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Ikäheimo, Heikki: Anerkennung. Berlin/Boston: Walter de Gruyter 2014. 223 Seiten. [978–3–11–025412–9]

Rezensiert von Tim Rojek (Universität Duisburg-Essen)

I

Das Thema des vorliegenden Buches steht nun schon seit einigen Jahrzehnten als kontroverses und viel diskutiertes Thema auf der Agenda der Sozialphilosophie. Daran, dass es sich bei „Anerkennung“ um ein bereits im Alltag gegenwärtiges und relevantes Phänomen handelt, das nicht nur für die Sozialphilosophie, sondern auch für die Ethik und die Philosophie der Person einen relevanten Gegenstand bildet und bilden sollte, lässt der Autor des Buches keinen Zweifel:

Jeder, der dieses Buch liest, weiß aus persönlicher Erfahrung, wie gut es sich anfühlen kann, von Anderen anerkannt zu werden und wie schmerzhaft es sein kann, wenn eine angemessene Form von Anerkennung ausbleibt – dies ist unabhängig davon, ob er jemals explizit über diese Sachverhalte nachgedacht hat oder nicht. (1)

Ikäheimo ist der Ansicht, dass „das volle Potential des Begriffs bzw. der Begriffe von Anerkennung […] bisher nicht vollständig ausgeschöpft wurde“ (5). Er verfolgt in seinem Buch dabei nicht das Ziel, „die umfassende Synthese“ (5) der bisherigen Debatte in systematischer Absicht vorzulegen, sondern das bescheidenere Ziel, „Klarheit und ein gewisses Maß an systematischer Einheitlichkeit in die verschiedenen Debatten um Anerkennung zu bringen und so vielleicht Anderen dabei zu helfen, sich einer solchen Synthese anzunähern“ (5).

Ikäheimo widmet sich dieser letzteren Aufgabe nach der Einleitung in sechs Kapiteln. Eingerahmt werden die Rekonstruktionen von fünf zentralen Beiträgen zur Anerkennungsdebatte von zwei rein systematisch gehaltenen Kapiteln, in denen Ikäheimo terminologische Differenzierungen anbietet, die dabei helfen sollen, die besprochenen Beiträge in ihren Stärken und Schwächen sowie ihrem spezifischen Zuschnitt auf das Phänomen der Anerkennung besser beurteilen zu können. Im letzten Kapitel skizziert er ein systematisches Anschlussprogramm.

II

Da die Anerkennungsdebatte zahlreiche auf Deutsch schreibende Autorinnen und Autoren umfasst, die Diskussion aber bereits seit längerem international und d.h. im Wesentlichen auf Englisch geführt wird, beginnt Ikäheimo seine begriffliche Differenzierungsarbeit im zweiten Kapitel mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Semantik des deutschen Ausdrucks „Anerkennung“ und seines englischen Pendants „recognition“ (7–10). Er identifiziert dabei drei für das Englische zentrale Bedeutungsfelder: Erstens wird „recognition“ im Sinne von etwas identifizieren bzw. etwas erkennen verwendet. In diesem Sinne der Identifikation kann sich „recognition“ „im Prinzip auf jedes mögliche Objekt beziehen […] – Personen, materielle Dinge wie auch auf abstrakte Entitäten“ (8). Zweitens kann „recognition“ synonym mit den deutschen Ausdrücken „akzeptieren“ oder „zugestehen“ gebraucht werden. Dieser zweite Sinn ist enger als der erste und bezieht sich auf „evaluative und normative Entitäten“ (9). In diesem Sinne können wir z.B. Werte, Normen, Verantwortlichkeiten, Sünden oder Regeln anerkennen. Schließlich kann sich „recognition“ drittens in noch engerer Verwendung spezifisch „auf Personen“ (9) beziehen.

Der deutsche Ausdruck „Anerkennung“ decke sich zwar mit dem zweiten und dritten, nicht jedoch ohne Weiteres mit dem ersten Bedeutungsfeld. Beachte man allerdings die Kontexte, in denen der deutsche Ausdruck Verwendung findet, so erkenne man, dass dieser zumindest indirekt auch den Aspekt der Identifikation aufweise, nämlich in allen den Fällen, in denen wir verlangen, dass jemand etwas als normativ relevant identifizieren sollte.

