Zeitschrift für philosophische Literatur 1.1 (2013), 60–70
Weisberg, Michael: Simulation and Similarity. Using Models to Understand the World. Oxford: OUP 2013. 224 Seiten. ISBN: 9780199933662
Rezensiert von Raphael van Riel (Ruhr-Universität Bochum)
Michael Weisberg befasst sich in seinem Buch Simulation and Similarity: Using Models to Understand the World mit einem in den letzten Jahrzehnten in der Wissenschaftstheorie heiß diskutierten Thema: dem Status wissenschaftlicher Modelle. Wissenschaftliche Modellbildung wirft eine Reihe philosophisch signifikanter Fragen auf: Was ist der metaphysische Status eines Modells? Worin bestehen die pragmatischen und epistemischen Funktionen von Modellen? In welcher Beziehung stehen Modelle zu dem Gegenstand, den sie modellieren? Was unterscheidet ein gutes von einem schlechten Modell und was ein Modell von einer nicht-modellhaften Repräsentation? Sind Modelle überhaupt einheitlich in dem Sinne, dass auf jede dieser und verwandter Fragen eine Antwort gegeben werden kann, die sich auf alle Modelle gleichermaßen erstreckt?
Weisbergs Theorie zufolge handelt es sich bei Modellen um interpretierte (konkrete, mathematische oder computationale) Strukturen, deren Natur von den Intentionen der die Modelle nutzenden Wissenschaftlerinnen abhängt, und deren wissenschaftliche Güte durch eine komplexe Ähnlichkeitsrelation zu ihren Gegenständen charakterisierbar ist. Weisberg ergänzt Analysen zur Metaphysik, zur repräsentationalen Natur und zur Güte von Modellen um Diskussionen epistemischer und pragmatischer Dimensionen wissenschaftlicher Modellbildung. Das Buch enthält eine Fülle von transparenten Beispielen unterschiedlicher Disziplinen, von der Physik bis zur Soziologie. Diese Beispiele liefern die Basis für eine an der tatsächlichen Wissenschaftspraxis orientierte, umfassende und nicht selektive Theorie wissenschaftlicher Modellbildung. Darüber hinaus erleichtern sie dem Debattenneuling einen Einstieg in das Thema. Das Werk ist verständlich und schnörkellos geschrieben und eignet sich sicher nicht nur für professionelle Philosophinnen, sondern dürfte sich auch für interessierte Studierende in weiten Strecken als hilfreich erweisen.
Das Buch gliedert sich in neun Kapitel und eine Einleitung. Nach einer intuitiven Heranführung an das Thema anhand zweier Beispiele und einigen knappen metatheoretischen Überlegungen in Kapitel 2 werden in Kapitel 3 drei Arten von Modellen unterschieden – konkrete Modelle, mathematische Modelle und computationale Modelle. In Kapitel 4 führt Weisberg die grundlegenden Bausteine einer Theorie von Modellen ein: den Begriff der Struktur, der Konstruktion und der Modellbeschreibung. In Weisbergs Terminologie spezifizieren Modellbeschreibungen Modelle und werden von Modellen realisiert. Da ein Modell nicht bloß durch mehrere Beschreibungen spezifiziert werden könne, sondern mehrere Modelle ein und dieselbe Beschreibung realisieren könnten, bedürfe es eines zusätzlichen Faktors, der Modelle ihren Beschreibungen zuordnet. Weisberg schlägt vor, an dieser Stelle auf Intentionen der die Beschreibung nutzenden Wissenschaftlerinnen zu rekurrieren. Intentionen seien es auch, die Modelle ihren Gegenständen zuordnen. Ohne entsprechenden Rekurs auf Intentionen sei keine ein-eindeutige Zuordnung möglich: ein Gegenstand könne durch unterschiedliche Modelle repräsentiert werden und ein Modell könne unterschiedliche Gegenstände repräsentieren. Darüber hinaus hänge die Relevanz unterschiedlicher Aspekte eines Modells von Intentionen der die Modelle nutzenden Wissenschaftlerinnen ab – Modelle können Aspekte enthalten, die für die Repräsentation eines bestimmten Gegenstandes irrelevant seien; entsprechend bedürfe es der expliziten Intentionen von Wissenschaftlerinnen, oder zumindest implizit vorliegender Konventionen, um relevante von irrelevanten Aspekten eines Modells zu unterscheiden. Analog seien relevante wie irrelevante Aspekte des Gegenstandes (hinsichtlich einer Repräsentation durch ein Modell) zu gewichten. Schließlich spielten Intentionen eine Rolle bezüglich der Maßstäbe, nach denen sich die Güte eines Modells bemisst. Dieses komplexe Verhältnis zwischen Intentionen einerseits und Modellbeschreibung, Repräsentation und Qualität des Modells andererseits wird durch die Kategorie der Modellkonstruktion eingefangen.
