Zeitschrift für philosophische Literatur 1. 1 (2013), 10-18
Stanley, Jason: Know How. New York: Oxford University Press 2011. 201 Seiten. [978-0-19-969536-2]
Rezensiert von Dirk Schröder (Philipps-Universität Marburg)
Ist praktisches Wissen (knowing how) eine Art von theoretischem Wissen (knowing that)? Als Gilbert Ryle dieser Frage Mitte des 20. Jahrhunderts nachging, verfolgte er bekanntlich das Ziel, ein bestimmtes Verständnis von Intelligenz und intelligenten Tätigkeiten zurückzuweisen, das er in polemischer Absicht als „intellektualistische Legende“ (Ryle 1949: 29) bezeichnete. Der Legende nach handelt es sich bei Intelligenz um ein intellektuelles Vermögen zur Kontemplation propositional gehaltvoller Sätze. Ein erfolgreicher Gebrauch der Intelligenz führt zur Einsicht in die Wahrheit von Aussagesätzen und damit zu propositionalem Wissen. Praktische Vollzüge sind lediglich insofern intelligent bzw. Ausdruck eines praktischen Wissens, als sie die Folge jener intellektuellen Anstrengungen sind und von diesen geleitet werden. Praktisches Wissen wird so über theoretisches Wissen bestimmt. Ryle argumentiert dagegen anti-intellektualistisch: Intelligenz lässt sich nicht in Begriffen des Intellekts, praktisches nicht als theoretisches Wissen bestimmen. Der intellektualistischen Legende setzt er seinen eigenen Ansatz entgegen, wonach intelligente Tätigkeiten als Ausübungen von Fähigkeiten und diese als komplexe Dispositionen zu begreifen sind.
Obgleich Ryles allgemeine Überlegungen zum Begriff des Geistes, die den Rahmen für seine Auseinandersetzung mit dem Intellektualismus bilden, im gegenwärtigen Mainstream repräsentationalistischer Theorien des Geistes vergleichsweise wenig Beachtung finden, lässt sich doch behaupten, dass seine anti-intellektualistische These weithin Anerkennung findet. Verhältnismäßig wenig Philosophen argumentieren für die intellektualistische Alternative. Zu den einflussreichsten Vertretern des Intellektualismus gehört sicherlich Jason Stanley. Sein gemeinsam mit Timothy Williamson verfasster, viel diskutierter Aufsatz „Knowing How“ (Stanley/Williamson 2001) hat wesentlich dazu beigetragen, die Debatte um das Verhältnis von praktischem zu theoretischem Wissen neu zu entfachen.
In seinem 2011 erschienenen Buch Know How knüpft Stanley ebenso klar und sachlich an die Kernthesen des Aufsatzes an, wie es der Titel des Buchs vermuten lässt. Stringent entfaltet er dessen zentrale Überlegungen über acht Kapitel hinweg, wobei er immer wieder Einwände bespricht, die in den letzten Jahren als Reaktion auf seine mit Williamson verfasste Arbeit formuliert wurden. Im Aufbau ist das Buch mit dem Aufsatz vergleichbar, insofern Stanley zunächst die Reichweite anti-intellektualistischer Argumentationen auslotet, um in den folgenden vier Kapiteln seinen eigenen Ansatz zu entfalten, den er schließlich in den letzten drei Kapiteln mit einer Reihe von Einwänden konfrontiert. Die Stärken des Buchs sind zweifellos in der umfangreichen und problemorientierten Entwicklung des Argumentationsgangs zu sehen. Der Autor greift kenntnisreich Debatten der Linguistik, der Sprachphilosophie und der Erkenntnistheorie auf, ebenso wie Diskussionen innerhalb der Kognitionswissenschaften oder der Philosophie des Geistes.