Nach diesen Ausführungen zur Semantik gesteht Ikäheimo sogleich zu, dass diese „ihre Offensichtlichkeit“ (10) verlören, sobald man die Phänomene klarer zu explizieren suche, da die einzelnen Bedeutungsfelder untereinander verknüpft seien. Die Auseinanderlegung der Semantiken mache jedoch deutlich, dass der Fokus der philosophischen Anerkennungsdebatte auf dem dritten Bedeutungsfeld liege. Sekundär werde die Anerkennung von Personen in der Debatte dann häufig mit der Anerkennung von Institutionen verbunden.

Ikäheimo weist darauf hin, dass bezüglich der Anerkennungsrelation, die zwischen Personen bzw. zwischen einer Person und einer potentiellen Person bestehe, in der Literatur häufig nicht klar differenziert wird, ob „Anerkennung“ gegenüber Personen nur auf eine bestimmte Weise zum Ausdruck gebracht werden kann oder ob es sich bei „Anerkennung“ vielmehr um einen Gattungsbegriff handelt, der mannigfaltige Arten bezeichnet. Terminologisch fasst Ikäheimo diese beiden Varianten als „eindimensionale“ und „multidimensionale“ Konzeption.

Nach dieser wichtigen terminologischen Innovation differenziert er zwischen zwei Perspektiven, die man auf die Anerkennungsrelation einnehmen kann. Man könne sich zum einen auf die „Einstellungen“ (11) konzentrieren, die Personen zueinander einnehmen, zum anderen könne man die „wechselseitig aufeinander bezogenen Handlungen der [...] Personen“ (ebd.) fokussieren.

Bezüglich der Einstellungen (Kapitel 2.3) lassen sich vier Arten unterscheiden, die zwei Personen zueinander einnehmen können. Die Ausführungen beschränken sich dabei primär auf den einfachen Fall zweier Individuen (d.h. keine Kollektive), die beide bereits Personen sind, und fördert von diesem Fall einer „Dyade“ (12) ausgehend die folgenden vier Einstellungsarten zutage: (a) Einstellungen, (b) komplexe Gefüge von Einstellungen und anderen psychischen Zuständen, (c) konkrete interpersonale Relationen, (d) soziale und institutionelle Kontexte bzw. Sphären (vgl. 11–14). Diese Vorschläge Ikäheimos erlauben eine differenzierte Behandlung von Anerkennungsrelationen und stellen für die weitere Debatte eine Bereicherung dar, weil nun terminologisch klarer fixiert werden kann, welche Art der Anerkennung bei den verschiedenen Diskursteilnehmerinnen und -teilnehmern jeweils von Interesse ist. Seine Unterscheidungsvorschläge weiß Ikäheimo auch für die Darstellung der verschiedenen Positionen zu nutzen.

In Kapitel 2.4 erörtert Ikäheimo die Zusammenhänge zwischen Handlungen (sowie Unterlassungen), mit denen wir unsere Anerkennung zum Ausdruck bringen. Der Autor vertritt die These, dass wir das Phänomen der Anerkennung nicht auf eine spezifische Menge von Handlungstypen beschränken sollten. Unsere Anerkennung anderer Personen kann auf vielfältige Weise zum Ausdruck kommen und in unserem Handeln mit und gegenüber anderen Personen in ganz verschiedene Handlungen eingehen. Ikäheimos überzeugende Ausführungen sind hier als ein Plädoyer zu verstehen, das Phänomen der Anerkennung in seiner ganzen Subtilität zu erfassen und es terminologisch nicht ohne Not zu beschneiden.

Im Folgenden geht Ikäheimo der Frage nach, wie sich das Verhältnis der Anerkennung anderer Personen näher fassen lässt. Er schlägt vor, zwischen einer responsiven und einer konstitutiven Relation zu unterscheiden. Unter Responsivität versteht Ikäheimo, dass ein Objekt bzw. ein Aspekt eines Objektes Anerkennung hervorruft. Unter Konstitutivität fällt hingegen, dass die Anerkennung für das Objekt oder einen Aspekt des Objekt eine „‚generierende‘ Funktion“ (19) hat, also zum Personsein des Objekts selbst einen Beitrag leistet.