Auf diesem Instrumentarium aufbauend enthält das Kapitel 4 eine umfassende und instruktive Kritik der in den letzten Jahren populär gewordenen Auffassung, dass die Orientierung an Theorien der Fiktionalität zu einer Erhellung der Natur von Modellen beitragen könne.
Die Kapitel 5 und 7 beschäftigen sich primär mit der Praxis der Modellbildung in den Wissenschaften. Weisberg macht drei relevante Arten von Modellen aus: Modelle, die einen spezifischen Gegenstand repräsentieren, Modelle, die keinen spezifischen Gegenstand repräsentieren, und Modelle, die keinerlei Gegenstand repräsentieren. Weisberg nennt als Beispiele für diese drei Arten von Modellen unter anderem das Modell Volterras, das sich auf das spezifische Fischvorkommen in der Adria bezieht, Modelle, die sich auf Mechanismen biologischer Reproduktion im Allgemeinen beziehen, und Modelle, die exponentiell wachsende, und damit nicht existierende Bevölkerungen beschreiben. Eingeschoben findet sich das Kapitel 6, das Weisbergs Arbeiten zu Arten der Idealisierung zusammenfasst. Nach Weisberg müssen auch hier drei Arten unterschieden werden: Galileische Idealisierung, minimalistische Idealisierung sowie diejenige Form von Idealisierungen, die in multiplen Modellen eine Rolle spiele. Diese Arten von Idealisierungen unterscheiden sich primär hinsichtlich des Ziels, mit dem sie vorgenommen werden. Im ersten Fall stellt die Idealisierung einen Kompromiss mit dem jeweiligen Forschungsstand dar – die Idealisierung ist das Beste, was hinsichtlich eines bestimmten Erkenntnishorizontes zu haben ist. Im zweiten Falle erschöpft sich die Idealisierung in der Darstellung der zentralen kausalen Faktoren eines Gegenstandes, während darüber hinausgehende Aspekte ausgeblendet werden. Im dritten Falle besteht das Ziel der Idealisierung darin, mehrere gegebenenfalls inkompatible Modelle für einen oft komplexen Gegenstand zu generieren, um so diesen Gegenstand greifbar zu machen. Diesen Arten von Idealisierungen werden unterschiedliche, interdependente Gütekriterien zugeordnet.
In Kapitel 8 schließlich liefert Weisberg das Kernstück seiner Theorie: die Charakterisierung einer Ähnlichkeitsrelation, die zwischen Modell und Gegenstand besteht und von der die Güte eines Modells abhängt. Aufbauend auf der intuitiven Idee, dass ein Modell seinem Gegenstand in bestimmten Hinsichten zu einem bestimmten Grade ähnlich sei, bietet Weisberg eine Theorie der Ähnlichkeit an, die sich substantiell von Konzeptionen unterscheidet, die lediglich auf formale oder strukturelle Relationen wie Isomorphie- oder Homomorphiebeziehungen rekurrieren. Leitend ist die Vorstellung, dass Modelle Eigenschaften bzw. Attribute mit ihren Gegenständen teilen. Die geteilten wie die nicht geteilten Eigenschaften werden in unterschiedlichen Hinsichten bezüglich ihrer Relevanz gewichtet. Vereinfacht gesprochen hängt die so charakterisierte Güte eines Modells davon ab, welche Eigenschaften Modell und Gegenstand teilen, welche sie nicht teilen und in welcher Hinsicht die geteilten und die nicht geteilten Eigenschaften relevant für die Evaluation der Güte des Modells sind.
