Artikel als PDF herunterladen

Zeitschrift für philosophische Literatur 1.1 (2013), 1–9

­Jung, Eva-Maria: Gewusst wie? Eine Analyse praktischen Wissens. Berlin/Boston: De Gruyter 2012. 237 Seiten. [978-3-11-025836-3]

Rezensiert von Christoph Demmerling (Universität Marburg)

Die Analyse des Wissensbegriffs gehört zu den Projekten, welche die Philosophie seit ihren Anfängen in Atem halten und die Frage danach, unter welchen Bedingungen man den Begriff des Wissens anwenden kann, ist eine der Grundfragen der Erkenntnistheorie. Innerhalb der analytisch geprägten Philosophie hat man sich in den letzten Jahrzehnten in erster Linie auf die Analyse des so genannten propositionalen Wissens konzentriert. Unter propositionalem Wissen versteht man ein Wissen, welches auf einen Gehalt bezogen ist. Es lässt sich mit Hilfe von Aussagsätzen oder von mit „dass“ gebildeten Nebensätzen ausdrücken, ist aus Begriffen zusammengesetzt und wahrheitsfähig. Sätze wie „Berlin ist die Hauptstadt von Deutschland“ oder „Peter weiß, dass Berlin die Hauptstadt von Deutschland ist“ sind typische Beispiele für Sätze, mit Hilfe derer propositionales Wissen ausgedrückt werden kann. Seit etwa fünfzig Jahren konzentriert sich die Debatte auf die Fragen, ob es notwendige und hinreichende Bedingungen dafür gibt, über Wissen-dass oder theoretisches Wissen (so lauten zwei andere Ausdrücke, die für das propositionale Wissen gelegentlich verwendet werden) zu verfügen bzw. es zuschreiben zu können und wie diese Bedingungen aussehen. Zwar ist gelegentlich auch über andere Arten des Wissens diskutiert worden, wie zum Beispiel über das praktische Wissen, wie man etwas macht (Fahrradfahren, Schwimmen), oder das Wissen um die Qualität bestimmter Erlebniszustände (etwas Rotes sehen, Freude empfinden), aber als paradigmatische Wissensform wurde immer wieder das propositionale Wissen angesehen. Entweder hat man versucht, die Bedeutung des praktischen Wissens für die kanonischen Fragen der Erkenntnistheorie herunterzuspielen, indem die Auseinandersetzung mit dieser Wissensform als wenig ergiebig angesehen wurde, oder man hat den Versuch unternommen, das praktische Wissen auf propositionales Wissen zu reduzieren. Einschlägige und vieldiskutierte Publikation zum Intellektualismus in Bezug auf das praktische Wissen stammen u.a. von Timothy Williamson und Jason Stanley (Stanley/Williamson 2001, Stanley 2011).