Personen können zudem auf zwei verschiedene Weisen anerkannt werden: zum einen aufgrund ihrer psychologischen Konstitution, zum anderen aufgrund ihres Status. Mit der psychologischen Konstitutionsthese greift Ikäheimo die Debatte um diejenigen Eigenschaften auf, die ein Objekt zu einer Person machen (z.B. Selbstbewusstsein). Die zweite These greift hingegen die Intuition auf, dass wir ein Objekt als Person anerkennen, wenn ihm ein bestimmter Status zukommt. Diese beiden Thesen darüber, wann jemand eine Person ist und darum anerkannt wird, lassen sich zudem mit einer weiteren Unterscheidungen kombinieren: Kausal ist die Beziehung dann, wenn die Eigenschaften der Person erklären, warum durch sie Anerkennung hervorgebracht wird. Normativ ist sie hingegen, wenn die Verfasstheit der Person aufgrund ihrer Charaktereigenschaften kritisierbar ist.

Die beiden Thesen darüber, was Personen ausmacht, sowie die Unterscheidung zwischen kausalen und normativen Relationen verknüpft Ikäheimo im Folgenden zum einen mit der Responsivität und zum anderen mit der Konstitutivitätsvariante. Daraus ergeben sich je vier Varianten der responsiven sowie der konstitutiven Anerkennung. Für die konstitutive Anerkennung ergeben sich sogar acht Fälle, da sie je nach Modell nicht nur für die Erzeugung spezifischer Eigenschaften des Personseins auf Seiten der Adressatin der Anerkennung relevant sein kann, sondern auch für diejenige Person, von der die Anerkennung ausgeht. Ikäheimo kommt auf diese Unterscheidungen im weiteren Verlauf zurück, um die diskutierten Theorien mit diesem Unterscheidungsraster ordnen zu können.

Ikäheimo beendet seine Vorschläge mit dem Hinweis, dass die These, bestimmte Anerkennungsrelationen seien konstitutiv für den Adressaten der Anerkennung, zwei Lesarten zulässt. Erstens kann es sich um Eigenschaften handeln, die die Personen, die anerkannt werden, überhaupt erst zu Personen machen. Es handelt sich dann um wesentliche Eigenschaften, ohne die das Objekt der Anerkennung nicht das wäre, was es ist. Man kann diese Relationen aber zweitens auch im akzidentellen Sinne auffassen; in diesem Fall handelt es sich um Eigenschaften, die unwesentlich sind und denen darum keine Personsein-stiftende Bedeutung zukommt. Die moderne Anerkennungsdebatte ist gerade an solchen akzidentellen Anerkennungsrelationen interessiert. Diese erhalten ihre Relevanz dann im Rahmen unterschiedlicher kultureller Identitäten, deren Anerkennung eingefordert wird. Solche Identitäten aber können aberkannt werden, ohne in Frage zu stellen, dass es sich beim Gegenüber überhaupt um eine Person handelt.

Das dritte Kapitel bietet in Form einer „Fallstudie“ (29) den Versuch einer „rationalen Rekonstruktion“ (52) von Fichtes Anerkennungstheorie. Ikäheimo beschränkt sich dabei auf dessen Grundlage des Naturrechts. Dass der Auseinandersetzung mit Fichte ein eigenes Kapitel gewidmet ist, ist vor dem Hintergrund der Debatte erfreulich, da diese bisher ihre größte Inspiration aus der Auseinandersetzung mit Hegel gewinnt. Demgegenüber ist Fichte, obwohl die philosophische Erfassung des Phänomens der Anerkennung maßgeblich auf ihn zurückgeht, bisher keine zentrale Bezugsgröße gewesen. Die Aufarbeitung der Position Fichtes ist klar geschrieben und keineswegs nur für gestandene Fichte-Forscher_innen verständlich.

Sachlich stellt Ikäheimo fest, dass Fichte – bei aller Originalität oder gerade wegen dieser – den Begriff der Anerkennung als philosophische Ressource bereits mit zahlreichen „Ambiguitäten“ (40) belastet, die auch bei späteren Autor_innen immer wieder festzustellen sind. So orientiert sich Fichte in seiner Darstellung der Anerkennung auf zwei Fälle, die allerdings terminologisch nicht klar voneinander geschieden werden. Einerseits geht es ihm darum, die Frage zu klären, was eine potentielle Person zur Person macht, und er schlägt vor, dass die Anerkennung in diesem Kontext eine entscheidende Rolle zu spielen habe. Andererseits soll die Anerkennung aber nicht nur solche asymmetrischen Fälle wie den zwischen Mutter und Kind abdecken, sondern auch diejenigen normativen Bedingungen stiften, die es Personen erlauben, sich wechselseitig eine Freiheitssphäre zuzuschreiben, in die andere Personen nicht intervenieren dürfen. Beide Projekte stehen jedoch letztlich in einer unaufgelösten Spannung zueinander, da unklar bleibt, wie sich die Erziehung von potentiellen Personen zu Personen und die starken Autonomieforderungen Fichtes in Fällen symmetrischer Anerkennung miteinander in Einklang bringen lassen.

