die Drittheit wiederum zur Realisierung der als Zweitheit realisierten Aktualitäten als einem evolutionären Prozess.

So wie in der logischen Kategorienlehre die Drittheit als Relationierung der Zweitheit diese notwendigerweise zur Voraussetzung hat und die Zweitheit als Relationierung der Erstheit wiederum diese, beschreibt auch die ontologische Kategorienlehre kein Geschehen in sukzessiver Abfolge – alle drei Ebenen der Wirklichkeit sind ständig „tripresent in the evolutionary growth of the universe“ (62). Dies ist bedeutsam, weil so das Universum unmöglich als ein ab origine determiniertes, mechanisches Geschehen begriffen werden kann, das sich nach einem „single universal plan and toward an end that is the same as its origin“ (51) abspielt. Durch die unaufhebbare Kopplung der kosmischen Evolution an die primordiale Sphäre der Potenz als ein gegenüber der Realität irreduzibler Überschuss ist die Wirklichkeit ihrer eigenen Grammatik nach nicht „parabolic“, sondern „hyperbolic“, kreativ und schöpferisch, immer wieder zu Neuem fähig. Wie zuvor bei Emerson ist damit auch das Universum bei Peirce dank „infinite aesthetic ‚uberty‘“ (63) ein immanent transzendentalistisch-künstlerisches. Beide bieten eine Alternative zur aus dem neuzeitlichen Subjektivismus entstandenen „aesthetically deprived ontology“ (67), die das Ästhetische als Realität nur noch als epiphänomenalen Schein denken kann. Dabei wird ein weiterer Gegner des „ästhetischen Transzendentalismus“ Guardianos beiläufig deutlich – das „nach-metaphysische“ Zeitalter: „Metaphysical concerns seem to be unavoidable, and metaphysics arguably is a legitimate enterprise“ (xix).

In einem letzten, die innovative Leistung seines Unterfangens kennzeichnenden Schritt verbindet Guardiano die zuvor gewonnenen metaphysischen Elemente ausführlich mit den bildnerischen der Bewegung der US-amerikanischen Landschaftsmalerei rund um Künstler wie Thomas Cole, Asher Durand oder Martin Johnson Heade, deren formativ entscheidender Schaffenszeitraum leicht zeitversetzt zu dem der klassischen Transzendentalisten in die Jahre zwischen 1850 und dem Ende des Bürgerkriegs fällt. Das künstlerische Individuationsprinzip der Hudson River School und des Luminism („the latter being more a phase of than a movement distinct from the former“ [20]) besteht im „hyperrealism“ (23) der Darstellung natürlicher Szenerien und der in ihr vorkommenden Objekte. Dieser kennt keine der künstlerischen Veredlung unwürdigen Gegenstände und bildet seine Sujets so detailliert ab, dass zum Betrachten der Gemälde in Ausstellungen Operngläser ausgehändigt wurden und Mark Twain seine Erfahrung beim Schauen der Gemälde so beschrieb: „you seem to see nothing the second time which you saw the first“ (zitiert nach 90). Dennoch ist der Hyperrealismus nicht damit zu verwechseln, was eine Photographie (heutzutage) besser zustande bringt: die reine Reproduktion. Vielmehr ist ein (noch heute einzigartiger) Tiefenrealismus gemeint, der ein bestimmtes, objektives Sehen der „aesthetic richness“ kultiviert – ganz gemäß dem zuvor zitierten Auftrag, den Emerson an die „great artists and poets“ richtet: die übergangenen und unscheinbaren Objekte von der menschlichen Indifferenz zu emanzipieren. In der Darstellung einer jeden Einzelheit eines Berges, von Flüssen, Wasserfällen, Wäldern oder des Himmels beweisen die Maler für Guardiano so das Diktum von der Schönheit als Schöpferin der Natur und allem in ihr: „the highlighting of the aesthetic uniqueness and complexity of natural objects in their qualitative detail [is] thus effectively shining a sublime light upon things taken to be ordinary, low, ugly, and insignificant“ (27).