Es ist diese Diskussionssituation, auf die sich das aus einer Bochumer Dissertation hervorgegangene Buch von Eva-Maria Jung bezieht. Jung vertritt und verteidigt nicht nur die These, dass das praktische Wissen in seinen verschiedenen Formen eine durchaus eigenständige Wissensform darstellt, sondern sie macht ebenfalls geltend, dass die Erkenntnistheorie schlecht beraten ist, wenn sie diese Form des Wissens marginalisiert. Die Autorin entwickelt ihre Überlegungen in fünf, zum Teil recht umfangreichen Kapiteln. Das erste Kapitel skizziert die gegenwärtige Diskussion über praktische Wissensformen und beschäftigt sich in diesem Zusammenhang auch mit den Gründungsakten der neueren Debatte, indem sie ausführlicher auf Ryles Unterscheidung zwischen „Knowing How“ und „Knowing That“ und der damit verbundenen Zurückweisung einer „intellektualistischen Legende“ sowie auf Polanyis Begriffe des „personal“ bzw. „tacit knowledge“ eingeht (6–77). Im zweiten Kapitel ist es zunächst nicht mehr der Begriff des praktischen Wissens, der im Zentrum der Untersuchung steht, vielmehr geht es um die Bedeutung, die dem Wissensbegriff im Allgemeinen für die Erkenntnistheorie zukommt. Die Autorin knüpft verschiedene Fäden aus der neueren Diskussion zusammen, die allesamt dazu geführt haben, den traditionellen Wissensbegriff, dem zufolge Wissen als wahre und gerechtfertigte Überzeugung anzusehen ist, in Bedrängnis zu bringen (78–146). Mit dem dritten Kapitel wird zur Analyse des praktischen Wissens zurückgekehrt, indem eine Konzeption unterschiedlicher Wissensformate skizziert wird. Die Autorin unterscheidet propositionale, sensomotorische und bildhafte Formate der Repräsentation. Es geht in diesem Kapitel letztlich um nicht weniger als darum, die Rekonstruktion des praktischen Wissens in den Rahmen einer im Großen und Ganzen repräsentationalistischen Theorie des Geistes zu integrieren. Dieses Kapitel stellt den systematischen Kern des Buches dar, enthält aber gleichzeitig seine Achillesferse (147–196). Kapitel vier schließlich versteht sich als eine Anwendung der zuvor entwickelten Konzeption der Wissensformate. Am Beispiel musikalischen Wissens und musikalischer Fähigkeiten werden die systematischen Unterscheidungen geprüft und erprobt (197–209), bevor ein Ausblick sich mit dem Gewinn beschäftigt, den die vorgeschlagene Analyse des praktischen Wissens für die Debatte über Qualia (Thema ist Frank Jacksons Argument des unvollständigen Wissens) und über Wahrnehmung (es geht um den Enaktivismus in der von Alva Noë vorgeschlagenen Form) einbringen könnte (211–220).

Warum ist das praktische Wissen als eine eigenständige Wissensform anzusehen? Die Autorin verfolgt ihr Beweisziel, indem sie zunächst einmal maßgebliche Argumente anführt, die gegen diese Idee sprechen. Praktisches Wissen – so wird innerhalb des Mainstreams der analytischen Erkenntnistheorie gerne gesagt – sei auf grundsätzliche Weise vom propositionalen Wissen zu unterscheiden und man müsse infrage stellen, dass es sich überhaupt um eine Form des Wissen handle. Jung spricht in diesem Zusammenhang zwar von einem „Argument der Differenz“ (13) aber es wird schnell deutlich, dass bei der Ausgrenzung des praktischen Wissens aus dem Bereich des erkenntnistheoretisch Wesentlichen eigentlich gar keine Argumente vorgetragen werden. Vielmehr erfolgt eine mehr oder minder willkürliche Festlegung, der zufolge das Können keine nennenswerte kognitive Relevanz besitzt. Viel wichtiger als diese von ihr zu Recht nur knapp skizzierte Diskussionslage ist das „Argument der Reduktion“ (14), dem große Teile des ersten Kapitels des Buches gewidmet sind. Dieses Argument besagt im Kern, dass praktisches Wissen letztlich eine propositionale Struktur besitzt und keine eigenständige Wissensform darstellt. Die neuere Debatte zwischen Intellektualisten und Anti-Intellektualisten wird eingehend rekonstruiert (31ff.), indem nicht nur die Argumente für und gegen die Reduktion der einen Wissensform auf die andere zur Darstellung gelangen (49ff.), sondern auch die Frage aufgeworfen wird, wie Formen des praktischen Wissens zu explizieren (33ff.) und mit Hilfe welcher Methoden sie zu analysieren sind (67ff.). Die Autorin wendet sich gegen Reduktionismusbehauptungen in beide Richtungen und macht gegen Ende der ersten Etappe noch einmal deutlich, worum es ihr geht. Sie plädiert „für einen erkenntnistheoretischen Begriff des praktischen Wissens […], der keine Reduktion auf propositionales Wissen erlaubt“ (70). Ihre positive Aufgabe bestimmt sie dahingehend, ein „repräsentatonalistisches Modell [des Wissens, insbesondere auch des praktischen Wissens, Verf.] vor[zu]stellen, das Befunde und Konzepte der Kognitions- und Neurowissenschaften einbezieht“ (70).