Die Auseinandersetzung mit Hegel im vierten Kapitel konzentriert sich, anders als ein Großteil der Literatur, nicht auf den frühen Hegel der Jenaer Periode und das berühmte Anerkennungskapitel in der Phänomenologie des Geistes (1807), sondern auf die späte Fassung der Anerkennungslehre in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1830). Der Vorteil dieses Zugriffs besteht darin, dass den Leser_innen die hegelsche Anerkennungstheorie mit Hilfe eines Teilstücks präsentiert wird, das in der Forschung bisher weniger Beachtung gefunden hat und insofern einen eigenständigen systematischen Beitrag bietet. Außerdem sieht Ikäheimo den Vorzug der späteren Fassung darin, dass diese nicht mit den spezifischen Beweiszielen belastet ist, die Hegel in seiner Phänomenologie verfolgt. Bedauerlich ist Ikäheimos Entscheidung aber insofern, als auf diese Weise gerade diejenigen Ausführungen Hegels in den Hintergrund treten, die für die moderne Debatte entscheidend sind.

Gegenüber Fichtes Anerkennungstheorie hebt der Autor bei seiner Rekonstruktion insbesondere zwei Differenzen hervor: Erstens deutet Hegel das Anerkennungsverhältnis anders als Fichte als ein konfliktbesetztes und zweitens vertritt Hegel die Auffassung, dass das Anerkennungsverhältnis nicht nur für die Personalität stiftenden Eigenschaften des Adressaten der Anerkennung relevant ist, sondern auch für den Anerkennenden. Damit kann Hegel den Regressproblemen Fichtes entgehen, der in seinem Ansatz letztlich nicht klären kann, woher der Anerkennende seine Personalität gewonnen hat. Zudem lassen sich bei Hegel klarer als bei Fichte im Rahmen der intersubjektiven Anerkennung von Personen zwischen einer durch Institutionen vermittelten Anerkennung und einer rein intersubjektiven Anerkennung, die auf die psychologische Verfasstheit von Personen abzielt, unterscheiden.

Eine weitere Innovation besteht Ikäheimo zufolge darin, dass sich bei Hegel zwei Dimensionen der rein intersubjektiven Anerkennung unterscheiden lassen. In der deontologischen Dimension geht es um Anerkennung im Sinne von „Normen, Autorität, Gehorsam und Respekt“ (72), in der axiologischen Dimension um „Themen wie Werte, Sorge, Fürsorge und Liebe“ (ebd.). Gemessen an den Unterscheidungen Ikäheimos leidet allerdings auch die Darstellung Hegels unter diversen Ambiguitäten, so dass der „Begriff der Anerkennung selbst innerhalb von Hegels Diskussion nichtsdestoweniger relativ vage“ (78) bleibe.

Im Folgekapitel wechselt Ikäheimo zur modernen Debatte und diskutiert die Ansätze zur Anerkennung im Rahmen der politischen Philosophie am Beispiel Charles Taylors und Nancy Frasers. Beide bewegen sich dabei in einer Debatte, die von den hegelschen Überlegungen weitestgehend unabhängig ist, weil sie nach einer „Politik der Anerkennung“ fragen und nicht danach, ob Anerkennung für die konstitutiven Eigenschaften des Personseins relevant ist. Stattdessen geht es um die kulturellen Identitäten von Personen, also dasjenige, was Personengruppen voneinander unterscheidet. Dieses Thema im Rahmen des Anerkennungsparadigmas zu behandeln, stellt bereits die entscheidende Innovation dieser neueren Ansätze dar, die sie von den klassischen Positionen unterscheidet. Die mit der Anerkennung kultureller Identitäten verbundenen Probleme des Multikulturalismus versucht Taylor durch die Einführung einer speziellen „kontributive[n] Dimension“ (109) intersubjektiver Anerkennung einzulösen, in der es um Dankbarkeit und instrumentelle Wertschätzung gegenüber anderen Kulturen geht, die aufgrund ihres Beitrags zur Kultur der Menschheit als Ganze geschätzt werden können sollen. Ikäheimo akzeptiert diese dritte Dimension intersubjektiver Anerkennung als systematisch bedeutsam, insbesondere in Debatten um interkulturelle Verständigung.

