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Hölzing, Philipp: Republikanismus. Geschichte und Theorie. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2014. 141 Seiten. [978-3-515-10719-8]

Rezensiert von Tobias Heinze (Goethe-Universität Frankfurt/Main)

Nach seiner Dissertationsschrift Republikanismus und Kosmopolitismus. Eine ideengeschichtliche Studie (Hölzing 2011) hat Philipp Hölzing eine weitere Monografie zum Themenkomplex des Republikanismus vorgelegt. Der Band verfolgt nach eigener Auskunft das Ziel, „einen ersten Einblick in die Ideengeschichte und Theorie des Republikanismus [zu] gewähr[en] und den Leser zu weiteren Fragen und Forschungen“ (10) anzuregen. Obwohl der Text nicht explizit als Einführung ausgewiesen ist, soll dies hier so gedeutet werden, dass es die Absicht war, einen einführenden Text in (ideen)geschichtliche und theoretische Debatten um den Begriff des Republikanismus zu schreiben. Ich werde zuerst in zwei Schritten die allgemeine Einführung (1) sowie die Vorstellung ideengeschichtlicher Positionen (2) aufgreifen und sie an diesem Anspruch des Textes messen. Abschließend werde ich die eigene Theoriebildung Hölzings betrachten (3) und in einem Resümee Stärken und blinde Flecken des Textes aufzeigen (4).

1. Republikanismus in der Politischen Theorie und Ideengeschichte (13–30)

Einführungen in ideengeschichtlich wie theoretisch relevante Paradigmen stehen vor der Herausforderung, das Verhältnis zwischen politischer Theorie als Ausformulierung von Vorstellungen über das Sein und Sollen der Gemeinschaft, die adäquate Beschreibung derselben und die historischen Kontextualisierung dieser Theorien zu bestimmen. Hölzing geht den Weg von der Ideengeschichte zur Theorie und beginnt seine Einführung mit einer kurzen Rekonstruktion der Debatten über die ideengeschichtliche Methodik der Cambridge School. John G. A. Pococks Identifikation paradigmatischer Sprachen kontrastiert er mit Quentin Skinners Anschluss an die Sprechakttheorie als stärker kontextualistisch ausgerichteter Methode (14). Dabei verweist Hölzing auch auf die für Debatten über den Republikanismus relevante Opposition zwischen der Zuordnung republikanischen Denkens zu einer athenisch-aristotelisch geprägten Tradition bei Pocock und der Betonung der Relevanz einer neorömischen Tradition bei Skinner. Als relevant wird diese Unterscheidung für die Einordnung von Partizipation als intrinsischen Wert (im Rahmen der athenischen Tradition) bzw. von Unabhängigkeit als zentralen Charakteristikum republikanischer Freiheit (im Anschluss an die neorömische Tradition) ausgewiesen (16).

Dass sich diese Leitdifferenz nicht nur in der Ideengeschichte, sondern auch in der politischen Theorie des Republikanismus wiederfinden lässt, weist Hölzing in einem zweiten Unterkapitel zur republikanischen politischen Theorie nach. Als Alternative zur Begründung liberaler Prinzipien bei Rawls und dem kommunitaristischen Diskurs konnte, so Hölzings Rekonstruktion, gegen Ende des 20. Jahrhunderts vor allem der durch Skinner und Philip Pettit geprägte neorömische Diskurs einer neuen Rezeptionsdynamik republikanischen Denkens Vorschub leisten. Der Begriff der Freiheit als non-domination wird als zentrale Theorieinnovation dieses Ansatzes eingeführt (20). Dass gute Institutionen auch in die Freiheit der Bürger_innen eingreifen können, solange der Eingriff nicht willkürlich ist, ist die zentrale Implikation dieses Freiheitsbegriffs. Da Pettits non-domination Freiheit letztlich im Gegensatz zum Liberalismus als „kontingentes Faktum behandele“ (23), so Hölzing, verstehe er diesen Begriff von Freiheit im Anschluss an das im neorömischen Republikanismus entwickelte Freiheitsverständnis als emanzipatorisch – Situationen der Nicht-Beherrschung müssen erkämpft und erhalten werden.

Hölzing schließt die allgemeine Einführung mit der Benennung einiger aktueller Kontroversen. Neben einer Problematisierung der Tendenz ideengeschichtlicher Forschung zur vorschnellen Klassifikation (25) und einer Vorstellung der Machiavelli-Interpretation John McCormicks (25f.) bezieht sich Hölzing hier vor allem auf eher schwach rezipierte Stränge republikanischen Denkens. Dazu zählt er die jüdisch-christliche Tradition, den niederländischen und den französischen Republikanismus, vor allem aber die deutsche Rezeption der französischen Revolution nach 1789 (27). Auf die Diskussion über die Tauglichkeit des Republikanismus als Theorie internationaler Politik verweist er nur kurz (29f.), da er auf sie zum Abschluss des Buches erneut eingeht.