Einen ersten Höhepunkt erreicht das Buch in der Auseinandersetzung mit dem intellektualistischen Argument von Stanley und Williamson (51ff.), die praktisches Wissen deshalb auf propositionales Wissen zurückführen zu können glauben, da sich Wissen-wie-Sätze in Wissen-dass-Sätze umformulieren lassen. Das ist ein kurioser (obgleich technisch sehr anspruchsvoller) Vorschlag, da auf der Grundlage einer semantischen Analyse die Reduktion eines Typs von Sätzen auf einen anderen Typ von Sätzen vorgenommen wird und daraus geschlossen wird, dass es sich – in epistemischer Perspektive – beim Wissen-wie um ein Wissen-dass handelt. Stanley und Williamson versuchen zu zeigen, dass sich die Wahrheitsbedingungen von Sätzen der Art „Martin weiß, wie man Fahrrad fährt“ im Rückgriff auf abhängige bzw. eingebettete Fragen analysieren lassen, welche die betreffenden Sätze enthalten. Da der Beispielsatz die über das Verb „wissen“ eingebettete Frage „Wie fährt man Fahrrad?“ enthält, lasse er sich als Zuschreibung eines propositionalen Wissens verstehen, welches die Antwort auf die eingebettete Frage betreffe. Jung greift einen Einwand auf, den sich Stanley und Williamson selbst machen. Die Wahrheitsbedingungen für den Satz „Martin weiß, wie man Fahrrad fährt“ im Sinne von Stanley und Williamson können erfüllt sein, ohne dass man der betreffenden Person ein praktisches Wissen zuschreiben müsse. Dies gilt etwa für den Fall, in dem Martin gezeigt wird, wie jemand Fahrrad fährt. Dann weiß er, dass eine bestimmte Art der Bewegung eine erfolgreiche Art des Fahrradfahrens darstellt, ohne deshalb seinerseits schon Fahrrad fahren zu können (vgl. 53). Wer sieht, wie jemand etwas macht, oder auch die Regeln kennt, denen man zu folgen hat, um eine bestimmte Art von Handlung zu vollziehen, ist nicht zwingend in der Lage dazu, die entsprechende Handlung auszuführen, denn es besteht eine „Wissen-Handlungs-Lücke“ (vgl. u.a. 20, 48). Und genau diese stellt eine maßgebliche Herausforderung für intellektualistische Ansätze dar.

Stanley und Williamson versuchen die Schließung der Wissen-Handlungs-Lücke im Rückgriff auf verschiedene ‚Modi der Präsentation‘ zu bewerkstelligen, unter denen eine Proposition jeweils gewusst werden soll, und sie führen die Rede von einem ‚praktischen Modus der Präsentation‘ ein, welcher der kausalen Kraft der mit Hilfe von Wissen-wie-Sätzen zugeschriebenen Zustände Rechnung tragen soll. (In einer neueren Publikation Stanleys, die Jung nicht mehr berücksichtigen konnte, ist auch von ‚Arten des Denkens’ die Rede; vgl. Stanley 2011: 83ff.). Jung formuliert eine Reihe von Argumenten gegen diese Strategie, indem sie verschiedene Vorschläge zum Verständnis der Rede vom praktischen Modus der Präsentation unterbreitet. Am Ende laufen ihre Überlegungen nicht nur darauf hinaus, die Unklarheit des Vorschlags zu monieren, sondern zu zeigen, dass der Reduktionsversuch scheitert, da die Explikation der Kategorie des praktischen Modus der Präsentation recht verstanden den Rekurs auf genuine praktische Fähigkeit voraussetzt (vgl. 56).

Es gehört zu den Stärken des Buches, dass nicht nur der Intellektualismus in seinen unterschiedlichen Spielarten (Thema ist in diesem Zusammenhang auch Fodors Rückgriff auf das Computermodell des Geistes) ins Visier der Kritik gerät, sondern auch der Anti-Intellektualismus (obgleich nicht ganz so ausführlich diskutiert), der in seiner starken Form eine entgegengesetzte Reduktionsbehauptung vertritt, und das propositionale Wissen auf praktisches Wissen reduzieren zu können glaubt. So informiert die Arbeit in überaus kenntnisreicher Form über die gegenwärtige Theorielandschaft, indem sie eine umfangreiche Landkarte zur Diskussion ca. des letzten halben Jahrhunderts erstellt, und zumindest alle Wege, die in der analytischen Diskussion über das praktische Wissen beschritten worden sind, verzeichnet.