Taylors Anerkennungsmodell qualitativer Identitäten im Rahmen multikultereller Gesellschaften setze allerdings, so Fraser in ihrer Theorie eines Statusmodells der Anerkennung, eine Orientierung an einer inhaltlichen Konzeption des guten Lebens voraus. Eine solche lehnt Fraser auf Basis einer liberalen, wertneutralen Konzeption der Anerkennung ab.

Beide Ansätze sind laut Ikäheimo durch mehrere Unschärfen gekennzeichnet, da sie in ihrer Terminologie unhinterfragt zwischen vertikaler Anerkennung zwischen Staaten und Individuen sowie horizontaler Anerkennung zwischen Individuen hin- und herwechseln. Aufgrund dessen sei auch eine mangelnde Differenziertheit hinsichtlich rein intersubjektiver und institutionell vermittelter Anerkennung zu verzeichnen. Zudem führe die Konzentration auf qualitative Identität von der bei Fichte und Hegel zentralen Frage nach der ontologischen Bedeutung der Anerkennung für die Verfasstheit von Personen ab. Beide Ansätze litten unter einem „relativen Mangel[…] an begrifflicher Differenzierung“ (133); zudem sei insbesondere Frasers Ansatz durch eine Fehllektüre Hegels beeinträchtigt, den sie ebenfalls als qualitativen Anerkennungstheoretiker versteht. Frasers Theorie führe aufgrund ihrer strikten Neutralität bezüglich des guten Lebens „zu einer seltsamen Inhaltsleere des obersten Ziels ihres eigenen Modells“ (131). Beide Theorien können daher eher als Ergänzung denn als Fortführung oder Substitution eines an Fichte und Hegel orientierten reichhaltigen Modells der Anerkennung aufgefasst werden.

Das sechste Kapitel widmet sich dem „bisher wahrscheinlich ambitioniertesten Versuch, Anerkennung zum expliziten Kernbegriff der Philosophie zu machen“ (135), nämlich der Theorie Axel Honneths. Ikäheimo konzentriert sich dabei nicht so sehr auf Honneths Hegeldeutung, als vielmehr auf ein wesentliches Charakteristikum von Honneths eigener Konzeption: „der Bedeutsamkeit von Anerkennung für die menschliche Lebensform“ (136). Er fokussiert seine Darstellung primär auf Honneths Buch Kampf um Anerkennung und zieht spätere Texte nur dazu heran, um Ambivalenzen in dessen Theorie deutlich zu machen. Honneth sei an einer formalen Konzeption des guten Lebens interessiert, die „moralische Mangelerfahrung adäquater Anerkennung“ (136) aufdecke, um anhand dieser eine immanente Theorie moralischen Fortschritts zu entwickeln. Honneth beschränke die Relevanz der Anerkennung (anders als Fraser und Taylor) nicht auf die politische Philosophie, sondern hält dieses Konzept auch für die praktische Philosophie insgesamt für zentral. Er sehe die psychologische Verfasstheit von Personen als sozial konstituiert, doch sei seine Konzeption des guten Lebens primär individualistisch zu verstehen, da sie am Ideal der individuellen Selbstverwirklichung orientiert sei. Dieses Ideal stehe aber als Errungenschaft der Moderne in einer Spannung mit seinem Ziel, eine formale Konzeption des guten Lebens zu präsentieren. „Kurz gesagt strebt Honneths Position in zwei entgegengesetzte Richtungen, eine universalistische und eine, die historistischer bzw. relativistischer Art ist“ (138f.). Ein Vorzug seiner Theorie sei hingegen die explizite Differenzierung zwischen drei Dimensionen der Anerkennung, die Ikäheimo als deontologische, axiologische und kontributive rekonstruiert.

Im weiteren Verlauf des Kapitels geht Ikäheimo den unaufgelösten Spannungen in Honneths Werk nach und kommt zu dem Ergebnis, dass Honneth das Paradigma der Anerkennung in seinem jüngeren Werk zugunsten eines an anderen Aspekten des hegelschen Werkes angelegten Freiheitsparadigmas wohl „weitestgehend aufgegeben“ (162) habe. Ikäheimo deutet diese Entwicklung allerdings nicht als Resignation Honneths vor den Ambivalenzen seiner Theorie, sondern hofft, dass beide Paradigmen sich vereinigen ließen, lässt aber offen, wie dies geschehen könnte.