Das letzte inhaltliche Kapitel 9 speist sich aus Weisbergs einflussreichen früheren Arbeiten zur Rolle von Robustheits-Analysen: Weisberg verteidigt die These, dass derartigen Analysen tatsächlich eine substantielle epistemische Funktion zukommt und wissenschaftliche Modellbildung mithin eine zentrale Rolle in Bestätigungs- oder Rechtfertigungszusammenhängen einnimmt. Das kurze zehnte Kapitel fasst die Ergebnisse der vorherigen Abschnitte zusammen.
Insbesondere mit seinen Arbeiten zur epistemischen und pragmatischen Rolle wissenschaftlicher Modelle hat Weisberg entscheidende Beiträge zur Debatte geleistet. Sein Vorschlag zur Explikation der Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Modellen und ihren Gegenständen geht einen entscheidenden Schritt über bisherige prominente Theorien hinaus; die so charakterisierte Ähnlichkeitsbeziehung scheint ihrem Zweck angemessen, erlaubt sie doch eine erstaunliche Flexibilität bezüglich der Gewichtung von Hinsichten, in denen geteilte und nicht geteilte Eigenschaften für relevant erachtet werden. Wie Weisberg darlegt, kann unter Rekurs auf diese Abhängigkeitsbeziehung erklärt werden, wie Wissenschaftlerinnen unterschiedliche Auffassungen über die Güte eines Modells eines Gegenstandes vertreten können und wie durch Fokusverschiebungen ein Modell, das in einer Hinsicht als mangelhaft erscheint, sich in einer anderen Hinsicht als fruchtbar erweisen kann. Für Fragen die Wissenschaftspraxis betreffend hat der Vorschlag also eine nicht zu unterschätzende explanatorische Kraft. Gerade auch die Allgemeinheit dieses Vorschlags, der sich auf Modelle unterschiedlichster Art bezieht, markiert einen signifikanten Unterschied zu konkurrierenden Vorschlägen.
Die Allgemeinheit der Theorie verdankt sich sicher nicht zuletzt der genauen Analyse der vielfältigen im Buch diskutierten Beispiele. Die kleinteilige, aber immer nachvollziehbare Diskussion nicht nur der ausgewählten Modelle selbst, sondern auch der Wissenschaftspraxis, in die diese Modelle eingebettet sind, entspricht einer sich mehr und mehr durchsetzenden Auffassung von Wissenschaftsphilosophie, die sich von Vorstellungen einer rationalen Rekonstruktion oder gar einer sich aus generellen philosophischen Überlegungen speisenden normativen Wissenschaftstheorie abhebt. So zeugen auch Weisbergs umfassende Untersuchungen zu unterschiedlichen Varianten von Idealisierungen davon, inwiefern ein solcher Ansatz äußerst fruchtbare Resultate liefern kann: Überlegungen zu unterschiedlichen Beispielen (zur Berechnung von Wellenfunktionen als Modelle molekularer Eigenschaften, zum Ising-Modell, sowie zu Modellgruppen, die gemeinsam unterschiedliche Aspekte komplexer Systeme modellieren) führen zu einer ausdifferenzierten Charakterisierung unterschiedlicher Gütekriterien von Idealisierungen, die de facto Teile des Wissenschaftsgeschehens strukturieren.