2. Republikanische Ideengeschichte (33–120)

Im Anschluss an die kurze Exposition des thematischen Rahmens wendet sich Hölzing der Geschichte des Republikanismus zu. Das ideengeschichtliche Kapitel besteht aus einer Rekonstruktion von acht Autoren: Cicero, Machiavelli, Harrington, Rousseau, Madison, Kant, Forster und Schlegel. Hölzing führt zu Beginn des Cicero-Kapitels die Unterscheidung zwischen einem bürger- und einem institutionenorientierten Republikanismus ein (34) mit der er im Folgenden arbeitet. Machiavelli weist er als Denker einer Sattelzeit aus. Damit ergänzt er die Klassifikation der Positionen um eine temporale Unterscheidung zwischen antikem Republikanismus, Sattelzeit und modernem Republikanismus (50).

Mit der Auswahl Forsters und Schlegels verweist Hölzing auf die eher zurückhaltende Rezeption des politischen Diskurses im Deutschen Reich zum Ende des 18. Jahrhunderts (103). Bei beiden findet er die Entfaltung eines „theoretisch innovative[n] und zunehmend radikale[n] kosmopolitische[n] Republikanismus, den die atlantische republikanische Tradition in dieser Form nicht kennt“ (103). Den Republikanismus der Frühromantik weist Hölzing so als eine Fortführung und Radikalisierung kantischer Motive aus.

Wie zu Beginn des Buches belegt, handelt es sich bei den Unterkapiteln zu den ideengeschichtlichen Positionen um Überarbeitungen von andernorts publizierten Artikeln bzw. Dissertationskapiteln (im Gegensatz dazu sind das erste und dritte Kapitel des hier vorgestellten Buches neu erstellte Abschnitte). Auch diesem Umstand dürfte es geschuldet sein, dass die einzelnen Abschnitte zur Ideengeschichte keinem stringent einheitlichen Muster folgen. So irritiert beispielsweise die gut zehnseitige Rekonstruktion der Biographie Georg Forsters inmitten einer Reihe von eher theoretisch angelegten Einführungen. Auch ist die Verarbeitung von Sekundärliteratur in den aus der Dissertation übernommenen Abschnitten zu Harrington, Rousseau und Madison zurückhaltender als in den aufgenommenen Journalpublikationen. Insgesamt wirkt der ideengeschichtliche Teil des Buches daher trotz der für den Vergleich der Positionen dienlichen Benennung von zur Klassifikation hilfreichen Aspekten (und der eigenen Nutzung dieser) etwas bruchstückhaft.

Mehr noch als der manchmal fragmentarische Charakter des Textes verwundert aber die Auswahl der Positionen. Es liegt in der Natur einer Einführung, dass sie notwendig selektiv ist. Dennoch ist es bedauerlich, dass sich in dem Band keine Rekonstruktion der im Rahmen des republikanischen Paradigmas diskutierten Position Hannah Arendts findet, trotz ihrer Relevanz im deutschsprachigen Diskurs (Thiel 2012; Volk 2013). Der einzige Verweis auf den an Arendt anknüpfenden Theoriestrang findet sich in seiner Einordnung als Populismus durch Pettit, verstanden als die Deutung politischer Partizipation als intrinsisch wertvolle Praxis (20). Ebenfalls ausgelassen ist der französischsprachige Diskurs des 20. Jahrhunderts, trotz seines Potentials für die Erneuerung republikanischen Denkens angesichts der Globalisierung des Politischen (Schulz 2015). Zudem scheint die Einordnung der Federalists, nicht aber der Anti-Federalists, als Republikaner begründungsbedürftig. Dass der in der Debatte über den Verfassungsentwurf eines US-amerikanischen Gemeinwesens Ende des achtzehnten Jahrhunderts als Gegenmodell zur Monarchie positiv besetzte Begriff der Republik durch beide Parteien für sich beansprucht wurde, lässt zumindest vermuten, dass die Bezeichnung einer der beiden Positionen als republikanisch inhaltlich gerechtfertigt werden muss. Dies aber unterlässt Hölzing. So übergeht er eine Rekonstruktion der Gegensätze zwischen beiden Positionen und blendet damit aus, dass die relativ problemlose Ausweitung der US-amerikanischen Institutionenordnung auf ein durch Kolonialisierung wachsendes Gemeinwesen durch den liberalen Charakter der Priorisierung von Eigentum und Sicherheit bei den Federalists ermöglicht wurde. Daher kann argumentiert werden, dass sich Theoreme republikanischen Denkens, so z.B. eine Priorisierung des Gemeinwohls, eher bei den Anti-Federalists finden lassen (Zehnpfennig 2010).