Asher Brown Durand, In the Woods
Asher Brown Durand, In the Woods (1855). Quelle: Wikimedia Commons

Es ist der Objektivismus, das Interesse an der Natur, das diese Künstler mit Emerson und Peirce teilen und das sie – analog zur Differenz beider zu Kants subjektivistischer Erkenntnistheorie – vom französischen Impressionismus und der Schule von Barbizon mit ihren subjektiven Überlagerungen trennt. Dies zeigt sich auch in der Technik, und zwar nicht nur im konsequenten Unkenntlichmachen des Pinselstrichs als sich zwischen Betrachterin und Natur stellendes Element. Wie zuvor für Emerson der ungetrübte Blick autoritativer Ausgangspunkt gewesen ist, so haben die Maler, zum Großteil Autodidakten, sich ihre Kunstfertigkeit auf Gängen durch die Natur angeeignet, unter Anfertigung endloser Skizzen und Katalogisierungen vor Ort: „Rather than confining themselves to city life and working within their studios, the landscapists were […] ‚hikers and climbers for whom painting was an athletic art.‘“ (21)

Mit Blick auf die Kritik am mechanistischen Materialismus als einem Gefängnis der an sich freien und spontanen Natur bei Emerson und Peirce wird für Guardiano die Naturmalerei der Hudson River School zu einer Propädeutik der Biologie, die ihrem Namen als Wissenschaft vom Lebendigen so unschuldig wie ernsthaft Rechnung trägt, indem sie durch detaillierte phänotypische Studien der Flora und Fauna diese holistisch in ihrer natürlichen Umgebung zeigt, lebendig innerhalb eines „genuine pluralism“, der sich als ein Beziehungsgeflecht von der bloß äußerlichen Addition eines „superficial pluralism“ unterscheidet (65). In den Worten Emersons (hinsichtlich der Ornithologie und ihrer ausgetopften Präparate, aber als pars pro toto zu verstehen): „The bird is not in its ounces and inches, but in its relations to nature“ (103). Und wiederum in der Terminologie der Kategorienlehre Peirces: Die Lebendigkeit der natürlichen Objekte wird bewahrt durch ihre Darstellung als ganzheitliche Szene (Drittheit) der Pluralität (Zweitheit) von Einzelheiten (Erstheit). Dies gilt ebenso für die dargestellten Menschen und ihre Artefakte, erscheinen sie doch zumeist „on a very small scale and even sometimes hidden within the landscape“ (104): einerseits als Reflexion des Primats der Natur über diese und andererseits als Reflexion der „continuity between the human and natural domains“ (107), der Ko-Naturalität des Menschen als in die Natur Eingemeindeter, in eine Natur als einem unendlichen Raum noch offener Möglichkeiten ihrer selbst. Letzteres zeichnet sich für Guardiano bildnerisch wiederum in den „great and unbounded spatial expances of land“ ab, die bewirken, „to contemplate the ever-moreness that lies beyond the immediate view“ (107).

Martin Johnson Heade, Thunder Storm on Narragansett Bay
Martin Johnson Heade, Thunder Storm on Narragansett Bay (1868). Quelle: Wikimedia Commons

Der durchweg positive Naturbezug insbesondere zur Wildnis ermöglicht es den Landschaftsmalern, eine genuin US-amerikanische Form des Sublimen zu entdecken und einzufangen. Anders als in der europäischen Tradition, wo die ungezähmte Natur mitunter als Pendant der qua Sündenfall korrumpierten menschlichen Natur als natura lapsa gewertet wurde und das Erhabene seit Edmund Burke dementsprechend vor allem mit „experiences of pain, fear, and horror“ (96) assoziiert wird, stellt sich die Naturerhabenheit, von der hier die Rede ist und die sich für Guardiano beispielhaft in Heades Bild Thunder Storm on Narragansett Bay manifestiert, gänzlich anders dar: als „sense of peace and tranquility, rather than fear and horror“ – denn „sublime nature is felt as beneficent and good, not harmful or terrible“ (96). Um den Grund hierfür zu verstehen, muss man den „American zeitgeist“ verstehen, „namely a concern for relating to nature in a direct, personal, yet caring way“ (113), der Guardiano zufolge wiederum nur verständlich wird, wenn man ihn als ideengeschichtlich geformt durch Transzendentalisten wie Emerson (und in späterer Kontinuität durch Pragmatisten wie Peirce) sowie deren Kritik des Dualismus von Mensch und Natur in ästhetisierender Absicht begreift – eine Kritik, die historisch fortgeführt zweifelsohne auch das Hauptanliegen des „ästhetischen Transzendentalismus“ bildet.