Ein weiterer Vorzug dieses Vorgehens lässt sich an Weisbergs beispielinspirierter Taxonomie von Arten von Strukturen illustrieren. Strukturen werden, entsprechend der Unterscheidung in drei unterschiedliche Arten von Modellen, in konkrete, mathematische und computationale unterschieden. Konkrete Strukturen können im buchstäblichen Sinne konstruiert werden, sie können, wie biologische Organismen, die als Modelle für andere Organismen dienen, vorgefunden werden und es ist möglich, dass sie lediglich beschrieben, aber nie realisiert werden. Abweichend von klassischen Vorstellungen in der Wissenschaftstheorie schlägt Weisberg vor, mathematische Modelle nicht lediglich auf modelltheoretische Strukturen, Zustands- oder Phasenräume zu beschränken, sondern etwa im Lichte der Anwendung nicht-dynamischer, graphentheoretischer Modelle zur Modellierung sozialer Netzwerke den Fokus zu erweitern; unterschiedliche mathematische Strukturen erlauben die Konstruktion von Modellen für Gegenstände unterschiedlichster Natur. Computationale Modelle schließlich werden als Algorithmen charakterisiert. Damit fallen sie in den Bereich mathematischer Modelle. Weisberg motiviert die Unterscheidung durch die unterschiedliche Funktion mathematischer und computationaler Modelle: Bei computationalen Modellen handelt es sich nach Weisberg um diejenigen mathematischen Modelle, deren zentrale repräsentationale Komponente die Prozedur selbst sei; das erleichtere die Repräsentation probabilistischer, parallel ablaufender oder konditionaler Prozesse.
Bei allen diesen offensichtlichen Vorzügen der starken Orientierung an Beispielen sollte jedoch ein potentiell problematischer Aspekt dieser Herangehensweise nicht übersehen werden. Kommen wir damit zur ersten zweier kritischerer Anmerkungen zu diesem herausragenden Werk.
Gelegentlich unternimmt der Autor Ausflüge in Regionen der Wissenschaftspraxis, deren philosophische Signifikanz oder explanatorischer Gehalt sich dem Leser nicht so recht erschließen möchte; neben spannenden Überlegungen zu semantischen Eigenschaften von Modell-Beschreibungen findet sich die Feststellung, dass Modellbeschreibungen der Modellkonstruktion oft, aber nicht immer vorausgehen, sowie der Hinweis, dass mathematische Modelle präzisier beschrieben werden können als konkrete Modelle, und weitere scheinbar en passant aufgelesene Beobachtungen zum Umgang mit Modellen. Hinzu kommt, dass einige der vorgeschlagenen Taxonomien (von Idealisierungen, von Modellen und von Strukturen) sich ausschließlich an den gewählten Beispielen orientieren; dadurch bleibt im Dunkeln, ob diese Taxonomien das Feld erschöpfend darstellen oder ob sie lediglich der gewählten Menge von Beispielen entspringen. Die Beispiele mögen geschickt gewählt sein; es kann dennoch wünschenswert erscheinen, ein Argument geboten zu bekommen, warum die Beispiele das Feld tatsächlich erschöpfend repräsentieren und warum die vorgeschlagene Taxonomie umfassend ist. Doch mag diese Kritik als Resultat eines Missverständnisses erscheinen: Es geht dem Autor darum, einen Ausschnitt der Wissenschaftspraxis umfassend darzustellen und in Auseinandersetzung mit der Materie einen entsprechenden begrifflichen Rahmen zu erarbeiten. Metaphysisch inspirierte Argumente zu Fragen der Fundierung von Taxonomien oder gar an der Intension von Begriffen wie dem Begriff der Idealisierung orientierte Überlegungen sollen gerade vermieden werden.