3. Republikanische Theorie (123–135)

Das abschließende Kapitel zur republikanischen Theorie leitet Hölzing mit einem Abschnitt zum Begriff republikanischer Freiheit ein. Dabei nutzt er die zuvor geleistete Rekonstruktion der ideengeschichtlichen Positionen, um die eingangs eingeführte Debatte über den Begriff republikanischer Freiheit als non-domination und die Unterscheidung zwischen positiver und negativer Freiheit erneut aufzugreifen und zu kontextualisieren. Dabei bezweifelt Hölzing sowohl die Dienlichkeit der vereinfachten Unterscheidung eines positiven, republikanischen und eines negativen, liberalen Freiheitsbegriffs als auch die in Gegenposition dazu von Gerald MacCallum entwickelte Ansicht, Freiheit ließe sich als ‚X ist frei von Y, um Z zu tun’ verstehen. Vielmehr, so Hölzing mit Verweis auf die von ihm rekonstruierten Autoren, kann der republikanische Freiheitsbegriff als „X ist frei Z zu tun und dadurch frei von Y“ (128) verstanden werden. So werde es sowohl möglich, positive wie negative Dimensionen des Begriffs zusammenzuführen, als auch Partizipation und Kontestation einerseits sowie Institutionen und Machtverhältnisse andererseits auf ihr Freiheitspotential hin zu befragen. Dieser Freiheitsbegriff ist nach Hölzing in jeder der republikanischen Positionen, die er in dem Band vorgestellt hat, erkennbar, da er zur institutionellen Bewahrung der Freiheit als notwendig erachtet wird und normativer Fluchtpunkt der vorgestellten Positionen ist. Ein weiterer Vorzug sei zudem, dass er nicht auf die nationale Ordnung beschränkt ist (128).

Hölzing schließt das Buch mit einer Diskussion des kosmopolitischen Potentials des Republikanismus. Für die Deutung des Republikanismus als ein auf den Kosmopolitismus angelegtes Denken kann Hölzing (vgl. Hölzing 2011) bereits im ideengeschichtlichen Abschnitt Hinweise liefern, so z.B. bei Madison (88), Forster (110–111) und bei Schlegel (117–120). Ob dies aber auch in der theoretischen Debatte zu überzeugen vermag, kann mit Verweis auf die von Hölzing selber als Grundlage der Rekonstruktion der aktuellen Diskussion über den Republikanismus gewählte Debatte über den Begriff republikanischer Freiheit als non-domination bezweifelt werden.

Basierend auf Daniel Deudnys Rekonstruktion einer republikanischen Theorie internationaler Sicherheit verweist Hölzing darauf, dass Madisons Modell einer föderalen Republik als „normativ anspruchsvolle und zugleich institutionell konkrete“ (135) Theorie einer globalen Föderation von Republiken dienen kann. Damit sollen Beherrschungsverhältnisse zwischen den einzelnen Staaten eingehegt werden können. Dass dieses Modell einer Ordnung von Ordnungen gerade dann aber beherrschend werden kann, wenn die „Beendigung oder Modifikation nochmals von einem Konsens unter den Zusammenhängen abhängig“ ist (Niederberger 2009: 436), wird mit dem von Hölzing als positiver Maßstab in der Debatte über den kosmopolitischen Republikanismus bewerteten Argument Deudnys nicht ausreichend berücksichtigt. So beschreiben andere Autoren sowohl im Anschluss an die Debatte über Freiheit als non-domination (Niederberger 2009) als auch in der Lektüre dieser Theorie zusammen mit dem Diskurs des (pluralistischen) Republikanismus (Volk/Junk 2013: 51) die globale politische Ordnung eher als heterarchische, denn als hierarchische. Es ist fragwürdig, ob und inwiefern es überhaupt aus republikanischer Perspektive im Sinne einer Dezentralität der Macht und der politischen Form der Mischverfassung wünschenswert ist, dass die globale Politik im Sinne einer Republikenrepublik restrukturiert wird. Dass gerade hier ein Brennpunkt der wissenschaftlichen Debatte besteht, wird von Hölzing nicht expliziert – im Gegenteil: Deudnys Argument stellt den Abschluss der Einführung dar. Auch befragt Hölzing diesen Entwurf nicht mehr mit dem von ihm zuvor als für den Republikanismus generell gültig erachteten Freiheitsverständnis.