Die provokante Kernthese des Buches lautet, „that knowing how to do something is the same as knowing a fact“ (vii), wobei Stanley im Anschluss an Frege unter einer Tatsache eine wahre Proposition und eine Proposition als möglichen Inhalt einer Überzeugung oder Aussage versteht (ebd.). Tätigkeiten wie Fahrradfahren oder Schwimmen können folglich erlernt werden, indem man sich ein Tatsachenwissen über die jeweiligen Praktiken aneignet. Da es aber durchaus denkbar ist, über ein umfassendes Tatsachenwissen bezüglich einer bestimmten Tätigkeit, z.B. dem Schwimmen, zu verfügen, ohne je schwimmen gelernt zu haben, unterscheidet Stanley zwischen verschiedenen Arten von Tatsachen und behauptet, dass für den Erwerb praktischen Wissens lediglich eine bestimmte Art relevant ist. Derartige Tatsachen zu erlernen heißt, die entsprechenden Tätigkeiten zu erlernen. Das Wissen um derartige Tatsachen wiederum orientiert das tätige Subjekt im praktischen Vollzug.
Damit argumentiert Stanley gegen anti-intellektualistische Positionen wie sie von Ryle oder gegenwärtig besonders prominent von Hubert L. Dreyfus vertreten werden. Beiden Ansätzen liegt Stanley zufolge ein problematisches Verständnis des Verhältnisses von propositionalem Wissen und Handlungen zugrunde, wonach propositionales Wissen nur dann handlungsleitend sein kann, wenn es zuvor in einem distinkten, intellektuellen Akt betrachtet und auf die konkrete Handlungssituation übertragen wird (11ff.). Stanley bestreitet die Gültigkeit dieser Annahme und argumentiert für einen ‚wohlverstandenen’ Intellektualismus, im Rahmen dessen propositionales Wissen unmittelbar in Handlungen wirksam sein kann. Auf diese Weise entgeht er zentralen anti-intellektualistischen Einwänden, wie z.B. Ryles bekanntem Regressargument (14ff.).
Stanleys Intellektualismus ist durch sprachphilosophische Überlegungen motiviert, die die Bedeutung der Zuschreibungen von praktischem Wissen betreffen. Sie bilden den methodischen Ausgangspunkt seiner Theorie intelligenten Handeln. Wie er in einer detailreichen Auseinandersetzung mit einschlägigen linguistischen Theorien zeigt, lassen sich Zuschreibungen praktischen Wissens als Zuschreibungen propositionalen Wissens verstehen. Dabei nimmt Stanley in einem ersten Schritt an, dass englische Sätze wie (i) „Peter knows how to swim“ die gleiche Struktur aufweisen wie z.B. die Sätze (ii) „Jack knows whether Lisa came to the party“ oder (iii) „Sara knows why Obama won“ und dass sie alle als Satzkonstruktionen zu verstehen sind, die sogenannte „embedded questions“ enthalten – Fragen, die in den genannten Fällen über das Verb „know“ ‚eingebettet’ sind (39). Im Falle des Satzes (iii) lautet die eingebettete Frage z.B. „Why did Obama win?“. Im zweiten Schritt analysiert Stanley die Bedeutung von eingebetteten Fragen im Anschluss an klassische linguistische Theorien. Sie geben die Bedeutung der Fragen über Propositionen an, die den Antwortbereich der Frage bestimmen (59). Da die Fragen in den angeführten Satzkonstruktionen über das Verb „wissen“ eingebettet sind, lassen sich die vollständigen Sätze als Zuschreibungen eines propositionalen Wissens um diejenigen Antworten verstehen, die auf die eingebetteten Fragen zu geben sind. Dieses Wissen nennt Stanley „knowledge-wh“ (36), den beiden Anfangsbuchstaben der meisten englischen Fragewörter entsprechend, die in solchen Satzkonstruktionen Verwendung finden. Praktisches Wissen ist eine Variante dieses Wissens – ein Wissen um eine Antwort auf die Frage, wie etwas zu tun ist.