Bevor die Autorin der Aufgabe nachkommt, den von ihr favorisierten Begriff des praktischen Wissens einzuführen, präsentiert sie weitläufige Untersuchungen zur Rolle des Wissensbegriffs in der neueren Erkenntnistheorie, indem sie sich mit einer Reihe von Strategien auseinandersetzt, den traditionellen Begriff des Wissens im Sinne von wahrer und gerechtfertigter Überzeugung zu unterminieren. Die Überlegungen des betreffenden Kapitels bieten ein im besten Sinne des Wortes solides Referat zu Problemen der Begriffsanalyse von Wissen, Gettier-Fällen, Irrelevanzbescheinigungen und Naturalisierungsversuchen als den wesentlichen Stolpersteinen, denen sich die traditionelle Wissensauffassung ausgesetzt sieht. Man fragt sich aber, wozu die Überlegungen in dieser ausführlichen Form präsentiert werden, zumal sie ja vom eigentlichen Thema – der Frage nach einer angemessenen Rekonstruktion des praktischen Wissens – wegzuführen scheinen. Zwar motiviert die Autorin ihr Unterfangen, indem sie akzentuiert, dass diese Debatten für die Auseinandersetzung mit dem praktischen Wissen bedeutsam ist (vgl. 82), gelangt aber zu dem eher bescheidenen Fazit, „dass die Suche nach allgemeinen, kontextfreien Bedingungen für beide Formen des Wissens, propositionale und praktische, aufgegeben werden“ sollte (146). Diesen Schluss hätte man bereits nach der Auseinandersetzung mit der Intellektualismus-Debatte ziehen können.

Von für die Thematik grundsätzlichem Interesse hingegen sind die Untersuchungen zu Wissensformen und Wissensformaten, die in Kapitel drei vorgestellt werden. Jung unternimmt den erstaunlichen Versuch, ihr Plädoyer für die Eigenständigkeit des praktischen Wissens im Rahmen einer repräsentationalistischen Theorie des Geistes zu begründen. Erstaunlich ist der Versuch, weil das praktische Wissen, sofern man es als eine genuine Form des Wissens versteht, gegen repräsentationalistische Konzeptionen des Geistes spricht. Viele der Autoren, die sich um eine Klärung der Rolle unserer praktischen Fähigkeiten im Zusammenhang mit der Frage nach der Beziehung zwischen Geist und Welt bemühen, und mit denen sich auch Jung auseinandersetzt – prominente Beispiele aus der neueren Debatte sind Hubert Dreyfus und Alva Noë –, werten die Eigenständigkeit des praktischen Wissens als Indiz für die Falschheit repräsentationalistischer Konzeptionen. Nun muss, was viele behaupten, nicht richtig sein. Deshalb ist Jungs Versuch nicht nur erstaunlich, sondern auch ehrenwert. Als Anhängerin einer repräsentationalistischen Auffassung könnte sie es sich leicht machen und (wie beispielsweise Fodor) die Eigenständigkeit des praktischen Wissens in Zweifel ziehen. Das macht sie aber nicht, vielmehr packt sie den Stier bei den Hörnern, indem sie die Eigenständigkeit des praktischen Wissens behauptet und nicht nur zu zeigen versucht, wie dies im Rahmen einer repräsentationalistischen Theorie möglich ist, sondern darüber hinaus geltend macht, dass es sich nur im Rahmen eines repräsentationalistischen Ansatzes angemessen erklären lässt.