Ein substantielleres Problem liegt in dem gelegentlich etwas laxen Umgang mit philosophischen Standards. Weisbergs Reaktion auf die Frage etwa, ob der Modell-Gegenstand-Zuordnung Grenzen gesetzt sind, gibt Rätsel auf. Auf der einen Seite sieht es so aus, als gäbe es hier lediglich Grenzen der Praktikabilität, aber keine prinzipiellen Grenzen, auch wenn Weisberg einen anderen Schluss zieht:
Now say that we were interested in using [a] marble as a model of the San Francisco Bay. We would quickly run into trouble. Unless one had impossibly low standards of fidelity, the shape of the marble cannot represent the shape of the Bay, which isn't even slightly spherical. Moreover, the dynamical aspects of the Bay such as water currents, changes in salinity and temperature, and depth changes due to shoaling cannot be represented by something static that has one state only. (42)
Zunächst einmal sollte klar sein, dass die Frage, ob eine Murmel die San Francisco Bay repräsentieren kann, unabhängig ist von der Frage, welche und wie viele ihrer Eigenschaften sie repräsentieren kann. Darüber hinaus sollte offensichtlich sein, dass niedrige „standards of fidelity“ lediglich etwas mit der Frage zu tun haben, wie zweckmäßig eine Repräsentation ist, nicht jedoch ob eine Repräsentation vorliegt. Und schließlich, um einen weiteren bekannten Punkt zu wiederholen, könnten unterschiedliche räumliche Teile der statischen Murmel (wie etwa räumliche Teile eines statischen Comic-Heftes) selbstverständlich zeitliche Teile eines Ereignisses (wie etwa einer fiktiven oder nicht fiktiven Handlung) repräsentieren. Vielleicht versagt die Murmel dennoch als Modell; das hat dann jedoch nichts damit zu tun, dass sie die San Francisco Bay oder ihre Eigenschaften nicht repräsentieren kann. Und selbst wenn die Murmel als Modell versagt, so müsste gezeigt werden, dass ein solches Versagen nicht lediglich damit einhergeht, den Status als gutes Modell, sondern darüber hinaus auch noch den Status als Modell selbst einzubüßen. Doch auch Weisberg scheint sich nicht ganz sicher zu sein, wenn er schreibt:
[S]trictly speaking, it might be true that anything can be a model of anything else […] (42)
Also: Der Modell-Gegenstands-Zuordnung sind keine prinzipiellen Grenzen gesetzt (mit Ausnahme vielleicht des Falles, in dem ein Gegenstand sein eigenes Modell ist). Im selben Absatz lesen wir jedoch weiter:
[C]oncrete objects with very simple structures and few states have a low representational capacity. That is, they are not able to represent very many systems, especially ones of a very different type. (ibid.)
Abgesehen von der etwas nebulösen Rede von „very different types“ hätte man sich hier zumindest einen Hinweis darauf gewünscht, dass der Autor sich eines abschließenden Urteils enthält; stattdessen erhalten wir einen offenen Widerspruch als Antwort auf eine doch nicht ganz uninteressante Frage, wobei die Teilantworten sich bestenfalls auf Argumentskizzen stützen.