Eine wesentliche Differenz zwischen den klassischen und den modernen Anerkennungstheorien sieht er in der größeren Skepsis der modernen Theorien gegenüber der Behauptung der universalen Relevanz von Anerkennung und gegenüber ihrer Rolle als transzendentale Konstitutionsbedingung von Personalität, wie sie bei Fichte und Hegel auftreten. Die modernen Theorien seien bei ihrer Formulierung von Thesen mit allgemeiner Gültigkeit für unsere menschliche Lebensform weitaus vorsichtiger.

Der Frage, welche Aspekte am Phänomen der Anerkennung als universalistisch und welche als partikularistisch bzw. historisch und kulturell variabel ausgezeichnet werden können, ist vor dem Hintergrund der thematisierten Ansätze das siebte Kapitel gewidmet. Ikäheimo versucht, ein Ideal zu skizzieren, das es ermöglichen soll, eine „immanente kritische Prüfung einer jeden Form der sozialen Organisation des menschlichen Lebens“ (165) vorzunehmen. Das Phänomen der Anerkennung erweise sich dabei in mindestens drei Weisen als historisch wandelbar und zwar als „ein bestimmtes Gefüge von Einstellungen und andere psychologische Zustände“, als eine „Art der konkreten interpersonalen Beziehung“ sowie als eine „bestimme Institution“ (166). Die Art der Einstellungen, die mit Anerkennung überhaupt einhergehen, hält Ikäheimo aber anthropologisch gesehen für historisch und kulturell stabil. Seines Erachtens sei gelingende Anerkennung in drei stabilen Dimensionen (deontologisch, axiologisch, kontributiv) möglich, wenngleich als Ziel nur graduell zu verwirklichen. Die konkrete Realisierung dieses Ideals wechselseitiger Anerkennung – sei es zwischen individuellen Personen, sei es vertikal zwischen Personen und Institutionen – liefere einen kritischen Maßstab, anhand dessen Gesellschaften daraufhin kritisch zu prüfen seien, ob es ihren konkreten Institutionen gelingt, Anerkennung wirklich werden zu lassen.

Gegen den Vorwurf, Anerkennung sei letztlich immer kulturrelativ zu fassen, wehrt er sich mit dem Hinweis (vgl. 165–168), dies gelte für unsere Begriffe, mit denen wir Anerkennungsbeziehungen auszeichnen, nicht aber für die Phänomene selbst. Dazu ist allerdings kritisch anzumerken, dass weitere Arbeit zu leisten wäre, um zu zeigen, dass diese Phänomene tatsächlich unabhängig von unseren Begriffen fassbar sind. Auch die These, dass die drei im Buch identifizierten Dimensionen der Anerkennung letztlich transzendental mit gelungenem Personsein verknüpft seien, wird eher durch die Berufung auf anthropologische Evidenzen bzw. Intuitionen gestützt als argumentativ ausgewiesen. Nichtsdestotrotz skizziert Ikäheimo im letzten Kapitel einen attraktiven Forschungsansatz, der eine reichhaltige Konzeption der Anerkennung zu verteidigen sucht.

III

Ikäheimos Buch, das lediglich mit dem Ziel verfasst wurde, die bisherige Debatte zu dem Zweck weiterer systematischer Arbeit aufzubereiten, erreicht dieses Ziel in jedem Fall. Es handelt sich um eine äußerst lehrreiche Studie zum Phänomen der Anerkennung, das sowohl für ‚Anfänger’ als auch für ‚Kenner’ der Debatte hilfreiche Hinweise und Unterscheidungen bereithält. Die gesamte Monographie ist klar und deutlich strukturiert und ohne Vorkenntnisse der Debatte lesbar. Im Verlauf der Lektüre kommt zudem der Eindruck auf, dass Fichte und Hegel als entscheidende Inspirationsquellen für die Behandlung der Anerkennung noch einiges bieten könnten. Deutlich zu machen, dass die bisherige moderne Diskussion die Vielfalt der Anknüpfungsmöglichkeiten noch keineswegs ausgeschöpft hat, ist nur eine der Stärken des Buches. Allerdings enthält die Studie bedauerlicherweise kein Kapitel zur Anerkennungskonzeption des jungen Marx, auf die nur gelegentlich verwiesen wird, obwohl gerade diese Konzeption dem von Ikäheimo skizzierten Projekt im Abschlusskapitel besonders nahesteht. Insgesamt ist Ikäheimos Buch eine breite Rezeption in der Anerkennungsdebatte zu wünschen, denn es leistet nicht nur eine glänzende Aufbereitung, sondern zudem einen substantiellen Beitrag zur Diskussion.

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