Stanley charakterisiert Zuschreibungen praktischen Wissens indessen noch genauer. Kennzeichnend für sie ist z.B., dass sie Infinitivkonstruktionen wie „to swim“ oder „to ride a bicycle“ usw. enthalten. Zentral für Stanleys Überlegungen ist, dass sich die Infinitivkonstruktionen so verstehen lassen, als enthielten sie ein verstecktes Pronomen als grammatisches Subjekt, das in der Linguistik mittels des Ausdrucks „PRO“ angezeigt wird (72). Die Bedeutung von „PRO“ hängt von dem jeweiligen Satz ab, in welchen die Infinitivkonstruktion eingelassen ist. So kann „PRO“ entweder generisch gelesen werden, wie in (iv) „Peter knows what PRO to do in emergency situations“, was so viel bedeutet wie Peter weiß, was man in Notfällen tun sollte (75). Oder „PRO“ wird spezifisch gelesen, in dem Sinne, dass seine Bedeutung von einem anderen Satzteil abhängt, wie in (v) „Peter expects PRO to win the game“, wo die Bedeutung von „PRO“ über den Ausdruck „Peter“ spezifiziert wird (75). Derartige Sätze lassen sich dann als Ausdruck einer de se Einstellung verstehen, die Stanley propositional, als Relation zwischen einer Person und einer Proposition rekonstruiert (76f.). Beide Lesarten von „PRO“ sind bei Sätzen wie (i) möglich, auch wenn die spezifische Lesart naheliegender und in der Debatte um praktisches Wissen die ausschlaggebende ist. Ihr zufolge bedeutet Satz (i), dass Peter in der Relation des Wissens zu einer Proposition steht, welche die Antwort auf die Frage gibt, welche Art für ihn selbst eine Art zu schwimmen ist.
Um den Inhalt der einschlägigen de se Einstellungen propositional fassen zu können, vertritt Stanley im Anschluss an Frege die These, dass der propositionale Gehalt von Gedanken feinkörnig zu individuieren ist (103ff.). Zwei Gedanken über denselben Gegenstand sind demnach verschieden, wenn der Gegenstand in beiden Gedanken auf unterschiedliche Art gedacht wird. Für erstpersonale Gedanken nimmt Stanley eine eigene Art zu denken an. Die Einführung von ‚Arten des Denkens’, als konstitutiven Bestandteilen von Gedanken, dient ihm nicht nur dazu, einige Detailprobleme bezüglich der Semantik von (eingebetteten) Fragen zu lösen (106–109). Er versucht sie zudem zu nutzen, um die vermeintliche Lücke zwischen dem Denken propositional gehaltvoller Gedanken und Handlungen zu schließen. Arten des Denkens lassen sich ihm zufolge mittels Dispositionen zu Überzeugungen und Handlungen in Bezug auf den Gegenstand der Gedanken charakterisieren. Erstpersonale Gedanken ließen sich z.B. über eine dispositionale Bestimmung dessen charakterisieren, was es heißt, über etwas als sich selbst zu denken (109f.). Andere Arten des Denkens seien analog zu bestimmen, wobei die spezifischen Unterschiede über die jeweilige dispositionale Analyse anzugeben sind. Wenn Arten zu denken aber dispositional charakterisiert werden können, dann mangelt es propositionalem Wissen nicht per se an Handlungswirksamkeit. Anti-intellektualistischer Argumentation wäre damit eine entscheidende Voraussetzung genommen.
Stanley bleibt an dieser Stelle jedoch einiges schuldig. Weder liefert er eine konkrete dispositionale Analyse der Arten des Denkens im Allgemeinen, noch charakterisiert er erstpersonales Denken im Besonderen dispositional. Die Überzeugungskraft von Stanleys These ist schwer einzuschätzen, solange er keine konkreten Identitätskriterien einzelner Arten des Denkens im Rahmen einer dispositionalen Analyse liefert. Wie viel davon abhängt, zeigt sich an der systematischen Funktion, die der Verbindung zwischen propositionalen Gedanken und Dispositionen zukommt. Sie soll einerseits erklären, wie propositionales Wissen unmittelbar handlungsleitend sein kann, andererseits soll sie deutlich machen, weshalb praktisches Wissen mehr als eine bloße Fähigkeit bzw. ein bloßer