Ähnlich verhält es sich mit Weisbergs Explikation des Unterschieds zwischen gegenstandsspezifischen und generellen Modellen: Gelegentlich scheint es, als handelte es sich bei gegenstandsspezifischen Modellen um Modelle, die einen konkreten Gegenstand, oder ein „real-world target“ (74) repräsentieren wie die San Francisco Bay, das Verhältnis von Räubern und Beute in der Adria zu einer bestimmten Zeit oder die Segregation in einer bestimmten Stadt. An anderer Stelle wird hingegen nahegelegt, dass es sich dabei um Modelle handelt, die zwar irgendwie allgemeine und abstrakte, aber keine Typen größerer Allgemeinheit modellieren (was immer das im Detail bedeuten mag):
[C]onsider the target of a generalized model. Such a target is, by its very nature, more abstract than any specific target. A generalized model of sexual reproduction isn't supposed to be about kangaroo sex or fungi sex, but about sex itself. (117)
Die sexuelle Reproduktion von Kängurus ist nun sicher auch ein Typ und entspricht einem generellen Phänomen. Auch wenn es sicher kein so genereller Typ, bzw. kein so generelles Phänomen wie sexuelle Reproduktion selbst ist, so handelt es sich doch noch lange nicht um einen konkreten Gegenstand. Ein spezifischer Gegenstand ist also, nach dieser Lesart, nicht mit einem konkreten Gegenstand zu verwechseln. Die begriffliche Unterscheidung zwischen gegenstandsspezifischen und generellen Modellen ist also nicht eindeutig. Legen wir die zweite Lesart zu Grunde, so ergibt sich ein neues Problem: Es scheint keine besonders gute Idee, sich bei dieser für Weisberg doch substantiellen Unterscheidung an der syntaktischen Komplexität von Ausdrücken zu orientieren, mit denen wir auf Typen oder Phänomene Bezug nehmen können – aus der Tatsache, dass ‚kangaroo sex’ zwei bedeutungstragende Komponenten enthält, während sich das bei ‚sex’ anders verhält, dürfte sich kein fruchtbares Kriterium für diese Unterscheidung gewinnen lassen. Doch genau das legt die zitierte Stelle nahe.
Unklar bleibt auch die im Kontext der Charakterisierung der Ähnlichkeitsrelation (Kap. 8) relevante Rede davon, dass Modell und Gegenstand Eigenschaften miteinander teilen. Zwar sind Modelle wie auch ihre Gegenstände im selben Sinne Gegenstände, mit sich selbst identisch, oder Objekt wissenschaftlicher Betrachtung; das physikalische Modell einer Brücke hat jedoch eine andere Masse als die modellierte Brücke selbst, eine Fruchtfliege hat andere biologische Eigenschaften als die Organismen, für die sie als Modellorganismus dient, und keine mathematische Struktur hat die kausalen Eigenschaften einer Volkswirtschaft, eines sozialen Systems oder eines physikalischen Prozesses. Verdeutlichen wir uns das am Beispiel eines Modells, das die „rassische“ Segregation innerhalb einer Stadt darstellt. Dazu schreibt Weisberg:
[O]ne will compare the fact that the model has racially segregated clusters to the fact that the city has racially segregated clusters. (136)
Das Modell sei der Stadt ähnlich, weil Modell und Stadt die entsprechende Eigenschaft teilten. Im besten Falle jedoch werden Stadt und Modell hier ein Prädikat „teilen“, in dem Sinne, dass in einer typischen Modellbeschreibung eben diejenigen Prädikate genutzt werden, die auch zur Charakterisierung der entsprechenden Eigenschaften des modellierten Gegenstandes herangezogen werden. Nun ist es wahr, dass eine Modellbeschreibung oft im Gewand einer Beschreibung des Gegenstandes des Modells daherkommt. Das ist es aber doch gerade, was es zu erklären gilt: Die oberflächlichen Eigenschaften der Sätze, die wir zur Beschreibung von Modell und Gegenstand nutzen können und die im Falle des Modells in einer buchstäblichen Lesart oft bestenfalls fragwürdig sind, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Darstellung eines Gegenstandes, der F ist, nicht ihrerseits F sein muss und im konkreten Fall auch nicht sein wird. So hat etwa kein Modell in einem buchstäblichen Sinne „racially segregated clusters“; und wenn man auch bei Städten uneins sein mag, ob diese in einem buchstäblichen Sinne „racially segregated clusters“ haben, so haben wir es im Falle der Stadt unter einer buchstäblichen Lesart von ‚racially segregated clusters’ lediglich mit einer Idealisierung zu tun und nicht, wie im Falle des Modells, mit einer notwendigen Falschheit. Die Frage nach der Natur der Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Modell und Gegenstand lässt sich nicht durch den Verweis auf die Ähnlichkeit der Beschreibungen erhellen – das liefe wohl eher auf eine Reformulierung der Frage und nicht auf eine substantielle Antwort hinaus.