4. Resümee

Der Band gewährt einen Einblick in die verschiedenen Orte, an denen Theorien und Theoreme republikanischen Denkens in Forschungsdiskursen relevant sind. Dabei wird verständlich, dass der Republikanismus mehr ist als nur ein statisches ideengeschichtliches Inventar für die Kritik gegenwärtiger politischer Entwicklungen. Zu diesem Eindruck trägt die eigene Theoriebildung Hölzings (128) ebenso bei, wie der Verweis auf die Möglichkeit einer nachholenden Rezeption des republikanischen Diskurses des Deutschen Reiches gegen Ende des 18. Jahrhunderts (103). Dass der Republikanismus heute auch (und vielleicht gerade: wieder) work in progress ist, wird also hinreichend deutlich. Misst man den Beitrag jedoch an dem einführenden Charakter des Textes, lassen sich Bruchstellen ausmachen. Gerade für Leser_innen mit Interesse an Einführungen, zumal denjenigen mit eher politikwissenschaftlichem, müsste der philosophische Hintergrund, beispielsweise die Hinweise auf „peripatetische und stoische Elemente in Ciceros Republikanismus“ (35) oder auf die „auf eigentümliche Weise mit dem aristotelischen Hylemorphismus“ (67) verbundene platonische Körperanalogie in Harringtons Schriften, ausführlicher und vor allem in seiner systematischen Relevanz erklärt werden. In editorischer Hinsicht sei zudem angemerkt, dass die Einordnung des Bandes in die Reihe „Grundlagen der Rechtsphilosophie“ sich nicht explizit im Text niederschlägt. Weder bietet der Text regelmäßige Verweise auf Schnittstellen von Republikanismus und rechtsphilosophischer Debatte, noch werden in allen ideengeschichtlichen Unterkapiteln rechtsphilosophische Positionen der vorgestellten Autoren expliziert.

Die in dieser Rezension aufgezeigten Lücken des Textes lassen aber keinen Rückschluss auf die Rekonstruktion der ausgewählten Diskurse zu. Die Debatte um einen republikanischen Begriff der Freiheit als non-domination wird konzise und verständlich herausgestellt und als sinnvolle Überleitung für eine Diskussion des Republikanismus außerhalb nationalstaatlich konstitutionalisierter Gemeinwesen nutzbar gemacht. Die in dem Band entwickelte Position kann daher im Diskurs über Demokratie und Republikanismus außerhalb nationalstaatlicher Ordnungen zur Verdeutlichung der jeweiligen Position anderer Autor_innen herangezogen und fruchtbar gemacht werden – auch, wenn man sich ihr aus den oben angegebenen Gründen nicht anschließen muss. Insgesamt bleibt dennoch der Eindruck, dass Anspruch und Wirklichkeit nicht so richtig zueinander finden wollen: Für eine Einführung bleibt der Text zu selektiv und verzichtet zudem auf eine Ausweisung derjenigen Stellen, an denen Diskurse nur partiell wiedergegeben werden. Für einen Beitrag dagegen, der sich an ein Publikum mit Forschungsinteresse richtet, fehlt dem Band zuweilen die nötige Tiefe dort, wo eigene Positionen entwickelt werden.

Literatur

Hölzing, Philipp. Republikanismus und Kosmopolitismus. Eine ideengeschichtliche Studie. Frankfurt am Main/New York: Campus, 2011.

Niederberger, Andreas. Demokratie unter Bedingungen der Weltgesellschaft? Normative Grundlagen legitimer Herrschaft in einer globalen politischen Ordnung. Berlin/New York: de Gruyter, 2009.

Schulz, Daniel. Die Krise des Republikanismus. Baden-Baden: Nomos, 2015.

Thiel, Thorsten. Republikanismus und die Europäische Union. Eine Neubestimmung des Diskurses um die Legitimität europäischen Regierens. Baden-Baden: Nomos, 2012.

Volk, Christian/Junk, Julian. „Herrschaft in der internationalen Politik. Widerstand zwischen Entpolitisierung und Radikalisierung.“ In Macht und Widerstand in der globalen Politik, hg. von Christian Volk und Julian Junk, 49–69. Baden-Baden: Nomos, 2013.

Volk, Christian. „Zwischen Entpolitisierung und Radikalisierung. Zur Theorie von Demokratie und Politik in Zeiten des Widerstands.“ Politische Vierteljahresschrift 54.1 (2013), 75–110.

Zehnpfennig, Barbara. „Liberaler Republikanismus? Das politische Konzept der Federalists.“ In Die hybride Republik. Die Federalist Papers und die politische Moderne, hg. von Roland Lhotta, 81–97. Baden-Baden: Nomos, 2010.

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