Komplex von Dispositionen ist (110). Damit trägt sie die explanatorische Hauptlast von Stanleys intellektualistischer Argumentation. Ihre fehlende Ausarbeitung ist ein Mangel, der an verschiedenen Stellen deutlich wird. Stanleys finaler Interpretation der Zuschreibungen praktischen Wissens zufolge ist der Satz „John knows how to swim“ relativ zu einem bestimmten Kontext in einer Welt w wahr, „if and only if John knows at w a proposition true in a world w´ if and only if there is some way in which John could swim in w´ with which John is acquainted, and that way is also a way John is acquainted with by means of which John could swim in w“ (122). Stanley räumt jedoch selbst ein, dass diese Analyse unzureichend ist, da John die relevante Art zu schwimmen auf unterschiedliche Weise kennen kann, beispielsweise weil er sie gezeigt bekam, ohne sie aber selbst praktisch vollzogen und auf diese Weise schwimmen gelernt zu haben. Stanley und Williamson, aus deren Aufsatz das Beispiel ursprünglich stammt, versuchen dieses selbstgestellte Problem zu lösen, indem sie eine weitere Art zu denken einführen – eine praktische Art. Wenn John die besagte Art zu schwimmen bloß gezeigt bekommt, werde sie auf eine demonstrative Art gedacht. Um über praktisches Wissen zu verfügen, müsse John die Art zu schwimmen aber auf eine praktische Art denken. Wie die erstpersonale Art seien die demonstrative und die praktische Art zu denken dispositional zu charakterisieren (124). Auch hier verzichtet Stanley allerdings auf eine detaillierte Bestimmung praktischen Denkens. Stattdessen führt er Überlegungen verschiedener Autoren an, um die Nützlichkeit der theoretischen Figur des praktischen Denkens im Allgemeinen aufzuzeigen. Unter anderem zitiert er dabei Stellen zum praktischen Verstehen aus Heideggers Sein und Zeit (124). Gerade der Verweis auf Heidegger macht aber deutlich, dass nicht etwa die Idee praktischen Denkens für sich genommen problematisch ist, sondern die These, es handle sich dabei um ein propositionales Denken – eine These, die Heidegger schwerlich zugeschrieben werden kann und deren Verteidigung die konkrete Bestimmung des Verhältnisses von praktischem, propositional gehaltvollem Denken und Handlungen bzw. Dispositionen zu Handlungen und Überzeugungen zur Voraussetzung hat.
Dieser Mangel macht sich auch an anderen Stellen des Buches bemerkbar, etwa im letzten Kapitel. Dort weist Stanley zunächst den Einwand zurück, dass seine Erklärung intelligenten Handelns zu anspruchsvoll sei, insofern sie auf den Wissensbegriff rekurriere, obwohl typische Gettier-Fälle auf praktisches ‚Wissen’ nicht anwendbar seien. Wie er zeigt, gilt dies auch für andere Fälle propositionalen Wissens und spricht daher nicht per se gegen seine These (175f.). In der Folge wendet er sich einem Einwand zu, der das Verhältnis von propositionalen Regeln und deren Anwendung in konkreten Situationen betrifft. Gerade für praktische Expertise gilt, dass Experten ihr praktisches Wissen in neuen und teilweise ungewöhnlichen Situationen flexibel anwenden können. Wie ist das möglich, wenn propositionales Wissen allgemein und im hohen Maße situationsinvariant ist (181f.)? Dieser Einwand lässt Stanley zufolge außer Acht, dass praktisches Wissen ein Wissen de re um eine bestimmte Art ist, etwas zu tun – eine Art, die praktisch gedacht wird. Da de re Wissen aber prinzipiell nicht auf de dicto Wissen reduzierbar sei, lasse sich der Gehalt praktischen Wissens auch nicht vollständig in deskriptiven Begriffen fassen. Vielmehr seien die Dispositionen zu berücksichtigen, die mit der Fähigkeit zu praktischem Denken einhergingen. Das relevante praktische Wissen könne man daher nur haben, „if one’s dispositional structure is sufficiently complex to accomodate novel situations“ (182f.).