Zunächst könnte man meinen, dass für Weisberg dieses offensichtliche Problem deshalb nicht entsteht, weil er im Falle konkreter, physikalischer Modelle davon ausgeht, dass diese ihren Gegenständen hinsichtlich der Verhältnisse, die zwischen ihren Eigenschaften bestehen, gleichen müssen, also etwa hinsichtlich ihrer proportionalen Eigenschaften. Und ein Brückenmodell mag der modellierten Brücke darin ähneln, dass es sich unter modellierten äußeren Einflüssen genau so verhält, wie die reale Brücke sich unter realen äußeren Einflüssen verhält oder verhalten würde. Die entsprechenden Eigenschaften, so scheint es, teilen modellierte Brücke und echte Brücke dann. Doch ist nicht klar, ob sich dieser Lösungsvorschlag auf alle Fälle von Modellen erstreckt, in denen, intuitiv gesprochen, Eigenschaften des Modells für andere Eigenschaften stehen. Ein von Weisberg diskutiertes Beispiel eines abstrakten Modells sollte das verdeutlichen.
Nach Weisberg können wir idealisierte Modelle mit ihren Gegenständen vergleichen, weil wir die Strukturen dieser idealisierten Modelle interpretieren:
[T]hey provide a simple way of characterizing the oscillatory character of targets. This fact, however, cannot be accommodated by the isomorphism account. “Oscillatory character” is not a structural property of a model; it is an interpretation of a pattern exhibited by the model. (139)
Deshalb stellten derartige Idealisierungen kein Problem für die vorgeschlagene Ausbuchstabierung einer Ähnlichkeitsrelation dar:
[It] allows models that are highly idealized to be compared to targets. This is because the account does not require wholesale matches of the structure of models to the structure of targets. It doesn't even require wholesale matches of substructures. Abstract features such as “oscillatory character” can be compared, without any further specification of the structure of such features. (154 f.)
Anders als Weisberg den Fall darstellt, scheint hier aber doch ein Problem aufzutreten: Eine Struktur, die als eine Eigenschaft habend interpretiert wird, muss diese Eigenschaft noch lange nicht exemplifizieren und entsprechend auch nicht mit einem anderen Gegenstand teilen. Die Güte des Modells sollte aber nicht damit stehen und fallen, wie wir es interpretiert haben – dem sind keine Grenzen gesetzt. Die Herausforderung, der Weisberg hier auszuweichen scheint, besteht doch gerade darin zu zeigen, wie eine Struktur (und nicht ihre arbiträre Interpretation) in interessanter Relation zum repräsentierten Gegenstand stehen kann.
Darüber hinaus bietet sich Weisbergs Lösungsvorschlag für konkrete Modelle ohne Gegenstand offensichtlich nicht an; es ergibt sich das Problem, dass hier keine normale Ähnlichkeitsrelation vorliegen kann. Im Kapitel 3 lesen wir, dass die Nichtexistenz des intendierten Gegenstandes dafür hinreicht, dass überhaupt keine Ähnlichkeitsrelation besteht (24). Im Kapitel 4 scheint es, dass die Nichtexistenz des Gegenstandes eines Modells allein noch gar nichts darüber sagt, ob ein Modell hinsichtlich seiner Güte evaluiert werden kann; und da nach Weisberg die Güte eines Modells mit der komplexen Ähnlichkeitsrelation steht und fällt, bedarf es einer Klärung der Frage, wie Modelle ohne Gegenstand mit ihren Gegenständen Eigenschaften teilen können. Zumindest ein Verweis auf die aus der Ästhetik (Goodman 1976) stammende und auch in der Wissenschaftstheorie angelangte Debatte (vgl. etwa Toon 2010) zur Frage nach der Relationalität von Repräsentationen – und damit im Falle Weisbergs auch von Ähnlichkeit – wäre hier wünschenswert gewesen.