Den Nachweis der Eigenständigkeit des praktischen Wissens führt sie, indem sie deutlich macht, dass und inwiefern sich theoretisches und praktisches Wissen von jeweils anderen Normen leiten lassen. Für das theoretische Wissen sei die Norm der Wahrheit, für das praktische Wissen die Norm des Handlungserfolgs maßgeblich (vgl. 157). Während also theoretisches Wissen darauf zielt, unsere Überzeugungen mit der Welt zu einer Überstimmung zu bringen und es in diesem Zusammenhang darum geht, sich ein richtiges Bild der Welt zu verschaffen, soll uns das praktische Wissen in die Lage versetzen, unsere Bedürfnisse befriedigen sowie unsere Absichten und Wünsche realisieren zu können. Praktisches Wissen, so der Schluss der Autorin, ist auf ganz andere Gehalte als theoretisches Wissen bezogen, nämlich auf solche, die von diesem Wissen nicht unabhängig sind. Dass Berlin die Hauptstadt von Deutschland ist, ist von der Überzeugung, also dem Wissen, dass Berlin die Hauptstadt von Deutschland ist, unabhängig. Das Erzielen eines Fußballtors per Fallrückzieher hingegen ist eine Handlungsweise, die nicht von dem praktischen Wissen des Spielers unabhängig ist. In den Worten von Jung: das Objekt „meines praktischen Wissens [weist] keine vollständige Unabhängigkeit von dem Umstand auf, dass ich über dieses Wissen verfüge“ (155). Praktisches Wissen, so heißt es, besitze keinen „hinreichend objektivierbaren und spezifizierbaren Gehalt“ (162).

Vor diesem Hintergrund präsentiert die Autorin nun eine repräsentationalistische Konzeption, im Rahmen derer aus den Wissensformen Wissensformate werden, wobei freilich die Formate nicht aus einer einfachen Abbildung der Formen resultieren. Jung unterscheidet propositionale, sensomotorische und bildhafte Formate und lässt sich von der Intuition leiten, dass diesen Formaten Repräsentationstypen zugrunde liegen, die ihrerseits als Explikate für die unterschiedlichen Wissensformen dienen. Propositionale Formate entsprechen sprachlichen Formen der Wissensrepräsentation. Sie lassen sich durch die Merkmale der Wahrheitsfähigkeit und Begrifflichkeit kennzeichnen und sind von Reizeinwirkungen beispielsweise in Form von Wahrnehmungen unabhängig. Propositionale Formate unterliegen – wie Jung im Anschluss an Gareth Evans formuliert – einer Allgemeinheitsbedingung (vgl. 164). Für sensomotorische Formate gilt das nicht, diese sind nicht-begrifflich und von Reizen abhängig. Im Rahmen eines solchen Formats soll ein Gegenstand oder Sachverhalt repräsentiert werden können, ohne dass der Träger eines (mentalen) Zustands mit dem entsprechenden Format über die Begriffe verfügt, die dessen Gehalt spezifizieren. Jung legt nahe, das praktische Wissen im Sinne der Fähigkeit zu diesem oder jenem Handlungsvollzug mit den sensomotorischen Formaten in Verbindung zu bringen. Überlegungen zu bildhaften Formaten (177ff.) vervollständigen die Skizze, ohne weiter vertieft zu werden. Bildhafte Formate sollen ähnlich wie sensomotorische Formate etwas unabhängig von sprachlichen Strukturen repräsentieren können, allerdings bereits einer Objektivitätsbedingung unterliegen und nicht vollständig subjektgebunden sein (vgl. 181).

Ist die Explikation des praktischen Wissens im Rahmen einer repräsentationalistischen Theorie des Geistes gelungen? Ich hege Zweifel. (1) Der Repräsentationsbegriff wird in sehr allgemeiner Weise verwendet („Relation zwischen einem Repräsentationsvehikel und einem repräsentierten Gegenstand“, 152). Die Autorin zeigt sich selber immer wieder skeptisch, wenn sie etwa in Bezug auf Fodors Theorie von „fragwürdigen Hintergrundannahmen“ (147) spricht und sie räumt ein, dass die Verwendung des Repräsentationsbegriffs „nicht einmal innerhalb einzelner Fachgebiete einheitlich“ ist (151). Gelegentlich hat man den Eindruck, dass die Autorin sich gegen ihre eigenen, auf das praktische Wissen bezogenen Einsichten auf rhetorischer Ebene geradezu widerwillig als Anhängerin des Repräsentationalismus ausgibt. Für die Orientierung am fraglichen Paradigma spricht wohl nur, wie es ein wenig unglücklich formuliert heißt, dass „Repräsentationen […] als Schnittstelle zwischen Philosophie des Geistes und moderner Kognitionsforschung aufgefasst“ werden (152) und die Autorin ihre eigene Arbeit an dieser „Schnittstelle“ ansiedeln möchte. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Wie fruchtbar die Auseinandersetzung mit kognitionswissenschaftlichen Arbeiten sein kann, zeigen übrigens auf geradezu vorbildliche Weise ihre Ausführungen zu rezeptiven und praktischen musikalischen Fähigkeiten (198ff.) und zur musikalischen Imagination (203ff.). Dennoch bleibt die Frage, wie eine angemessene philosophische Explikation des praktischen Wissens auszusehen hätte und was vom ‚Repräsentationalismus’ bleibt, wenn man ihn von symbolischen Formaten loslöst.