Was diesen darüber hinaus in notwendiger und hinreichender Definition ausmacht, sollte er sich in seinen Axiomen von den Metaphysiken von Emerson und Peirce überhaupt unterscheiden, bleibt unklar – eine systematische Konsolidierung steht aus. Sollte sich hingegen Guardianos philosophisches Projekt in völliger Deckungsgleichheit mit der Emerson-Peirce-Metaphysik befinden, so wäre vom Autor in einer zwar nicht historisch, aber philosophisch entscheidenden Hinsicht mehr Mut zu erwarten: in der Wahrheitsfrage. Ist diese spiritualistisch-ästhetische Metaphysik wahr? Zwar spricht der Autor mehrfach in Bezug auf einzelne Probleme von ihrer „theoretical excellence“ (50) und damit von ihr als „a valid philosophical theory“ (37, Hervorhebung G.K.T.), doch solch relative Adelungen sind selbst aufsummiert noch kein hinreichendes Substitut für eine Antwort auf die Wahrheitsfrage, wie der unbestimmte Artikel im vorgängigen Zitat bereits offen einzugestehen scheint. Möglicherweise ist das Ausbleiben einer Antwort kein Zufall, denn hinsichtlich der Wahrheit kann durchaus ein skeptischer Einwand geltend gemacht werden: Kann man heute, jenseits der skizzierten historischen Erfahrung der Naturlandschaften in der Situation der durch religiöse Subventionierung emotional überhöhten Eroberung der US-amerikanischen Weite, ernsthaft von der uneingeschränkten Schönheit und Güte der Natur sprechen? Hat dieser emphatische Naturbezug noch irgendetwas von einer „living option“ (William James), die angesichts massenmedialer Dauerabrufbarkeit des Bösen auf Erden, im Alltag des 21. Jahrhunderts, der Massenmenschhaltung in Zeiten globaler Urbanisierung, kurz vor der irreversiblen posthumanistischen Staffelübergabe an eine Technokratie noch authentisch vollzogen und gelebt werden kann?

Darüber hinaus könnten zahlreiche weitere, regionalere Fragen gestellt werden: Kann beispielsweise tatsächlich derart problemlos eine Homologie zwischen dem feierlichen Ästhetik-Begriff bei Emerson und dem klassizistischen, auf harmonische Gesetzmäßigkeit abzielenden bei Peirce behauptet werden? Schließlich problematisiert letzterer die Ästhetik seiner Zeit als „handicapped by the definition of it as the theory of beauty“ (Peirce 1932: 199). Ist der Objektivismus, der in Emersons Philosophie (und in fallibilistisch abgeschwächter Form auch bei Peirce) ausgemacht wird, nicht lediglich ein, im wahrsten Sinne des Wortes, oberflächlicher Objektivismus, einer der „dominance of the foreground“ (George Santayana) und damit faktisch ein nach außen gekehrter Subjektivismus? Nachdem via heuristischem Vehikel der „ordinary experience“ schlicht jeder menschliche Aspekt naturalisiert und die Natur damit unter der Hand in Gänze anthropomorphisiert wurde, ist es nur erwartbar, in ihr „objektiv“ allein menschliche Äquivalenzen zu finden. Und hat nicht der „Critical Realism“ der 1920er Jahre an einem dritten Weg gearbeitet, jenseits des kantischen Agnostizismus sowie des hier vertretenen naiven Realismus, sodass der diesen in der Zeit überspringende und damit dogmatische Rückgang auf Emerson mindestens begründungsbedürftig ist? Mit dem letztgenanntem Problem hängt ein weiteres zusammen: Gänzlich unklar ist die Rolle des Künstlichen, von dem Guardiano überraschenderweise – ist es doch der Gegensatz zur Natur und daher für eine befriedigende Begriffsverständigung unverzichtbar – nirgendwo spricht. Wenn es für den „ästhetischen Transzendentalismus“ Künstliches innerhalb der Natur gibt, die doch alles mitumfasst, wie ist dieses zu konzeptualisieren? Sollte es hingegen Künstliches gar nicht geben, so bricht die theoretische Architektonik zusammen, da dann nichts nicht in derselben Weise natürlich ist: Nicht nur, dass damit jegliche Kunstform, selbst die abstrakteste, anschauungsfernste Konzeptkunst nicht weniger als die US-amerikanische Landschaftsmalerei zur Natur darstellenden wie erzeugenden wird. Auch von einer Verstellung der Natur durch Technik oder durch einen philosophischen wie künstlerischen Subjektivismus könnte dann bloß noch in Form von dialektischem Nonsens die Rede sein: Natur verstellt Natur.

Doch all dies soll dem Autor keineswegs zum Vorwurf gereichen, ist das Projekt seines „ästhetischen Transzendentalismus“, so wie er es präsentiert, doch ein „work in progress“ und damit weiterhin offen. Eine Fortsetzung dieser Verknüpfung von Philosophie und Kunst bleibt zu wünschen – mindestens als Gedankenspiel, als private Passion und Nostalgie einer vergangenen Lebensform. Denn auch wenn der Autor hier wohl vehement Einspruch erheben würde: Gerade in der unrettbaren Aus-der-Zeit-Gefallenheit liegt der ästhetische Reiz.

Literatur

Peirce, Charles S. The Collected Papers of Charles Sanders Peirce, Vol. II: Elements of Logic. Hrsg. von C. Hartshorne und P. Weiss. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1932.

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