Die Ähnlichkeitsrelation zwischen mathematischen Modellen und ihren Gegenständen soll sich darüber hinaus so gestalten, dass erstere letzteren nicht direkt ähneln. Vielmehr ähneln sie mathematischen Repräsentationen dieser Gegenstände (vgl. 95 ff.; 173). Während ein mathematisches Modell und eine mathematische Repräsentation natürlich relevante Eigenschaften miteinander teilen können, so beschleicht einen wieder der Verdacht, dass das Problem damit lediglich verschoben und nicht gelöst wurde: Worin besteht die relevante Beziehung zwischen mathematischer Repräsentation und Gegenstand? Versuchen wir mit Weisberg, dieses Problem dadurch zu umgehen, dass wir die mathematische Repräsentation als zuordnungsabhängig, also abhängig von den Intentionen der sie verwendenden Wissenschaftlerinnen klassifizieren, bzw. die mathematischen Terme konkret „interpretieren“ (139) (siehe oben), so laufen wir Gefahr, das Problem wieder bloß zu verschieben: Die Güte eines Modells dürfte dann signifikant von der Adäquatheit der mathematischen Repräsentation des Gegenstandes abhängen. In der Tat legt Weisberg nahe, dass mathematische Repräsentationen von Gegenständen ebenso konstruiert werden wie mathematische Modelle. Damit bleibt unklar, wann eine Einsicht in die Ähnlichkeit zwischen Modell und mathematischer Repräsentation des Gegenstandes uns etwas Interessantes über die Ähnlichkeit zwischen Modell und Gegenstand selbst vermitteln kann; dazu bedürfte es einer Idee davon, wann die mathematische Repräsentation dem Gegenstand ähnelt, und, da Ähnlichkeit nicht transitiv ist, eines Kriteriums, das auf dieser Basis Rückschlüsse auf die Ähnlichkeit zwischen Modell und Gegenstand erlaubt.
Trotz dieser ggf. lösbaren Schwierigkeiten und Unklarheiten stellt Weisbergs Explikation der Ähnlichkeitsrelation einen interessanten Kandidaten zur Erhellung der Güte von Modellen dar. Anstatt sich nun die Details der Konzeption des Teilens von Eigenschaften im Falle von Modellen noch einmal vorzunehmen, könnte man versucht sein, diese Konzeption einfach als basal zu interpretieren. Worin auch immer die relevante Übereinstimmung zwischen Modell und Gegenstand bestehen mag – Weisberg liefert eine Explikation, die es erlaubt zu verstehen, wie wir von vorhandenen Übereinstimmungen zu besseren und schlechteren Übereinstimmungen und zu entsprechenden komparativen Aussagen kommen. Der Anspruch wäre einfach ein anderer – und das Ergebnis immer noch mehr als zufriedenstellend. Es ließe sich in etwa mit dem Projekt vergleichen, unter Voraussetzung des Begriffs der Erklärung gute von schlechten Erklärungen zu unterscheiden (für eine klare Darstellung dieser Strategie inklusive entsprechender Umsetzung, siehe: Schupbach und Sprenger 2011).
Dieser Anriss einer Kritik soll also in keinem Fall den Eindruck erwecken, dass es sich bei dem Buch nicht um ein schnörkelloses, auch für Studierende geeignetes, beispielgeladenes Werk handelt, das Aufmerksamkeit erregen und die Diskussion um wissenschaftliche Modelle ein enormes Stück voranbringen wird.
Literatur
Goodman, Nelson. Languages of Art. Indianapolis: Hackett 1976.
Schupbach, Jonah und Sprenger, Jan. „The Logic of Explanatory Power.“ Philosophy of Science 78.1 (2011), 105–127.
Toon, Adam. „Models as Make-Believe.“ In Beyond Mimesis and Convention. Boston Studies in the Philosophy of Science, hg. von Roman Frigg & M. Hunter, 71–96. Dordrecht: Springer, 2010.
© 2013 Zeitschrift für philosophische Literatur, ISSN 2198-0209, lizenziert unter CC-BY-ND-3.0-DE