​(2) Was Jung gegen nicht-repräsentationalistische Konzeptionen des praktischen Wissens vorzutragen hat (182ff.), will nicht richtig überzeugen. Warum beispielsweise sollen nicht symbolisch enggeführte Versionen des Repräsentationalismus immun gegen die Kritik des Anti-Repräsentationalisten sein, wie die Autorin nahelegt? Wenn das Reden von Repräsentationen im Sinne einer bloßen façon de parler verstanden wird und lediglich gemeint ist, dass Lebewesen sich vermöge ihrer geistigen Fähigkeiten auf die Welt beziehen können, sie nicht auf starre Reaktionsmuster fixiert sind, kurz: dass es sich nicht um Verhaltensmaschinen handelt, dann mag nichts mehr einzuwenden sein. Aber dann ist vom Repräsentationalismus wie er üblicherweise in der Philosophie des Geistes vertreten wird, auch nicht mehr viel übrig geblieben. Dann dürften alle diejenigen den Begriff für sich in Anspruch nehmen, die keine Behavioristen sind. Jede anspruchsvollere repräsentationalistische Theorie, sie mag sich nun auf symbolische Formate beziehen oder nicht, sieht sich dem Einwand ausgesetzt, dass der Status von Repräsentationen ungeklärt bleibt. Es wird ein inneres Reich postuliert, in dem Gedanken, gedankenartige Bildfetzen oder auch nicht-symbolische Weltbezüge als schattenhafte Gegenstände und ggf. als Gehirnzustände unser Verhalten erklären sollen. Warum kann man nicht einfach davon ausgehen, dass wir uns vermöge unseres Denkens, Redens und Handelns direkt auf die Welt beziehen? Mentalistische Repräsentationstheorien des Geistes verstricken sich in ähnliche Kategorienfehler wie Descartes Mythos vom ‚Gespenst in der Maschine‘, indem sie verhaltensbeschreibende Redeweisen und den Rekurs auf Fähigkeiten zum Anlass nehmen, eine innere Welt zu hypostasieren, die sie dann in das Gewand der modernen Kognitionswissenschaften kleiden. Viele Analysen, welche die Autorin z.B. im Zusammenhang mit ihrer Kritik am Intellektualismus vorlegt, führen im Grunde vom Repräsentationalismus weg. Dennoch glaubt sie, an ihm festhalten zu müssen.

Sicher, die Frage nach der Reichweite und den Grenzen einer repräsentationalistischen Theorie lässt sich nicht handstreichartig beantworten und es sind im Einzelnen viele Gesichtspunkte zu erwägen. Insgesamt ist Gewusst wie? ein überaus lesenswertes Buch, da es umfassend über die neuere Debatte zum praktischen Wissen informiert und mögliche Optionen konzise darstellt. Lesenswert ist es auch deshalb, weil es weithin klar geschrieben ist und alle verwendeten Karten auf den Tisch gelegt werden. Die Position ist so konturiert formuliert, dass sie zur Diskussion einlädt und zum Widerspruch reizt. Nicht jedes Buch kann diese Qualitäten in sich vereinen.


Literatur

Stanley, Jason, und Timothy Williamson. „Knowing How“.

The Journal of Philosophy 98.8 (2001), 411–44.

Stanley, Jason. Know How. New York: Oxford University Press 2011.

© 2013 Zeitschrift für philosophische Literatur, lizenziert unter CC-BY-ND-3.0-DE