Stanleys Antwort entgeht aber nur dann dem Verdacht, eine bloße ad hoc Antwort zu sein, wenn er deutlich machen kann, um welche Dispositionen es sich handelt bzw. wie diese ein propositional gehaltvolles, praktisches Denken charakterisieren können. Ansonsten liegt die Vermutung nahe, dass Stanley im Konzept praktischen Denkens zwei Begriffe zusammenfasst, die getrennt voneinander bestimmbar sind – propositionales Wissen und praktische Dispositionen. Der Erklärungswert propositionalen Wissens für ein Verständnis praktischen Wissens und praktischer Expertise ist dabei ungleich fragwürdiger als derjenige von Dispositionen. Im Falle des Expertenwissens rechtfertigen offenbar hauptsächlich Dispositionen dessen Zuschreibung. Das Ausbilden von Dispositionen erfordert Übung – eine Fußballspielerin verfügt nicht in dem Moment über diejenigen Dispositionen, die sie zu einer geschickten Kopfballspielerin machen, in welchem sie den Ball zum ersten Mal mit dem Kopf einnetzt. Das kann sie nur, wenn sie es regelmäßig übt. Zu einer Expertin wird sie durch noch mehr Übung. Auf diese Weise bildet sie die Dispositionen aus, die es ihr erlauben, in neuen Situationen flexibel und geschickt zu handeln. Als ein Faktenwissen kann Stanley das praktische Wissen deshalb bezeichnen, weil er die nötigen Dispositionen über das Konzept praktischen Denkens begrifflich an propositionales Wissen bindet. Weshalb sollten die genannten Dispositionen aber Voraussetzung eines Faktenwissens sein? Verfügt die Fußballspielerin nicht bereits im Moment ihres ersten gelungenen Kopfballs über ein Faktenwissen um eine Weise, einen Ball mit dem Kopf im Tor zu versenken, die sie aus der Vollzugsperspektive denkt? Dass es dennoch voreilig wäre, der Spielerin ein praktisches Wissen zuzuschreiben, verdeutlicht die Relevanz von Dispositionen für praktisches Wissen und lässt diejenige von Faktenwissen fraglich erscheinen.
Das unklare Verhältnis zwischen propositionalem Wissen, praktischen Arten zu denken und Dispositionen ist aber nicht die einzige grundlegende Schwierigkeit von Stanleys Intellektualismus. Auch seine Methode zieht Bedenken nach sich (131ff.). Er entwickelt seine Auffassung von praktischem Wissen, indem er die sprachliche Form von englischen Zuschreibungen praktischen Wissens untersucht. Das Resultat seiner Untersuchungen besteht aber nicht ausschließlich in grammatischen und semantischen Einsichten. Vielmehr erhebt Stanley den Anspruch, etwas über die „metaphysical nature“ (131) praktischen Wissens, also über die ‚Natur’ der entsprechenden epistemischen Zustände, in Erfahrung gebracht zu haben. Wie er selbst sieht, ist sein Vorgehen aus mindestens zwei Gründen problematisch: Zum einen ist nicht ohne Weiteres einzusehen, weshalb eine linguistische Untersuchung geeignet sein soll, metaphysische Aussagen zu stützen. Selbst wenn die linguistische Methode gerechtfertigt ist, lässt sich zum anderen bezweifeln, dass seine Analyse auf andere Sprachen übertragbar ist.
Aufgrund des zuletzt genannten Einwands wendet Stanley sich einer Reihe weiterer Sprachen zu und stellt deren syntaktische Eigenheiten heraus. Lediglich französische Zuschreibungen praktischen Wissen betrachtet er aber genauer, da er das Französische als Stellvertreter für romanische Sprachen im Allgemeinen versteht und romanische Sprachen das verbreitetste sprachübergreifende Muster zur Zuschreibung praktischen Wissen exemplifizierten (138). Wie er zeigt, lassen sich französische Zuschreibungen analog zu englischen deuten.
Damit bleibt jedoch unklar, ob eine semantische Analyse anderer Sprachen, die sowohl von romanischen Sprachen als auch vom Englischen abweichen, zu denselben Ergebnissen führte. Eine einzige abweichende Analyse würde ausreichen, um Stanleys Ergebnisse in Frage zu stellen. Die Auseinandersetzung mit dem Deutschen wäre hier von besonderem Interesse gewesen, legt doch bereits die Übersetzung des englischen Ausdrucks „knowing how“ ins Deutsche nahe, dass er mehrdeutig ist und je nach Kontext zur Zuschreibung propositionalen Wissens oder zur Zuschreibung von Fähigkeiten geeignet ist.
Den grundsätzlicheren Einwand weist Stanley zurück, indem er dafür argumentiert, dass semantische Theorien prinzipiell nicht nur Antworten auf Fragen bezüglich der Bedeutung von Ausdrücken, sondern zugleich metaphysische Erklärungen geben (144). Er räumt aber ein, dass seine Ergebnisse durch einzelwissenschaftliche Forschung in Frage gestellt werden könnten und setzt sich daher mit kognitionswissenschaftlichen Arbeiten zu intelligenten Handlungen auseinander, die regelmäßig als Ausgangspunkt anti-intellektualistischer Argumentation dienen (150ff.). Von grundlegender Bedeutung in der Debatte ist die Unterscheidung zwischen ‚deklarativem’ und ‚prozeduralem’ Wissen, die häufig mit derjenigen zwischen theoretischem und praktischem Wissen gleichgesetzt wird. Prozedurales Wissen wird indessen vielfach als nicht-propositionales Wissen aufgefasst. Stanley argumentiert auf der Grundlage einer differenzierten Rekonstruktion der Begriffe des prozeduralen und des deklarativen Wissens, dass nichts dagegen spreche, unter prozeduralem Wissen propositionales Wissen zu verstehen. Zudem könne nicht erklärt werden, warum die Zuschreibung praktischen Wissens opake Kontexte erzeuge, wenn es sich bei praktischem Wissen um nicht-begriffliches Wissen handelte (168f.). Dem naheliegenden Einwand, dass es in der Regel schwer fällt, praktisches Wissen zu verbalisieren, was als Indiz für dessen Nicht-Begrifflichkeit gewertet werden kann, entgegnet Stanley, dass praktisches Wissen im Zweifel über ‚demonstrative Begriffe’ verbalisierbar sei (169).
Es ist aber unklar, weshalb Zuschreibungen von praktischem Wissen opake Kontexte erzeugen sollten. Wenn z.B. ein Tänzer einen bestimmten Tanz vollziehen kann und dieser Tanz zufällig bewegungsidentisch mit einer sinnvollen Zeichenfolge in einer Signalsprache ist (168f.), kann er dann nicht zugleich etwas Sinnvolles in dieser Signalsprache sagen? Und folgt daraus nicht, dass er ein praktisches Wissen von beiden Tätigkeiten hat? Die Antwort hängt von dem jeweiligen Konzept praktischen Wissens ab. Stanley kann die Gültigkeit des Intellektualismus aber an dieser Stelle nicht voraussetzen, da sein Beispiel einen unabhängigen Grund für diesen liefern soll. Daher ist es auch fraglich, weshalb das Verfügen über Begriffe eine notwendige Bedingung für praktisches Wissen sein soll. Muss man über den Begriff des Fahrrads verfügen, um ein praktisches Wissen vom Fahrradfahren haben zu können, wie Stanley behauptet (170)? Insbesondere für einfache Tätigkeiten, wie das Fahrradfahren, erscheint Stanleys These zu anspruchsvoll. Auch der Rekurs auf demonstrative Begriffe liefert hier kein zusätzliches Argument. Selbst wenn es sich bei demonstrativen Begriffen um Begriffe handeln sollte, was Gegenstand einer anhaltenden Debatte ist, können sie lediglich Bestandteile demonstrativer Gedanken sein. Da praktisches Wissen aber in Form praktischer Gedanken repräsentiert wird, die Stanley selbst von demonstrativen unterschieden wissen will, lässt sich über demonstrative Begriffe bestenfalls auf praktisches Denken verweisen. Wie das genau möglich ist, zeigt Stanley nicht. In jedem Fall aber folgt aus der bloßen Möglichkeit einer demonstrativen Bezugnahme nicht, dass das Objekt der Bezugnahme, hier das praktische Denken, selbst begrifflich ist.
Auch wenn Stanleys Buch einige Fragen offen lässt, besticht es doch insgesamt durch eine klare und gradlinige Argumentation. Nicht zuletzt Stanleys umfangreiche Auseinandersetzung mit notorischen Einwänden gegen seine Position machen Know How zu einer anregenden und lesenswerten Arbeit – für Anti-Intellektualisten ebenso wie für Intellektualisten.
Literatur
Ryle, Gilbert. The Concept of Mind. London: Hutchinson’s University Library, 1949.
Stanley, Jason, und Timothy Williamson. „Knowing How.“ The Journal of Philosophy 98.8 (2001), 411–44.
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